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IZA – Institute of Labor Economics

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Rein männliche Gruppen lügen am häufigsten

July 17, 2024 by Mark Fallak

Betrugsfälle wie Cum-Ex, Wirecard oder der VW-Dieselskandal verdeutlichen den immensen Schaden, den unethische Entscheidungen in Unternehmen und Gesellschaft anrichten können. Diese Entscheidungen werden oft in Gremien wie Projektteams oder Vorständen getroffen. Frühere Studien zeigten bereits, dass Gruppenentscheidungen nicht einfach aus den Präferenzen der Einzelmitglieder abzuleiten sind. In einem aktuellen IZA-Forschungpapier untersuchen Gerd Muehlheusser, Timo Promann, Andreas Roider und Niklas Wallmeier, wie Gruppengröße, -zusammensetzung und die individuelle Ehrlichkeit der Mitglieder die Entscheidungsfindung beeinflussen.

Versuchsaufbau

Über 1.600 englische und US-amerikanische Teilnehmende wurden in Gruppen von zwei bis fünf Personen mit unterschiedlichem Geschlechterverhältnis eingeteilt. Die Aufgabe bestand darin, sich per Videochat darauf zu einigen, ein Würfelergebnis wahrheitsgemäß wiederzugeben oder durch eine falsche Angabe den eigenen Gewinn zu erhöhen.

Einfluss der Gruppengröße

Die Forschungsergebnisse zeigen einen klaren Trend: Mit wachsender Gruppengröße steigt auch die Wahrscheinlichkeit zu lügen. Mit einer Verdoppelung der Gruppengröße von zwei auf vier verdoppelt sich die Lügenerwartung ebenfalls (siehe Grafik unten). Die Forschenden erklären dies mit dem Phänomen der „Verantwortungsdiffusion“: In größeren Gruppen wird die Verantwortung für unmoralische Entscheidungen auf mehr Schultern verteilt. Einzelne Mitglieder fühlen sich weniger verantwortlich und neigen eher dazu, sich der (unehrlichen) Mehrheit anzuschließen.

Geschlechtsspezifische Unterschiede

Vergleicht man rein männliche mit rein weiblichen Gruppen, fällt die höhere Unehrlichkeit der Männergruppen deutlich auf. Der Unterschied beträgt bei gleicher Gruppengröße bis zu 35 Prozentpunkte. Die Ehrlichkeit nimmt jedoch nicht proportional zum Frauenanteil zu. Vielmehr scheint bereits die erste Frau in einer Gruppe die Wahrscheinlichkeit für wahrheitsgemäße Entscheidungen signifikant zu erhöhen. Dabei zeigen Frauen in diesen Gruppen tendenziell geringere Redeanteile. Dies deutet darauf hin, dass die Wahrnehmung von Frauen als integre Persönlichkeiten und die Sorge der Männer um das eigene Image gegenüber Frauen eine größere Rolle spielen könnten als direkte Überzeugungsarbeit.

Individuelle Ehrlichkeit vs. Gruppenentscheidungen

Ein weiteres Experiment auf individueller Ebene ergab, dass Männer auch einzeln betrachtet tendenziell unehrlicher handeln. Dieser Befund allein kann jedoch das Gruppenverhalten nicht erklären. Denn selbst Männergruppen, die ausschließlich aus ehrlichen Personen bestehen, lügen deutlich häufiger als vergleichbare Frauengruppen.

Wollen Unternehmen und andere Organisationen moralisches Handeln fördern, sollten sie demnach Entscheidungsgremien mit möglichst wenigen Mitgliedern – und mindestens einer Frau – besetzen.

Filed Under: Research Tagged With: decision making, gender, groups, honesty, lying, unethical behavior

Eltern raten Söhnen häufiger zu typisch männlichen Berufen

July 15, 2024 by Mark Fallak

In der Schweiz sind Jugendliche bei der Ausbildungsentscheidung in hohem Maße von ihren Eltern abhängig. Für die 15- bis 16-Jährigen sind die Eltern nicht nur die wichtigsten Vorbilder und Ratgeber, sondern müssen durch ihre Unterschrift meist auch den Ausbildungsverträgen zustimmen.

