Die Grundlagen für Bildung, Karriere und soziale Kontakte werden in der frühen Kindheit gelegt. Daher beschäftigen sich viele Forscher – unter anderem auch im Rahmen des heute gestarteten IZA-Workshops „Education, Interventions and Experiments“ – mit der Frage, inwiefern öffentliche Investitionen in die frühkindliche Entwicklung zu besseren Bildungsergebnissen und zur Verringerung sozialer Ungleichheit beitragen können.
Zwei aktuelle Beiträge für das Online-Kompendium IZA World of Labor gehen dieser Frage aus unterschiedlichen Blickwinkeln nach. Jane Waldfogel (Columbia University) fasst den Stand der internationalen Wissenschaft zu den langfristigen Effekten staatlich geförderter Vorschulen auf die berufliche, soziale und gesundheitliche Entwicklung zusammen. Ein weiterer Beitrag von N. Meltem Daysal (University of Southern Denmark) analysiert, wie sich Investitionen in frühkindliche Gesundheitsversorgung und in Bildungsprogramme für Mütter langfristig auf die Entwicklung der Kinder auswirken.
Frühe Benachteiligung bleibt oft ein Leben lang
Unterschiede bei der kognitiven Entwicklung von Kindern lassen sich schon im Alter von sechs Jahren feststellen. Kinder aus sozial schwächeren Familien, häufig mit Migrationshintergrund, sind bei der Einschulung in vielen Fällen noch nicht bereit für den Besuch der Grundschule und laufen Gefahr, den Anschluss an weiter entwickelte Kinder zu verlieren. Wird dieser Rückstand nicht aufgeholt, können sich für die betroffenen Kinder langfristige Nachteile bis ins Erwachsenenalter ergeben. Anhand von Modellversuchen haben Forscher wiederholt gezeigt, dass öffentliche Vorschulprogramme für eine klar definierte Zielgruppe die Unterschiede bei der Schulreife erheblich verringern können.
Der Beitrag von Jane Waldfogel stellt auf Basis umfangreicher Forschungsergebnisse – von europäischen Vorschulprogrammen aus den 1970er Jahren bis hin zu aktuellen Erkenntnissen aus den USA – heraus, dass die Programmteilnahme bei sozial benachteiligten Kindern sowohl die schulischen Leistungen als auch die soziale und emotionale Entwicklung langfristig verbessert.
Als entscheidende Erfolgsfaktoren von Vorschulprogrammen identifiziert Waldfogel qualifiziertes Personal und kleine Gruppengrößen. Beides koste Geld, doch die Mittel seien gut investiert. Denn gerade in Ländern mit ausgeprägter sozialer Ungleichheit, wie etwa in den USA, kann vorschulische Bildung die schulischen Leistungen insgesamt heben und zugleich die Kluft zwischen Arm und Reich verringern. Zudem rät Waldfogel, öffentliche Vorschulprogramme mit anderen bildungspolitischen Maßnahmen zu koordinieren, indem etwa die Lehrpläne von Vor- und Grundschule besser aneinander ausgerichtet werden, aber auch verwandte Politikbereiche wie die Familien- und Sozialpolitik mit einzubeziehen.
Frühkindliche Gesundheit wirkt sich auf Bildungserfolg aus
Ebenso wichtig ist eine Flankierung durch gesundheitspolitische Maßnahmen, wie der Beitrag von Meltem Daysal veranschaulicht. Denn auch der Gesundheitszustand von Kleinkindern – beeinflusst etwa durch Ernährung, Krankheit, Alkoholkonsum während der Schwangerschaft, Jodmangel oder auch psychischen Stress der Mutter – wirkt sich auf den Bildungserfolg und damit die späteren Arbeitsmarktchancen der Kinder aus.
So belegen OECD-Daten einen Zusammenhang zwischen Geburtsgewicht und durchschnittlichen Bildungsjahren (siehe Abbildung). Mehr staatlich geförderte Gesundheitsprogramme und eine bessere ärztliche Versorgung von Kleinkindern könnten die frühkindliche Benachteiligung laut Daysal verringern. Dazu zähle eine konsequentere Bekämpfung von Kinderkrankheiten ebenso wie Aufklärungsprogramme über gesunde Kinderernährung. Die positiven Gesundheitseffekte schlügen sich in geringeren Fehlzeiten und besseren schulischen Leistungen nieder.
Allerdings betont Daysal, solche Programme könnten ihre volle Wirkung nur entfalten, wenn sie gezielt auf benachteiligte Kinder fokussiert werden. Studien zeigten, dass dann sogar deren Geschwister davon profitierten, ohne selbst an Gesundheitsprogrammen teilgenommen zu haben. Im Zusammenspiel mit frühkindlicher Förderung ließe sich so die soziale Ungleichheit weiter verringern.