Schon vor den pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen haben verschiedene gesellschaftliche Trends zur Vereinsamung der Menschen beigetragen. Dazu zählt neben dem demografischen Wandel mit alternder Bevölkerung und immer mehr Single-Haushalten auch die voranschreitende Digitalisierung vieler Lebensbereiche.
Die sozialen und gesundheitlichen Kosten sind immens: Einsamkeit erhöht den Stresspegel und kann zu Bluthochdruck, Schlafmangel, Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie zu Depression und anderen psychischen Leiden führen. Dadurch erhöht sich das Sterberisiko in ähnlichem Maße wie durch Fettleibigkeit und Rauchen.
Erschwerend kommt hinzu, dass einsame Menschen zu ungesundem Lebenswandel neigen und auch aufgrund von Stigmatisierung ihre Kontakte weiter einschränken. Auf diese Weise entsteht eine Teufelskreis. Inzwischen ist bereits vielfach von einer „Einsamkeitsepidemie“ die Rede, und die britische Regierung widmet dem Thema seit einigen Jahren sogar ein eigenes Ministerium.
Etwa fünf Prozent der Deutschen fühlen sich häufig einsam
Ein kürzlich erschienenes IZA-Forschungspapier von Béatrice d’Hombres, Martina Barjaková und Sylke V. Schnepf zählt zu den ersten länderübergreifenden Studien, die das Phänomen europaweit untersuchen. Die Autoren betrachten dabei neben dem subjektiven Gefühl von Einsamkeit auch die Häufigkeit sozialer Kontakte pro Monat als Indikator für soziale Isolation.
Die Daten basieren auf dem alle zwei Jahre durchgeführten European Social Survey und wurden in den Jahren 2002-2018 erhoben, also noch vor Corona. Im Schnitt gaben 8,6 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Europa an, häufig unter Einsamkeit zu leiden. In Deutschland liegt der Wert bei unter fünf Prozent – europaweit sind nur die Menschen in den Niederlanden, Dänemark und Finnland weniger einsam.
Starkes Gefälle zwischen Nord- und Osteuropa
Größere Länderunterschiede zeigen sich im Hinblick auf soziale Isolation. Im Schnitt gab jede/r fünfte Befragte an, sich höchstens einmal im Monat mit Freunden, Verwandten oder Arbeitskollegen für gemeinsame Unternehmungen zu treffen. Der Wert variiert zwischen rund acht Prozent in den Niederlanden und über 40 Prozent in Ungarn und Griechenland. Deutschland liegt hier etwa im Mittelfeld. Insgesamt sind sowohl Einsamkeit als auch soziale Isolation in Osteuropa am weitesten verbreitet, wie das folgende Schaubild zeigt.
Grafik: Soziale Isolation (dunkelblau) und Einsamkeit (hellblau) in Europas Regionen
Während Ältere häufiger sozial isoliert sind, leiden sie nicht systematisch häufiger unter Einsamkeit als Jüngere. Zu den größten Risikofaktoren zählen prekäre wirtschaftliche Verhältnisse, Alleinleben und schlechte Gesundheit. Ob die zunehmende Nutzung sozialer Medien eher zur Vereinsamung beiträgt oder davor schützt, lässt sich aus den Daten hingegen nicht ablesen.