In einem aktuellen IZA-Forschungspapier untersuchen Stefan Wolter and Thea Zöllner anhand eines Befragungsexperiments mit rund 6.000 Erwachsenen, inwieweit Geschlechterstereotype bei der elterlichen Empfehlung zur Berufswahl eine Rolle spielen.

Was soll das Kind mal werden?

Die Befragten wurden vor die Aufgabe gestellt, ihrem hypothetischen Kind zu einem von zwei Ausbildungsangeboten zu raten, an denen der Sohn bzw. die Tochter gleichermaßen interessiert sei. Aus einer Liste von über 100 Ausbildungsberufen wurden nach dem Zufallsprinzip jeweils ein männlich und ein weiblich dominiertes Berufsfeld zur Wahl gestellt, ohne dass die tatsächliche Geschlechterverteilung kenntlich gemacht wurde.

Während Töchter insgesamt eher ausgeglichene Empfehlungen erhielten, rieten die Befragten ihren hypothetischen Söhnen mit höherer Wahrscheinlichkeit zu einem traditionell männerdominierten Beruf. Besonders ausgeprägt war dieses Muster bei männlichen Befragten ohne Hochschulabschluss, unabhängig von Alter und Familienstand.

Mit Blick auf die politischen Bemühungen um eine ausgewogenere Geschlechterverteilung auf dem Arbeitsmarkt liefert die Studie also eine gute und eine schlechte Nachricht: Während Mädchen offenbar kaum noch in klassische Frauendomänen gedrängt werden, gilt das – zumindest in der Schweiz – für Jungen umgekehrt noch nicht in gleichem Maße.

Filed Under: Research Tagged With: career advice, education, gender, occupational choice, vocational training

Warum Gehälter oft aus runden Beträgen bestehen

July 1, 2024 by Mark Fallak

Was auf den ersten Blick trivial erscheinen mag, hat für die Arbeitsmarktforschung wichtige Implikationen: Löhne und Gehälter bestehen häufig aus runden Zahlen. Das bedeutet, sie bilden nicht – wie von ökonomischen Modellen klassischerweise angenommen – exakt den Mehrwert ab, den die Arbeitskraft dem Unternehmen bietet.

In einem aktuellen IZA-Forschungspapier untersucht Germán Reyes über 200 Millionen Arbeitsverträge in Brasilien, die in den Jahren 2003 bis 2017 abgeschlossen wurden. Seine Analyse zeigt, dass die monatlichen Gehaltsbeträge überproportional oft durch 10, 100 oder 1000 teilbar sind (siehe Grafik).

Eine mögliche Erklärung könnte darin bestehen, dass Arbeitgeber gezielt den so genannten „Left-Digit-Bias-Effekt“ ausnutzen: Da die linke Ziffer einer Zahlenfolge psychologisch ein höheres Gewicht hat, wirkt ein Monatsgehalt von 3.000 Euro beispielsweise deutlich höher als 2.985, aber kaum geringer als 3.015 Euro.

Vor allem kleine Unternehmen rechnen öfter „Pi mal Daumen“

Sollte also ein strategisches Kalkül der Arbeitgeber dahinterstecken, müsste diese Praxis vor allem von besonders professionell agierenden Unternehmen angewandt werden. Tatsächlich zeigt sich in den Daten jedoch das Gegenteil: Vor allem kleine, jüngere Firmen ohne eigene Personalabteilung und mit geringer qualifiziertem Management greifen auf runde Zahlen zurück, sowohl bei den vereinbarten Einstiegsgehältern als auch bei Gehaltserhöhungen.

Diese empirische Beobachtung stützt Reyes‘ theoretisches Modell, nach dem es für Unternehmen schlicht weniger kostspielig ist, ein angemessenes Gehalt grob zu schätzen, als den „optimalen“ Betrag anhand der Produktivität der Beschäftigten im Detail zu berechnen. Langfristig ergeben sich daraus offenbar eher Nachteile: Unternehmen mit runden Gehältern haben im Schnitt eine höhere Mitarbeiterfluktuation, wachsen langsamer und scheitern häufiger.

