Auch wenn bei der Gleichstellung der Geschlechter in den letzten Jahrzehnten viele Fortschritte gemacht wurden, sind Frauen in Führungspositionen nach wie vor stark unterrepräsentiert und bekommen im Durchschnitt für die gleiche Arbeit weniger Geld als ihre männlichen Kollegen. Dass sich ein Gleichgewicht der Geschlechter für ein Unternehmen in vielen Bereichen positiv auswirkt, haben Forscher wiederholt bestätigt.
In einem aktuellen IZA Discussion Paper untersuchen Claudio Lucifora (Università Cattolica del Sacro Cuore and IZA) und Daria Vigani (Università Cattolica del Sacro Cuore) nun, ob sich eine weibliche Führungskraft auch über die eigene Position hinaus positiv auf die Geschlechtergerechtigkeit im Unternehmen auswirkt.
Für ihre Studie werteten Lucifora und Vigani Daten aus 30 europäischen Ländern aus den Jahren 1995 bis 2010 aus und untersuchten die Zusammenhänge zwischen Frauen in Führungspositionen, den Arbeitsbedingungen und der im Unternehmen wahrgenommenen Geschlechtergerechtigkeit.
Frauen profitieren, Männer fühlen sich benachteiligt
Demnach weisen Unternehmen mit Frauen in leitenden Positionen ein geringeres Maß an wahrgenommener Geschlechterdiskriminierung auf als Firmen mit männlich dominierter Führungsebene. Die Forscher erklären dies unter anderem damit, dass Frauen die nicht direkt messbare Produktivität bei anderen Frauen besser einschätzen können als bei Männern. Dieses Ergebnis kann als Bestätigung eines bekannten Verhaltensmusters angesehen werden, nach dem sich Frauen im Arbeitsleben, besonders in weiblich dominierten Jobs, häufig untereinander fördern.
Männer hingegen fühlen sich in Gegenwart einer Chefin eher diskriminiert – wobei sich nicht belegen lässt, ob dies tatsächlich auf aktive Benachteiligung oder lediglich auf den Verlust gewohnter Vorteile zurückzuführen ist. In jedem Fall fällt der negative Effekt für Männer deutlich geringer aus als der positive Effekt für Frauen.
Bessere Bedingungen auf allen Hierarchieebenen
Die Autoren weisen allerdings darauf hin, dass der „Chefinnen-Effekt“ nur dort zu beobachten ist, wo weibliche Führungskräfte auf allen Hierarchieebenen zu finden sind. Ein höherer Frauenanteil auf Vorstandsebene hat der Analyse zufolge keinen messbaren Effekt, was nach Einschätzung der Forscher damit zusammenhängt, dass sich Frauen an der Unternehmensspitze im Führungsstil oft nicht wesentlich von ihren männlichen Kollegen unterscheiden.
Auf der Ebene des Gesamtunternehmens unterstreicht die Studie die Wichtigkeit frauenfreundlicher Arbeitsbedingungen: Lange und starre Arbeitszeiten, das Belohnen von Überstunden bei gleichzeitigem Mangel an Kinderbetreuungsangeboten und eine geringere Work-Life-Balance benachteiligen Frauen in der Regel stärker als Männer. Eine effektive Frauenförderung muss an diesen Stellen noch weit konsequenter ansetzen, um mehr geschlechtsunabhängige Chancen- und damit letztlich auch Einkommensgleichheit zu erreichen.