Leistungsabhängige Vergütung kann nicht nur motivationssteigernd wirken, sondern bietet laut einem aktuellen IZA-Forschungspapier von Joshua Graff Zivin, Lisa B. Kahn und Matthew Neidell auch wirksame Anreize für mehr „Learning by Doing“. Dadurch verbessern Beschäftigte ihre jobrelevanten Fertigkeiten eigenständig, um mehr Arbeit in der gleichen Zeit zu schaffen.
Empirisch ist dieser Zusammenhang schwer nachzuweisen, weil eine Leistungssteigerung sowohl durch größere Anstrengung als auch durch höhere Effizienz erzielt werden kann. Das Forscherteam nutzte daher eine Besonderheit im Vergütungssystem eines kalifornischen Obstbaubetriebs, der Trauben und Heidelbeeren produziert. Der Obstbau eignet sich aus wissenschaftlicher Sicht besonders gut zur Messung individueller Produktivität, weil sich die gepflückte Menge exakt im Zeitverlauf messen lässt und Verzerrungen etwa durch Teamdynamiken weitgehend ausgeschlossen sind.
Die Obstpflücker erhielten als Grundvergütung jeweils den gesetztlichen Mindestlohn und bei Überschreiten eines festgelegten Tagesziels einen Bonus für jeden darüber hinaus befüllten Korb. Im Gegensatz zu den Traubenpflückern wurde bei den Heidelbeerpflückern das Erreichen des Tagesziels zusätzlich durch eine attraktive Leistungsprämie in Höhe des anderthalbfachen Stundenlohns honoriert.
Leistungsprämie steigert Lernbereitschaft
Die Auswertung bestätigte zunächst frühere Befunde aus der personalökonomischen Forschung, nach denen Beschäftigte ihre Arbeitsleistung tendenziell so anzupassen versuchen, dass sie den für die Prämie maßgeblichen Schwellenwert gerade überschreiten. Die Wahrscheinlichkeit, dieses strategische Ziel zu erreichen, steigt mit der Arbeitserfahrung: Nach zehn Tagen im Job erreichten die Heidelbeerpflücker das Tagesziel mit 80 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit als an den ersten beiden Arbeitstagen (siehe Abb. 1). Bei den Traubenpflückern (siehe Abb. 2) war dieser Lerneffekt mit 8 Prozent deutlich geringer.
Produktivitätssteigerung kompensiert Mehrkosten
Die Autoren schließen daraus, dass erst die Aussicht auf die Leistungsprämie einen wirksamen Anreiz für die Beschäftigten darstellt, ihre Pflücktechnik in möglichst kurzer Zeit zu perfektionieren. Trotz der relativ kostspieligen Prämien zahlte sich das Vergütungssystem für das Unternehmen in Form eines höheren Gewinns pro Mitarbeiter aus, was laut Studie darauf zurückzuführen ist, dass auch die weniger leistungsstarken Heidelbeerpflücker ihre Effizienz spürbar steigerten.
Als alternative Erklärung für die Unterschiede zwischen Trauben- und Heidelbeerpflückern wäre denkbar, dass sich die Tätigkeiten – oder die Beschäftigten – im Hinblick auf das Verbesserungspotenzial durch „Learning on the Job“ systematisch unterscheiden. Beides können die Forscher jedoch weitgehend ausschließen, da das beobachtete Leistungsspektrum in beiden Bereichen ähnlich breit ist. Zudem betrachteten sie auch Beschäftigte, die bereits in beiden Bereichen gearbeitet hatten.
Zwar sind die Befunde nicht notwendigerweise auf andere Tätigkeiten übertragbar, in denen sich die individuelle Produktivität weniger leicht messen bzw. steigern lässt. Nach Einschätzung der Autoren sei es jedoch sinnvoll, Leistungsprämien nicht nur als Motivationsinstrument zu sehen, sondern auch unter dem Qualifizierungsaspekt zu betrachten: Je nach Kontext könne der finanzielle Anreiz für mehr „Learning by Doing“ ebenso zur Produktivitätssteigerung beitragen wie kostspielige Investitionen in neue Technologien oder Weiterbildungsmaßnahmen.