Filed Under: Research Tagged With: wage setting

Gender Gap im MINT-Bereich wächst nach dem Bachelor-Studium

June 26, 2024 by Mark Fallak

In MINT-Studiengängen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) sind weibliche Studierende traditionell unterrepräsentiert. Das gilt umso mehr für höhere Studienabschlüsse wie Master oder Promotion. In einem aktuellen IZA-Forschungspapier untersuchen Judith Delaney und Paul Devereux anhand umfangreicher Bildungs- und Einkommensdaten aus Irland, wie sich die Studienentscheidungen auf höhere Abschlüsse und erzielte Einstiegsgehälter auswirkt.

Die Besonderheit der Studie: Die Forschenden stellten nicht einfach die Zahlen männlicher und weiblicher MINT-Absolventen gegenüber, sondern betrachteten die gesamte Bildungslaufbahn einschließlich der in Schule und Grundstudium gewählten Kurse. Dabei zeigte sich, dass Frauen selbst bei gleichen Interessen und akademischen Leistungen mit einer um 20 Prozent geringeren Wahrscheinlichkeit ein Graduiertenprogramm im MINT-Bereich belegen.

Stattdessen wechseln Frauen nach dem Bachelor-Abschluss häufiger in Lehramtsstudiengänge oder in den Gesundheitsbereich. Damit sinkt ihre Chance, einen hoch dotierten Einstiegsjob zu ergattern. Laut Studie liegt das Gehaltsgefälle zwischen männlichen und weiblichen Uni-Absolventen mit gleichem Schulabschluss und Grundstudium bereits im Alter von 33 Jahren bei rund acht Prozent. Etwa 15 Prozent dieser Lücke lassen sich auf die Studienentscheidung nach dem Bachelor-Abschluss zurückführen.

In anderen Fächern ist diese Diskrepanz bei der Entscheidung für ein Graduiertenprogamm deutlich geringer ausgeprägt. In Wirtschaftsstudiengängen beispielsweise lassen sich in diesem Aspekt sogar gar keine Geschlechterunterschiede feststellen.

Filed Under: Research Tagged With: gender gap, graduate study, higher education, STEM

Betriebsräte spielen in Start-ups praktisch keine Rolle

June 20, 2024 by Mark Fallak

Die betriebliche Interessenvertretung ist ein wichtiger Pfeiler des Erfolgsmodells der deutschen Sozialpartnerschaft. So zeigen Forschungserkenntnisse, dass in Unternehmen mit Betriebsrat nicht nur höhere und weniger ungleich verteilte Löhne gezahlt werden, sondern im Vergleich zu Unternehmen ohne Betriebsrat auch produktiver gearbeitet wird.

Trotz dieser Vorteile ist die Reichweite der Mitbestimmung in deutschen Unternehmen rückläufig: Im Jahr 2021 hatten lediglich 8 Prozent der Betriebe in Deutschland einen Betriebsrat, was einem Anteil von 38 Prozent der Beschäftigten entspricht.

Besonders deutlich wird dieser Rückgang bei jungen Unternehmen. Allerdings fehlte es bislang an empirischen Daten zur Verbreitung von Betriebsräten in Start-ups. Um diese Datenlücke zu füllen, untersuchte ein Forschungsteam von IZA und ZEW für einen aktuellen Forschungsbericht im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums die Existenz von Betriebsräten in Unternehmen, die maximal sieben Jahre alt sind.

Für die Studie wurde eine Frage zu Betriebsräten in das IAB/ZEW-Gründungspanel integriert. Diese etablierte Befragung ist für neu gegründete Unternehmen in Deutschland repräsentativ und ermöglicht daher aussagekräftige Rückschlüsse auf die Grundgesamtheit.

