Seit das klassische wirtschaftstheoretische Menschenbild des stets rational und eigennützig handelnden „Homo oeconomicus“ in Wanken geraten ist, beschäftigt sich die verhaltensökonomische Forschung zunehmend mit dem Thema Altruismus – also mit der Frage, ob und in welchem Maße sich Menschen kooperativ verhalten und zum Wohle anderer auf den eigenen Vorteil verzichten.
Inwieweit altruistisches Verhalten bereits im Kindesalter ausgeprägt ist, untersucht eine aktuelle IZA-Studie von Silvia Angerer, Daniela Glätzle-Rützler, Philipp Lergetporer und Matthias Sutter. Die Wissenschaftler führten in der Südtiroler Stadt Meran ein Experiment mit Zweit- bis Fünftklässlern durch. Die mehr als 1.000 teilnehmenden Jungen und Mädchen erhielten je sechs Wertmarken, die sie entweder gegen Früchte, Süßigkeiten und kleine Geschenke eintauschen oder an eine bekannte Wohltätigkeitsorganisation für Kinder in Not spenden konnten. Die 7- bis 11-Jährigen wurden bei ihrer Entscheidungsfindung nicht beobachtet oder beeinflusst.
Das Experiment lieferte eine ganze Reihe interessanter Ergebnisse:
- Je älter die Kinder, desto mehr spendeten sie. Während 30 Prozent der jüngsten Kinder gar nichts spendeten, behielten nur 13 Prozent der Ältesten sämtliche Wertmarken für sich selbst. Besonders bemerkenswert: Kinder im Alter von 10 und 11 Jahren handelten fast wie Erwachsene in vergleichbaren Experimenten.
- Mädchen waren spendabler als Jungs.
- Kinder mit höherem IQ verhielten sich altruistischer.
- Jüngere Geschwister von älteren Brüdern teilten weniger gerne.
- Die Muttersprache (deutsch oder italienisch) hatte keinen Einfluss auf das Verhalten.
- Die wirtschaftliche Situation der Eltern wirkte sich nicht auf die Großzügigkeit der Kinder aus.
Eine weitere Variante des Experiments: Die Kinder konnten in einem freiwilligen Glücksspiel ihre Wertmarken verdoppeln – oder mit gleicher Wahrscheinlichkeit verlieren. Auch konnten sie Marken, die sie nicht direkt einsetzten, zu einem späteren Zeitpunkt vermehren. So konnten die Forscher die Einflussfaktoren „Risikobereitschaft“ und „Geduld“ untersuchen. Ihre Hypothese, dass risikobereite und geduldige Kinder mehr spenden würden, bestätigte sich allerdings nur, solange diese Eigenschaften nicht zu stark ausgeprägt waren.