Internationale Arbeitsökonominnen und -ökonomen sehen die kurzfristige Entwicklung der Arbeitsmarktsituation insbesondere von Hochqualifizierten und Arbeitnehmern in unbefristeter Anstellung weniger pessimistisch als die von anderen Beschäftigtengruppen. Im Mitte Mai durchgeführten „IZA Expert Panel“ stuften die Fachleute die erwartete Beschäftigungsentwicklung in ihrem Land auf einer Skala von -5 (starker Rückgang) bis +5 (starker Zuwachs) ein.
Demnach werden zwar für praktisch alle Gruppen Beschäftigungsrückgänge erwartet, aber für Beschäftigte mit geringer Qualifikation und Beschäftigte mit befristetem Arbeitsvertrag fallen diese vergleichsweise stark aus. Im Durchschnitt über alle Länder schlägt sich dies im Hinblick auf die Qualifikation in einer Differenz von 1,5 Skalenpunkten zugunsten der Hochqualifizierten nieder. Ähnliches gilt für Beschäftigte mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag im Vergleich zu Beschäftigten in befristeter Anstellung. In Kontinentaleuropa macht die jeweilige Differenz sogar bis zu zwei Punkte aus, in den USA dagegen maximal einen halben Punkt.
Abb. 1: Erwartung der Beschäftigungsentwicklung bis September 2020 nach Gruppen
Quelle: IZA Expert Panel 2020. Anmerkungen: Gefragt wurde nach der erwarteten Beschäftigungsentwicklung auf einer Skala von -5 (starker Rückgang) bis 5 (starker Anstieg). Die Anzahl der Beobachtungen liegt zwischen 47 (Großbritannien, (Un-)befristete Anstellung) und 494 (Gesamt, hohe Qualifikation).
Wie bereits in früheren Wirtschaftskrisen zeigt sich darin die elementare Bedeutung eines guten Bildungsabschlusses. In der aktuellen Krise sind Geringqualifizierte nicht zuletzt deshalb stärker von Job- und Einkommensverlusten betroffen, weil sich die von ihnen ausgeübten Tätigkeiten weniger leicht ins Homeoffice verlagern lassen. Befristet Angestellte sind naturgemäß eher von Beschäftigungsverlust bedroht, da dem Arbeitgeber keine Entlassungskosten entstehen, wenn der Anstellungsvertrag ausläuft.
Obwohl über die Geschlechterungleichheit in der Corona-Krise aktuell intensiv diskutiert wird, erwarten die befragten Expertinnen und Experten vergleichsweise geringe Unterschiede zwischen der Beschäftigungsentwicklung für Männer (-1,5) und Frauen (-1,8). Für Spanien und Italien fallen die Unterschiede etwas stärker aus als im Durchschnitt, was mit einer anderen Verteilung der Geschlechter auf Berufe und Tätigkeitsfelder in diesen Ländern zusammenhängen könnte.
Transatlantische Unterschiede
Dass die Unterschiede in den USA über alle Dimensionen hinweg deutlich geringer ausfallen als in Europa, mag auf den ersten Blick überraschen. Der Hintergrund ist, dass US-Unternehmen sehr schnell mit Entlassungen auf den einsetzenden Nachfrageschock reagiert hatten. Zum Zeitpunkt der Befragung waren diese Entlassungen bereits weitgehend vollzogen, was sich in einem entsprechenden Rekordanstieg der Arbeitslosigkeit in den USA niederschlägt. Insofern ist zu berücksichtigen, dass sich die Einschätzungen für die USA auf eine andere Ausgangssituation beziehen als die für Europa, wo zum Befragungszeitpunkt viele Firmen zunächst einmal von staatlichen Unterstützungsprogrammen zur Beschäftigungssicherung Gebrauch machen konnten.
Inwieweit die in den USA bereits vollzogenen Entlassungen qualifikationsspezifische und geschlechtsspezifische Besonderheiten aufweisen, lässt sich anhand der Befragungsdaten leider nicht ermitteln. Die Einschätzungen für die USA sind unter dem genannten Aspekt stärker von Erwartungen im Hinblick auf die erwartete Erholung geprägt, während sich in den Einschätzungen für Europa eher Erwartungen im Hinblick auf zeitverzögerte Auswirkungen der Pandemie niederschlagen.
Über das IZA Expert Panel
Für das „IZA Expert Panel“ werden die Mitglieder des weltweiten IZA-Forschungsnetzwerks nach ihren Einschätzungen zu den Arbeitsmarktfolgen der Corona-Pandemie in ihren jeweiligen Ländern gefragt. An der Mitte Mai 2020 durchgeführten ersten Befragungswelle nahmen mehr als 500 Ökonominnen und Ökonomen aus rund 50 Ländern teil