Die Ergebnisse der Untersuchung zeichnen ein ernüchterndes Bild: Die Verbreitung von Betriebsräten in deutschen Start-ups ist so gering, dass sie sich sogar nahe an der Messbarkeitsschwelle bewegt. In der Befragungswelle 2023 gaben lediglich 0,15 Prozent der 3.900 befragten Start-ups mit Beschäftigten an, einen Betriebsrat zu haben. Bezogen auf die grundsätzlich betriebsratsfähigen Unternehmen (mit mindestens fünf Beschäftigten; insgesamt 1.460 Start-ups) liegt die Quote bei 0,41 Prozent.

Aufgrund der geringen Zahl an Start-ups mit Betriebsrat lässt sich wenig über deren Charakteristika aussagen. Die Analyse ausgewählter Merkmale deutet jedoch darauf hin, dass die betreffenden sechs Unternehmen eher nicht der technologieorientierten Gründerszene zuzuordnen sind.

Filed Under: Research

Finanzexperten uneinig über Bewertung von Klimarisiken

June 14, 2024 by Mark Fallak

Für eine wirksame Dekarbonisierung der Wirtschaft sind effektive Finanzmärkte essenziell. Deren Bewertung von Klimarisiken bestimmt maßgeblich mit, inwieweit Kapital weiterhin in klimaschädliche Wirtschaftsaktivitäten fließt oder für nachhaltigere Geschäftsmodelle zur Verfügung steht.

Laut einer aktuellen Studie, die IZA-Forschungsdirektor Florian Zimmermann gemeinsam mit Rob Bauer, Katrin Gödker und Paul Smeets verfasst hat, geht zwar ein Großteil der Finanzwelt davon aus, dass die Klimarisiken in den Börsenkursen nur unzureichend widergespiegelt werden. Über Ursachen und künftige Entwicklungen besteht jedoch große Uneinigkeit. Die Untersuchung basiert auf einer umfangreichen Online-Befragung von rund 2.000 Mitgliedern des Finanzexpertenverbandes CFA.

Klimarisiken sind nicht vollständig eingepreist – aber warum?

Rund 68 Prozent der Befragten teilen die Auffassung, Klimarisiken seien in den Börsenkursen unzureichend eingepreist. Doch während ein Viertel der Expertinnen und Experten die Einbeziehung der Klimarisiken für mindestens „sehr wichtig“ hält, erscheint sie einem Drittel der Befragten eher unwichtig:

Einschätzung der Befragten zur Bedeutung von Klimarisiken für die Preisbildung von Aktien

Bei der Angabe von Gründen sind zwei unterschiedliche Denkmodelle besonders verbreitet (siehe Grafik unten): Knapp die Hälfte der Befragten nennt Informationsdefizite aufgrund fehlender oder ungeeigneter Daten als Begründung. Etwa ebenso häufig wird angeführt, dass die Risiken von anderen Marktteilnehmern falsch eingeschätzt werden und deshalb unzureichend in die Preisbildung eingehen.

Häufigkeit der von den Befragten genannten Einflussfaktoren

Politische Orientierung beeinflusst Einschätzungen von US-Experten

Hier zeigt sich bei den Befragten aus den USA ein großer Einfluss der politischen Orientierung: Wer sich als eher links bezeichnet, denkt häufiger, dass andere Marktteilnehmer Klimarisiken unterschätzen. Wer sich auf der rechten Seite des politischen Spektrums sieht, geht eher davon aus, dass andere die Klimarisiken überbewerten.

Daran orientieren sich auch die Renditeerwartungen der Experten: Ein Teil der Befragten, die im Verlauf der Befragung darüber informiert wurden, dass andere Finanzexperten Klimarisiken für unterschätzt halten, änderte ihre Prognose für die relative Performance „klimafreundlicher“ Aktien nach oben.

Allerdings bleibt die Mehrheit der Experten skeptisch, dass sich die Klimarisiken im Laufe der nächsten zehn Jahre adäquat in den Börsenkursen widerspiegeln werden. Rund 30 Prozent gehen sogar davon aus, dass dies niemals geschehen wird. Neben Informationsdefiziten und den vermuteten Fehleinschätzungen anderer Marktteilnehmer speist sich diese Skepsis auch aus der Unsicherheit über den künftigen klimapolitischen Kurs der Regierungen.

