Trotz Quotenregelungen und anderer Bemühungen zur Frauenförderung gibt es noch immer wenige Ökonominnen in politischen, wirtschaftlichen und akademischen Spitzenpositionen. Eine aktuelle Studie aus Großbritannien sieht eine Hauptursache darin, dass Frauen aufgrund kultureller und sozialer Prägung schon im Kindesalter wenig Interesse für Mathematik zeigen und sich folglich deutlich seltener für ein VWL-Studium entscheiden als Männer.
In ihrem Diskussionspapier analysieren die IZA-Fellows Mirco Tonin und Jackline Wahba umfangreiche Daten zu britischen Schülern und Studenten. Zwar stellen weibliche Studierende mit 57% längst die Mehrheit an den Universitäten. Doch in den Wirtschaftswissenschaften liegt ihr Anteil trotz besonders guter Gehalts- und Karriereaussichten bei nur 27%. Eine etwaige Diskriminierung bei der Studienplatzvergabe konnten die Autoren ausschließen: Weibliche und männliche Bewerber haben die gleichen Chancen im Auswahlverfahren. Auch nehmen sie ein Studienplatzangebot mit gleicher Wahrscheinlichkeit an.
Dass Frauen in den Wirtschaftswissenschaften dennoch so stark unterrepräsentiert sind, führen die Forscher primär auf deren vergleichsweise geringes Interesse an Mathematik zurück, das sich bereits in der Schule zeigt. Während nur 10% der Mädchen Mathematik als Leistungsfach wählen, liegt der Anteil bei Jungen mit 19% fast doppelt so hoch. Doch daran liegt es nicht allein: Offenbar kommt ein geringeres Interesse an Wirtschaftsthemen hinzu, denn selbst Schülerinnen mit Mathe-Leistungskurs entscheiden sich deutlich seltener für ein VWL-Studium als ihre männlichen Mitschüler.
Die Geschlechterunterschiede bei den Vorlieben für bestimmte Fächer seien keineswegs naturgegeben, sondern primär ein Ergebnis kultureller Prägung, erklärt Studienautor Mirco Tonin. So sei der Anteil mathematikbegeisterter Mädchen in Gesellschaften mit mehr Gleichberechtigung erkennbar höher als in solchen, in denen das traditionelle Rollenverständnis der Geschlechter vorherrsche.
Tonin verspricht sich daher viel von einer gezielten Förderung der Mathematik- und Wirtschaftsinteressen bei Mädchen durch Schule und Elternhaus: „Dadurch ließe sich im Idealfall ein selbstverstärkender Trend erreichen: Je mehr Mädchen einen Bildungsweg einschlagen, der sie in einflussreichere Positionen bringt, desto besser können sie auf weitere Fortschritte bei der Gleichberechtigung hinwirken – sei es durch aktive politische Entscheidungen oder schon allein durch ihre Vorbildfunktion.“
Gleichberechtigung sei dabei kein Selbstzweck, betont Tonin. Auch die Gesellschaft insgesamt würde von einer stärkeren Ausgewogenheit der Geschlechter in der Ökonomenzunft profitieren, weil weibliche Ökonomen die wissenschaftliche und politische Diskussion durch andere Sichtweisen bereichern und sozialen Belangen tendenziell einen größeren Stellenwert einräumen als ihre männlichen Kollegen.
Die Studie ist unter dem Titel „The Sources of the Gender Gap in Economics Enrolment“ in der IZA-Reihe erschienen [PDF Download].