Wer nach Verbüßen einer Haftstrafe eine neue Anstellung findet, bleibt dem Arbeitgeber tendenziell länger erhalten. Laut einer im IZA Journal of Labor Policy veröffentlichten Studie gilt dies inbesondere im Verkaufs- und Kundenservice. Für die Unternehmen könnten sich dadurch die Kosten der Mitarbeiterfluktuation reduzieren.
Um einen möglichen Zusammenhang zwischen Vorstrafen, Arbeitsleistung, Betriebszugehörigkeit und Verhalten am Arbeitsplatz zu untersuchen, werteten Forscher der Northwestern University Daten zu rund 60.000 Callcenter-Mitarbeitern in den USA aus. Vorbestrafte Angestellte blieben den Unternehmen demnach um durchschnittlich 19 Tage länger treu als Beschäftigte ohne kriminellen Hintergrund.
Gerade in dieser Branche sei die Fluktuation besonders hoch, was für die Arbeitgeber hohe Rekrutierungs- und Einarbeitungskosten bedeute, erklären die Studienautoren. Die Einstellung ehemaliger Straftäter könnte somit ein bislang unterschätztes Produktivitätspotenzial darstellen.
Geringere Arbeitsmarktchancen
Den Autoren zufolge ist die schwierige Arbeitsmarktsituation für Jobsuchende mit Vorstrafen ein Hauptgrund dafür, dass erfolgreiche Stellenbewerber seltener aus eigenem Antrieb kündigen. Zudem fühlten sich Ex-Häftlinge ihren neuen Arbeitgebern, die ihnen eine „zweite Chance“ geben, häufig in besonderer Weise verpflichtet. Aus gesellschaftlicher Sicht sei die erfolgreiche Wiedereingliederung ehemaliger Straftäter in den Arbeitsmarkt entscheidend, um die hohen Rückfallquoten zu verringern.
Gleichwohl weisen die Forscher darauf hin, dass die Neueinstellung ehemaliger Straftäter nicht ohne Risiko ist, zumindest bei Tätigkeiten im Verkauf: Hier liege die Wahrscheinlichkeit für ein Fehlverhalten wie Diebstahl am Arbeitsplatz bei Ex-Häftlingen um 34% höher als bei Mitarbeitern ohne Vorstrafen. Finanziell betrachtet profitierten die Arbeitgeber dennoch: Den statistisch zu erwartenden Zusatzkosten durch Diebstahl von rund 43 US-Dollar stünden Einsparungen von 746 US-Dollar durch geringere Fluktuationskosten gegenüber.
„Zwar können wir die Vorbehalte von Arbeitgebern nicht vollständig ausräumen, aber unsere Befunde legen nahe, dass die Einstellung vorbestrafter Stellenbewerber nicht nur aus moralischen Erwägungen, sondern auch unter Effizienzaspekten sinnvoll sein kann“, erklärt Koautorin Deborah Weiss. Die positiven Ergebnisse der Studie seien jedoch nicht notwendigerweise auf andere Branchen und Stellenprofile übertragbar.