Die Menschen in den westlichen Industrienationen leben im Durchschnitt gesünder und länger als früher. Trotzdem bleibt der frühe Ruhestand für viele eine attraktive Option. Zwar zeigt die Erwerbskurve der Älteren insgesamt nach oben, doch noch immer ist in Deutschland nur etwa die Hälfte der 60- bis 64-jährigen am Arbeitsmarkt aktiv. Wie die aktuelle Diskussion um das künftige Rentenniveau und dessen Finanzierbarkeit zeigt, kann der Generationenvertrag auf Dauer nur bei einer tragfähigen Relation zwischen aktiven Erwerbstätigen und Rentenbeziehern funktionieren.
Bei einem frühen Ausscheiden aus dem Arbeitsmarkt spielen neben gesundheitlichen Gründen viele andere Faktoren eine Rolle. Eine der weniger häufig beachteten Ursachen ist die zunehmende Technisierung und Digitalisierung der Arbeitswelt, die für ältere Menschen zu Problemen führen und gegebenenfalls auch die Rentenentscheidung beeinflussen kann.
Technischer Wandel kann in beide Richtungen wirken
In einem aktuellen Forschungsbeitrag, der gerade im IZA Journal of Labor Policy erschienen ist, haben Lorenzo Burlon (Banca d’Italia und IZA) und Montserrat Vilalta-Bufí (Universität Barcelona) am Beispiel der USA untersucht, wie sich der technologische Wandel auf das Renteneintrittsalter auswirkt. Überraschenderweise zeigen ihre Ergebnisse, dass neue Technologien nicht nur zu einem kürzeren, sondern unter bestimmten Bedingungen auch zu einem längeren Verbleib im Arbeitsleben führen können.
Anhand von allgemeinen Arbeitsmarkt- und Umfragedaten die zwischen 1992 und 2010 erhoben wurden, ermitteln die Autoren, wie stark der technische Fortschritt in verschiedenen Berufszweigen Einzug gehalten hat. Sie kombinieren diese Informationen mit Rentendaten und können so berechnen, wie der technologische Wandel die Wahrscheinlichkeit zur Frühverrentung beeinflusst hat.
Sie stellen fest, dass diese Wahrscheinlichkeit in erster Linie vom Grad des technischen Wandels abhängt. Mit steigender Rate technischer Neuerungen fällt es älteren Arbeitnehmern der Studie zufolge zunehmend schwer, sich mit den neuen, technischeren Arbeitsbedingungen zurechtzufinden. Da ihre vor langer Zeit erworbenen Kompetenzen immer weniger gebraucht werden, entscheiden sich mehr für den Vorruhestand.
Höhere Löhne sind Anreiz zu späterem Renteneintritt
Wenn der Grad des technologischen Fortschritts jedoch eine bestimmte Schwelle überschritten hat, sinkt die Wahrscheinlichkeit zur Frühverrentung wieder. Burlon und Vilalta-Bufí erklären dies mit dem motivierenden Einfluss höherer Gehälter. Sie stellen fest, dass in den Berufen, in denen sich neue Technologien besonders stark durchgesetzt haben, in der Regel auch die Produktivität und damit die Löhne stark angestiegen sind. Dies wiederum steigert, so die Autoren, den Anreiz für ältere Arbeitnehmer, den Umgang mit neuen Technologien zu lernen und sich schließlich auch für einen längeren Verbleib im Arbeitsleben zu entscheiden.
In Zeiten des demografischen Wandels lassen sich aus diesen Ergebnisses wertvolle Erkenntnisse ziehen. Politik und Wirtschaft können durch finanzielle Anreize und Schulungsprogramme dafür sorgen, dass ältere Arbeitnehmer länger im Arbeitsmarkt bleiben. Auch weniger stark technologiebasierte Firmen, in denen sich der technische Wandel nur langsam einstellt, sollten nicht davor zurückschrecken, ihre älteren Arbeitnehmer mit neuen Technologien zu konfrontieren, sondern sie im Sinne des „aktiven Alterns“ an die Nutzung heranführen und so länger im Arbeitsmarkt halten.