Die zunehmende Konzentration von Reichtum führt immer wieder zu Forderungen nach einer verstärkten Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen. Ein gängiges Gegenargument lautet, dass Reiche dann ihren Wohnsitz ins Ausland verlagern würden. Allerdings wird in der Debatte meist auf prominente Einzelfälle verwiesen, während es kaum belastbare Daten dazu gibt, wie ausgeprägt die Steuerflucht tatsächlich wäre.
Diese Lücke füllt nun ein aktuelles IZA-Forschungspapier von Arun Advani, David Burgherr und Andy Summers. Die Autoren machen sich eine Besonderheit des britischen Steuersystems zunutze, die auf die Kolonialzeit zurückgeht: Steuerpflichtige mit ausländischen Wurzeln mussten auf Kapitalerträge aus bestimmten ausländischen Vermögenswerten keine Steuern zahlen. Von dieser Möglichkeit machten vor allem Superreiche regen Gebrauch.
Im Jahr 2015 kündigte die Regierung an, dass ab 2017 diese Steuererleichterung für Personen mit mindestens 15 Jahren Aufenthalt im Vereinigten Königreich entfallen würde. Für die empirische Forschung bietet diese Reform ideale Voraussetzungen: Erstens sorgte sie für eine spürbare Mehrbelastung für die Betroffenen, deren Einkommen nach Steuern sich im Schnitt um 18 Prozent reduzierten. Zweitens änderte sich der Steuersatz für ein und dieselbe Person im Zeitverlauf. Und drittens waren Personen mit ansonsten ähnlichen Merkmalen je nach ihrer bisherigen Aufenthaltsdauer im Land unterschiedlich betroffen.
Das Ergebnis: Die Auswanderungswahrscheinlichkeit der betroffenen Personengruppe stieg von vorher rund 4 Prozent um weitere 4,6 Prozentpunkte. Zwar handelt es sich bei diesem niedrigen absoluten Wert immerhin um eine Verdoppelung. Die Autoren weisen jedoch auf die geringe „Elastizität“ hin: Für jedes zusätzliche Prozent an Einkommenseinbußen steigt die Neigung zur Auswanderung um lediglich 0,26 Prozent. Vor allem ältere Personen und solche, die vor der Reform wenig Steuern zahlten, also eine ohnehin geringere wirtschaftliche Bindung zum Land hatten, wechselten ins Ausland. Unterm Strich ergab sich jedoch für die Staatskasse ein sattes Plus: Das Steueraufkommen der von der Reform betroffenen Personengruppe erhöhte sich um rund 150 Prozent.
Zwar lässt sich der britische Sonderfall nicht ohne Weiteres auf andere Länder übertragen. Generell aber sprechen die Befunde nach Einschätzung der Forscher dafür, dass die vermeintliche Auswanderungsbereitschaft von Superreichen kein stichhaltiges Argument gegen eine stärkere Besteuerung von Vermögen darstelle. Auch umgekehrt sei davon auszugehen, dass eine geringere Besteuerung nicht geeignet sei, Reiche aus dem Ausland in ausreichendem Maße anzulocken, um dadurch entgangene Steuereinnahmen zu kompensieren.