Filed Under: Research Tagged With: beliefs, climate, mental models, risk

Flexible Arbeitszeitmodelle stärken Erwerbsbeteiligung von Müttern

June 11, 2024 by Mark Fallak

Wenn berufstätige Mütter ihre Wochenstundenzahl weitgehend selbst bestimmen können, arbeiten sie tendenziell mehr. Dadurch verringern sich ihre mutterschaftsbedingten Einkommens- und Karrierenachteile. Zu diesem Ergebnis gelangt ein aktuelles IZA-Forschungspapier von Ludovica Ciasullo und Martina Uccioli, das die Auswirkungen des australischen Fair Work Acts von 2009 untersucht.

Das Gesetz räumte frischgebackenen Eltern das Recht ein, ihre Arbeitszeiten – in vertretbarem Rahmen – nach ihren eigenen Wünschen zu reduzieren, ohne dafür ihre Festanstellung aufzugeben. Diese neugewonnene Flexibilität und Planbarkeit nutzten viele Mütter, insbesondere in den mittleren Einkommengsgruppen, die im Schnitt bis zu acht Wochenstunden mehr arbeiteten als vor der Reform.

Die traditionelle Rollenverteilung im Haushalt blieb davon jedoch weitgehend unbeeinträchtigt: Zwar ging ein Teil der Mehrarbeit im Beruf auf Kosten der Hausarbeit, doch der relative Anteil der Väter an der Hausarbeit erhöhte sich nicht. Auch verbrachten Mütter pro Tag die gleiche Zeit mit ihren Kindern wie vor der Reform. Durch die stärkere Erwerbsbeteiligung profitierten sie langfristig in Form von verbesserten Einkommens- und Karrierechancen. Bei der Gleichberechtigung im Haushalt bestehe aus Sicht der Forscherinnen jedoch noch Luft nach oben.

Filed Under: Research Tagged With: child penalty, household division of labor, mothers, work arrangements

Große weltweite Unterschiede bei der Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen

May 27, 2024 by Mark Fallak

In den meisten Ländern der Welt sind Erwerbsarbeit, Hausarbeit und Pflegearbeit sehr ungleich zwischen den Geschlechtern verteilt. Das Ausmaß dieses Ungleichgewichts variiert allerdings sehr stark. In einem aktuellen IZA-Forschungspapier  analysieren Charles Gottlieb, Cheryl Doss, Douglas Gollin und Markus Poschke anhand von umfangreichen Zeitverwendungsdaten für 50 Länder, welche Faktoren dafür maßgeblich sind.

Unter verheirateten Paaren widmen Frauen der Erwerbsarbeit im weltweiten Durchschnitt nur halb so viele Stunden wie Männer. In reicheren Nationen verbringen sie hingegen doppelt so viel Zeit wie Männer mit Haus- und Pflegearbeit, in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen sogar drei- bis fünfmal mehr.

Einkommen kann Länderunterschiede nicht erklären

Besonders auffällig ist die große Varianz bei der geschlechtsspezifischen Verteilung von Erwerbs- und Hausarbeit, selbst zwischen Ländern mit ähnlichem Einkommensniveau. Beispielsweise ist die Erwerbsbeteiligung von Frauen, gemessen an der durchschnittlichen Wochenstundenzahl, in China fast dreimal so hoch wie in Indien, obwohl beide Länder im mittleren Einkommensbereich liegen.

Um den Ursachen dieser Unterschiede auf den Grund zu gehen, entwickelten die Autoren ein Zeitverwendungsmodell für Haushalte, das die Arbeitsteilung zwischen Paaren mit verschiedenen Faktoren ins Verhältnis setzt – vom geschlechtsspezifischen Lohngefälle über soziale Normen bis hin zur Verfügbarkeit von Kinderbetreuung. Auch das Risiko von Belästigung am Arbeitsplatz und im öffentlichen Raum wird mitberücksichtigt.

