Testosteron macht aggressiver und steigert das Konkurrenzdenken – so steht’s in zahlreichen Studien. Ist das Sexualhormon deswegen dafür verantwortlich, dass Männer in den OECD-Ländern im Schnitt 17 Prozent mehr verdienen als Frauen? Das untersuchten Forscherinnen von der Universität in Rotterdam und dem Middlebury College. In ihrer Studie fragen sich Anne C. Gielen, Jessica Holmes und Caitlin Knowles Myers, ob Testosteron, das für die Ausbildung männlicher Charakterzüge verantwortlich ist, zu Unterschieden auf dem Arbeitsmarkt führt. Dazu untersuchten die Forscherinnen die Einkommensunterschiede zwischen Menschen, die einen weiblichen Zwilling haben, und solchen mit einem Zwillingsbruder. Biologen gehen davon aus, dass Embryonen im Uterus etwas von dem Testosteron ihrer männlichen Zwillinge abbekommen. Frauen mit einem männlichen Zwilling, so fand man heraus, weisen deshalb mehr maskuline Merkmale auf als Frauen mit einer Zwillingsschwester. Um zu überprüfen, ob diese Unterschiede sich auch im Gehalt niederschlagen, untersuchten die Wissenschaftlerinnen Daten von 86.822 Zwillingen aus den Niederlanden, die zwischen 1959 und 1979 geboren wurden. Aus diesem Pool identifizierten sie alle Personen mit einem Zwillingsbruder oder einer -schwester und verglichen die Löhne der beiden Gruppen.
Das Ergebnis: Für Männer mit Zwillingsbruder stellte die Studie tatsächlich einen höheren durchschnittlichen Lohn fest als für Männer mit Zwillingsschwester. Bei Frauen hingegen ließ sich kein eindeutiger Zusammenhang von Gehalt und dem Geschlecht des Zwillings feststellen Wenn überhaupt, verdienten Frauen mit höherem Testosteronlevel sogar weniger als jene mit einem weiblichen Zwilling. Eine mögliche Interpretation der Ergebnisse ist, dass neben biologischen auch kulturelle Faktoren eine Rolle spielen. So haben andere Studien gezeigt, dass Frauen, die aggressiver, bestimmter und konkurrenzorientierter auftreten, für dieses „männliche“ Verhalten durch geringere Bezahlung bestraft werden. Bei Männern hingegen wirkt sich ein solches Auftreten positiv aufs Einkommen aus.