Seit zwei Jahrzehnten richtet das IZA als weltgrößtes Netzwerk der Arbeitsmarktforschung gemeinsam mit der in den USA beheimateten Society of Labor Economists (SOLE) eine jährliche Fachtagung aus. Die in diesem Jahr von Gerard A. Pfann und Terry Gregory organisierte Konferenz fand pandemiebedingt online statt.
Mit dabei waren IZA-Netzwerkdirektor Daniel Hamermesh, gemeinsam mit Pfann einer der Gründungsväter der Veranstaltungsreihe, sowie der amtierende SOLE-Präsident Kevin Lang. Unter den Hauptrednern waren mit Petra E. Todd und Coen Teulings auch zwei Vortragende des ersten Treffens vor 20 Jahren.
Zum Themenspektrum zählte neben Mindestlohnpolitik und Gender Pay Gap – zwei Dauerbrennern der Arbeitsmarktökonomik – die hochaktuelle Frage nach den Lohn- und Beschäftigungswirkungen des technologischen Fortschritts.
Wachsende Lohnungleichheit durch Digitalisierung
Den Auftakt bildete eine Präsentation von Jeanne Tschopp zur wachsenden Lohnungleichheit zwischen Unternehmen in Deutschland. Laut Tschopp hat die fortschreitende Digitalisierung nicht nur zu Lohnnachteilen von Routine-Tätigkeiten gegenüber den immer stärker nachgefragten analytischen, kreativen Tätigkeiten geführt.
Zugleich nahmen auch die Produktivitätsunterschiede zwischen Unternehmen deutlich zu, was sich auf die in den jeweiligen Unternehmen gezahlten Löhne für vergleichbare Tätigkeiten auswirkt. Mit anderen Worten: Ein Routine-Job in einem hoch produktiven, wachsenden Unternehmen kann nach wie vor besser bezahlt sein als ein kreativer Job in einem weniger produktiven Unternehmen.
Bildungsanforderungen steigen bei höherem Mindestlohn
Gesetzliche Mindestlöhne zählen zu den populärsten Politikmaßnahmen gegen Lohnungleichheit. Doch die Frage nach dem optimalen Mindestlohn, mit dem sich Ungleichheit effektiv abbauen lässt, ohne massive Jobverluste gerade bei den Geringverdienenden zu riskieren, ist in der ökonomischen Forschung seit jeher umstritten. In seinem Vortrag skizzierte Coen Teulings einige der größten Herausforderungen aus vier Jahrzehnten globaler Mindestlohnforschung.
Anhand von US-Daten seit 1979 zeigte er, dass die Lohnungleichheit durch Mindestlöhne insgesamt zurückgeht, zugleich aber die Bedeutung von Bildung und Ausbildung für den Arbeitsmarkterfolg zunimmt. So sei inzwischen gut belegt, dass die meisten Beschäftigtengruppen von einem moderaten Mindestlohn eher profitieren. Wer jedoch eine massive Anhebung der Mindestlöhne fordere, nehme damit schwindende Jobaussichten für die Geringstqualifizierten in Kauf.
Persönlichkeitsmerkmale beeinflussen Gender Pay Gap
Neben den formellen Bildungsqualifikationen spielen auch die sogenannten „Big Five“-Persönlichkeitsmerkmale eine nicht zu unterschätzende Rolle für den Arbeitsmarkterfolg. Denn bestimmte Eigenschaften werden von Arbeitgebern mehr honoriert oder helfen in Gehaltsverhandlungen. Beispielsweise verdienen emotional stabile Menschen im Schnitt besser und bleiben länger beschäftigt, während besonders extrovertierte Menschen Nachteile bei Gehalt und Kündigungsrisiko haben.
Bei anderen Merkmalen hängt jedoch nach den Erkenntnissen von Petra Todd stark vom Geschlecht ab, ob sie der Karriere eher förderlich oder abträglich sind. Besonders auffällig ist die gegensätzliche Bewertung von „Gewissenhaftigkeit“: Während gewissenhafte Männer von höheren, schneller steigenden Gehältern und geringerem Entlassungsrisiko profitieren, wirkt sich diese Eigenschaft bei Frauen überraschenderweise genau umgekehrt aus. Zudem ist die bei Frauen verhältnismäßig stärker ausgeprägte „Verträglichkeit“ bei Gehaltsverhandlungen eher hinderlich.
Todds Fazit: Würden die Persönlichkeitsmerkmale von Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt nach dem gleichen Maßstab bewertet, gäbe es in Deutschland keinen Gender Pay Gap.
Weitere Vorträge sind dem Konferenzprogramm zu entnehmen.