Wie Kinder ihre Fähigkeiten, Chancen und Rolle in der Gesellschaft wahrnehmen, wird nicht zuletzt durch politische, ethnische und geschlechtsspezifische Botschaften in Bildungsmaterialien geprägt. Ein Forschungsteam um die IZA-Fellows Alex Eble und Anjali Adukia hat nun mithilfe künstlicher Intelligenz untersucht, inwieweit bestimmte Hautfarben, Geschlechter und Altersgruppen in US-Kinderbüchern repräsentiert sind.
Die Untersuchung unterscheidet zwei Kategorien preisgekrönter Kinderbücher: „Mainstream“-Bücher wurden ausschließlich für ihren hohen literarischen oder künstlerischen Wert augezeichnet, „Diversity“-Bücher zusätzlich für die Darstellung unterrepräsentierter Identitätsgruppen. Wie die folgende Grafik veranschaulicht, gingen nur bei den Mainstream-Werken die Bibliotheksausleihen nach der Preisbekanntgabe stark in die Höhe, was dafür spricht, dass Kinder weitaus häufiger mit den Inhalten dieser Bücher in Berührung kommen.
Für die Auswertung der Personendarstellungen in den Büchern entwickelten die Autoren eine spezielle KI-basierte Methode zur Gesichtserkennung, mit der im Gegensatz zu Standardsoftware nicht nur Fotos, sondern auch Illustrationen zuverlässig ausgewertet werden können.
In Kombination mit weiteren Verfahren zur Mustererkennung ergab die Analyse, dass die in der Mainstream-Literatur abgebildeten Gesichter im Schnitt heller dargestellt sind als in den Diversity-Büchern, selbst wenn es sich in beiden Fällen um Charaktere mit dunkler Hautfarbe handelt. Der in der folgenden Grafik als „Perceptual Tint“ dargestellte Wert gibt den wahrgenommenen Teint auf einer Skala von 0-100 (dunkel bis hell) an.
Die Untersuchung zeigt außerdem, dass schwarze und lateinamerikanische Menschen im Verhältnis zu ihrem wachsenden Anteil an der US-Bevölkerung in den untersuchten Büchern unterrepräsentiert, weiße Männer hingegen überrepräsentiert sind.
Der Frauenanteil der in den Geschichten beschriebenen Personen ist zwar von etwa 25 Prozent aller geschlechtsbezogenen Begriffe und Namen in älteren Büchern auf zuletzt fast die Hälfte angestiegen – allerdings nur im Text, nicht bei der Bebilderung. Das Forscherteam schließt daraus, dass in den Kinderbüchern zwar vermehrt auf ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis geachtet wird, dennoch den weiblichen Figuren nach wie vor eine vergleichsweise geringere Bedeutung zukommt.
Wer kauft welche Bücher?
Wie die Auswertung der Verkaufszahlen nach demografischen Merkmalen belegt, bevorzugen Käuferinnen und Käufer tendenziell Kinderbücher, in denen ihre eigene Identitätsgruppe stärker vertreten ist. Eltern von Söhnen kaufen nach wie vor häufiger Geschichten mit überwiegend männlichen Charakteren. Zudem zeigt sich, dass Bücher aus der Diversity-Kategorie am ehesten in Regionen nachgefragt werden, wo die Zustimmung für ausländerfeindliche und rassistische Aussagen in Meinungsumfragen besonders gering ausfällt.
Die Studie liefert somit fundierte Hinweise darauf, dass politische Einstellungen nicht zuletzt durch die Auswahl bestimmter Kinderbücher an die nächste Generation übertragen werden.