Geschlechternormen ausschlaggebend

Die Analyse zeigt, dass Geschlechterrollen und soziale Normen den Großteil der Länderunterscheide erklären, während Lohnungleichheit und Kinderbetreuungsmöglichkeiten eine eher geringe Rolle spielen. Eine gleichberechtigtere Arbeitsteilung lasse sich demnach nicht allein durch gleiche Entlohnung erreichen, sondern erfordere einen umfassenden kulturellen Wandel einschließlich einer Modernisierung des gesetzlichen Rahmens, der in vielen Ländern die Erwerbsbeteiligung von Frauen nach wie vor erschwert.

Filed Under: Research Tagged With: care work, gender inequality, gender norms, home production, labor supply, time use

Wie das assoziative Gedächtnis unsere Finanzentscheidungen beeinflusst

May 22, 2024 by Mark Fallak

Meinungen und Erwartungen spielen in der Ökonomie eine zentrale Rolle, sei es bei politischen Entscheidungen oder auch bei Investitions- und Sparentscheidungen. Bei der Erwartungsbildung befragen wir intuitiv unser Gedächtnis nach vorhandenem Wissen und Erfahrungen. Diese Prozesse untersucht IZA-Forschungsdirektor Florian Zimmermann mit Hilfe von Einsichten aus der Gedächtnisforschung im Rahmen eines mehrjährigen Forschungsprojekts, das vom European Research Council mit einem ERC Starting Grant gefördert wird.

Gemeinsam mit Benjamin Enke und Frederik Schwerter hat Zimmermann nun erste Erkenntnisse aus diesem Projekt im Journal of Financial Economics veröffentlicht. Die Forscher liefern anhand von zwei Verhaltensexperimenten Belege dafür, dass Erinnerungen zu Fehleinschätzungen und Überreaktionen bei finanziellen Entscheidungen führen. Dieser Befund widerspricht traditionellen ökonomischen Modellen, die davon ausgehen, dass Menschen alle verfügbaren und relevanten Informationen in ihre Einschätzungen einfließen lassen.

Erinnerungen und Investitionsentscheidungen

Die „assoziative“ Funktion des Gedächtnisses bedeutet, dass wir uns leichter an vergangene Erlebnisse erinnern, die der aktuellen Situation ähneln. An der Börse können dies zum Beispiel positive Unternehmensnachrichten oder steigende Kurse sein. Bei Anlageentscheidungen greifen wir auf schnell verfügbare Erinnerungen zurück, was zu verzerrten Einschätzungen führen kann. Beispielsweise können positive Nachrichten an vergangene Börsenaufschwünge erinnern, selbst wenn die aktuelle Lage objektiv betrachtet eine andere ist.

Experimente zeigen Überreaktionen

Im ersten Experiment untersuchten die Forscher, wie sich Erinnerungen auf die subjektive Bewertung von Unternehmen auswirken. Die Teilnehmenden erhielten zu zwei Zeitpunkten Informationen über fiktive Firmen. Ihre Einschätzung zu den Unternehmen wurde dabei stärker von Nachrichten beeinflusst, die Informationen aus der Vergangenheit ähnelten. Dies deutet darauf hin, dass das assoziative Gedächtnis zu Überreaktionen auf reale Finanznachrichten führt.

Das zweite Experiment zeigte, dass sich diese Fehleinschätzungen im wirtschaftlichen Handeln widerspiegeln. In einem Markt konnten die Versuchspersonen auf den Erfolg oder Misserfolg der hypothetischen Unternehmen wetten. Die Marktpreise reagierten sowohl auf positive als auch auf negative Nachrichten stärker, wenn die darin enthaltenen Informationen an vergangene Nachrichten erinnerten.

Nicht immer rational

Das assoziative Gedächtnis spielt demnach eine große Rolle dabei, wie wir wirtschaftliche Informationen interpretieren und Entscheidungen darauf basieren. Auch wenn die Entscheidungsfindung im Alltag deutlich komplexer ist als im Experiment, liefert die Studie wichtige Hinweise auf die psychologischen Mechanismen, die menschliches Verhalten in Reaktion auf Informationen beeinflussen und so wiederum Marktentwicklungen prägen können.

