Im letzten Jahr verließen 281 Millionen Menschen ihr Heimatland – ein neuer Höchststand der internationalen Migration und Anlass genug zur Vorstellung aktueller Erkenntnisse aus der ökonomischen Migrationsforschung. Bereits zum 17. Mal richtete das IZA sein inzwischen international fest etabliertes Annual Migration Meeting aus. Nach der pandemiebedingten Absage im vergangenen Jahr fand die Fachtagung, organisiert von George Borjas und Marc Witte, nun erstmals online statt.
Zu den Themenschwerpunkten zählten Ursachen und Folgen von internationalen Wanderungsströmen, Fragen der Zuwandererintegration sowie die Effekte von Migrationspolitik auf Herkunfts- und Zielländer. Die Präsentationen der 17 Vortragenden deckten auch geografisch weite Teile des Globus ab – von den USA, Mexiko und Kolumbien über Italien und Israel bis hin zu den früheren Kolonien Portugals.
Gleich mehrere Forschungsarbeiten beschäftigten sich mit den Auswirkungen restriktiver Einwanderungspolitik auf die wirtschaftliche Entwicklung in den Herkunftsländern. So zeigte beispielsweise die von Davide Coluccia vorgestellte Studie zur Masseneinwanderung aus Italien in die USA zu Beginn des letzten Jahrhunderts, dass die amerikanischen Immigrationsgesetze von 1921 bis 1924 das Bevölkerungswachstum in jenen italienischen Regionen verstärkten, die zuvor eine hohe Auswanderung verzeichnet hatten. Die dortige Industrie investierte aufgrund des gewachsenen Arbeitsangebots weniger in Kapitalgüter wie Maschinen – mit langfristigen Folgen für Wachstum und Produktivität.
Einkommenssteigerung durch Einbürgerung
Yajna Govind beleuchtete die Effekte der Einbürgerung von Immigranten auf deren Arbeitsmarkterfolg. Die Studie nutzt eine Gesetzesänderung von 2006, nach der Zuwanderer länger mit einer Französin oder einem Franzosen verheiratet sein müssen (mindestens vier statt vorher zwei Jahre), um sich einbürgern lassen zu können. Dadurch konnte die Forscherin den positiven Effekt der Staatsbürgerschaft messen: Im Schnitt verdienen zugewanderte Menschen 30 Prozent mehr, wenn sie eingebürgert sind. Bei Männern ist das Einkommensplus vor allem auf eine Ausweitung der Arbeitszeit zurückzuführen, bei Frauen auf einen höheren Stundenlohn.
In seinem Impulsvortrag zum „American Dream“ verglich Ran Abramitzky die Einwanderung in die USA vor 100 Jahren mit heutigen Immigrationsmustern. Seiner Diagnose zufolge werde die frühere europäische Massenauswanderung in die USA oft zu stark romantisiert. Sein Vortragstitel „Streets of Gold“ spielt auf das Zitat eines italienischen Einwanderers an, der die Einwanderungserfahrung im frühen 20. Jahrhundert treffend beschreibt:
I came to America because I heard the streets were paved with gold. When I got here, I found out three things: First, the streets were not paved with gold. Second, they weren’t paved at all. Third, I was expected to pave them.
Damals wie heute, so der Stanford-Ökonom, passten sich Einwanderer sowohl ökonomisch als auch kulturell nur in geringem Maße an ihr Gastland an. Unabhängig vom Herkunftsland gelänge es erst der zweiten Generation, wirtschaftlich in den meisten Belangen aufzuholen.