Viele europäische Staaten haben in den letzten Jahren eine Geschlechterquote für die Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen eingeführt. Mehr Frauen im obersten Kontrollgremium, so die Erwartung, würden die Gleichstellung in den Unternehmen vorantreiben und weiblichen Führungskräften helfen, die „gläserne Decke“ beim Karriereaufstieg zu durchbrechen.
Eine jetzt vom IZA veröffentlichte Auswertung der 2011 in Italien eingeführte Frauenquote zieht jedoch eine ernüchternde Bilanz. Zwar haben sich die weiblich besetzten Aufsichtsratsposten seit der Reform vervierfacht (auf 758 Mandate im Jahr 2017). Doch weder im Top-Management noch auf anderen hochdotierten Positionen erhöhte sich dadurch der Frauenanteil.
Für ihre Analyse nutzten die Ökonominnen Agata Maida und Andrea Weber den Umstand, dass die italienische Reform eine schrittweise Anhebung der Frauenquote vorsah, die je nach Termin der nächsten Aufsichtsratswahl in den Unternehmen zu unterschiedlichen Zeitpunkten zum Tragen kam. Die Autorinnen verglichen Unternehmen mit und ohne verpflichtende Frauenquote, wobei sie mögliche Einflussfaktoren wie die Unternehmensgröße berücksichtigten.
Auch wenn es vereinzelt zur Einsetzung weiblicher Vorstandsvorsitzender kam, hatte die Reform insgesamt keine erkennbaren Auswirkungen auf die Frauenkarrieren in den Unternehmen, wie die Grafik veranschaulicht. Die Ergebnisse decken sich mit dem Befund für Norwegen, wo die Frauenquote in Verwaltungsräten schon seit 2003 gilt.
Mögliche Gründe
Die Autorinnen nennen drei Erklärungsansätze für das Ausbleiben des erhofften „Trickle-Down-Effekts“:
- Gemessen am Gesamtarbeitsmarkt hat die Zahl weiblicher Aufsichtsräte eher symbolischen Charakter. Womöglich bedarf es einer Ausweitung der Reform, um spürbare Effekte zu erzielen.
- Ein Kulturwandel in den Unternehmen braucht Zeit, erst recht im eher traditionell geprägten Italien. Es wäre also durchaus denkbar, dass sich die Effekte auf lange Sicht doch noch einstellen.
- Aktuelle Erkenntnisse aus Deutschland und Frankreich zeigen, dass Frauen innerhalb der Aufsichtsräte selten den Vorsitz oder andere Schlüsselpositionen innehaben. Ihr Einfluss auf das Unternehmen dürfte also geringer sein als der formelle Frauenanteil vermuten lässt.
Alternative Ansätze
Nach Einschätzung der Autorinnen nützt die Quote allein wenig, wenn es nicht gelingt, weibliche Karrieren besser „von unten“ zu fördern, etwa durch bessere Kinderbetreuung, durch Jobsharing-Möglichkeiten, Mentoring oder frauenfreundlichere Bewerbungs- und Einstellungsprozesse.
Zu diesem Schluss gelangt auch Nina Smith, die in einem Artikel für die IZA World of Labor den internationalen Forschungsstand zur Frauenquote aus ökonomischer Sicht zusammenfasst. Sie plädiert außerdem dafür, ein „ausgewogeneres Karrieregleichgewicht innerhalb von Familien“ zu fördern, etwa durch mehr Anreize für Väter, Elternzeit zu nehmen.