Filed Under: Research Tagged With: beliefs, decision making, memory, rationality

Mehrheit der Geflüchteten aus der Ukraine plant weiterhin die Rückkehr

May 15, 2024 by Mark Fallak

Der russische Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hat zur größten Flüchtlingskrise in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg geführt. Derzeit gewährt die Europäische Union mehr als vier Millionen Schutzsuchenden aus der Ukraine einen befristeten Aufenthaltstitel. Wie sich die Rückkehrpläne der Geflüchteten seit Kriegsbeginn entwickelt haben, dokumentieren Joop Adema, Cevat Giray Aksoy, Yvonne Giesing und Panu Poutvaara in einem aktuellen IZA-Forschungspapier.

Europaweite Panelbefragung mit verknüpften Geodaten

Die Studie basiert auf einer seit Juni 2022 durchgeführten europaweiten Panelbefragung ukrainischer Geflüchteter. Durch die Verknüpfung der Antworten mit Daten zu den Kampfhandlungen in den Heimatgemeinden der Befragten können die Forschenden ermitteln, inwieweit das Kriegsgeschehen einen unmittelbaren Einfluss auf Rückkehrpläne und Integrationsbemühungen hat.

Während der ersten Flüchtlingswelle im Jahr 2022 beabsichtigten etwa zwei Drittel der ukrainischen Schutzsuchenden, baldmöglichst in die Heimat zurückzukehren, während nur etwa jede/r Zehnte vorhatte, sich dauerhaft im Ausland niederzulassen. Ein Drittel derjenigen, die eine baldige Rückkehr beabsichtigten, haben mittlerweile ihre Pläne umgesetzt. Die folgende Abbildung veranschaulicht die Abnahme der Rückkehrintention mit anhaltender Kriegsdauer:

Erwartungen zunehmend pessimistisch

Die Erwartungen über den Ausgang des Krieges sind im Zeitverlauf deutlich pessimistischer geworden. Zwischen September 2022 und Januar 2023 gingen noch 71 Prozent der Befragten davon aus, dass der Krieg mit der Befreiung aller besetzten Gebiete durch die Ukraine bis Ende 2024 enden würde, im Oktober-November waren es nur noch 36 Prozent. Zugleich sank, wenn auch in geringerem Maße der Anteil der Befragten, die entweder bereits in die Ukraine zurückgekehrt sind oder es noch vorhaben, von 66 auf 54 Prozent.

Eine pessimistische Kriegserwartung erhöht die Wahrscheinlichkeit, einen dauerhaften Verbleib im Ausland zu planen, um fünf Prozentpunkte. Einen ähnlichen Effekt verursachen intensive Kampfhandlungen in der Heimatregion. Diese verringern außerdem die Wahrscheinlichkeit einer Rückkehr in den eigenen Heimatort, nicht aber ins Heimatland insgesamt. Umgekehrt erhöht die Befreiung des Heimatbezirks die Wahrscheinlichkeit einer Rückkehr in die Ukraine um fünf Prozentpunkte.

Wiederaufbau erfordert Rückkehrmigration

Die Arbeitsmarktbeteiligung im Aufnahmeland ist von diesen Faktoren weitestgehend unabhängig. Allerdings sinkt die Teilnahme an beruflicher Aus- und Weiterbildung infolge der Befreiung des Heimatgebiets, was darauf hindeutet, dass Investitionen in die Arbeitsmarktintegration des Gastlandes weniger dringlich erscheinen, wenn sich die Rückkehraussichten verbessern.

Angesichts einer bereits vor dem russischen Angriff schrumpfenden ukrainischen Bevölkerung wäre eine Rückkehr von Fachkräften für den Wiederaufbau nach dem Krieg von entscheidender Bedeutung. Doch die weit verbreitete Korruption und das geringe Vertrauen in die Justiz machen eine Rückkehrmigration zusätzlich unattraktiver. Nach Einschätzung der Forschenden bestehe eine zentrale Herausforderung für die Ukraine darin, die kriegsbedingt gestärkte nationale Einigkeit zu nutzen, um einen Kulturwandel mit umfassenderen institutionellen Reformen anzustoßen.

Filed Under: Research Tagged With: conflict, integration, migration, refugees, return migration, Ukraine

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