Obwohl Frauen in vielen Ländern inzwischen beim Bildungsniveau vorn liegen, bleiben sie auf dem Arbeitsmarkt in klassischen Männerdomänen wie Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) unterrepräsentiert. Die Gründe dafür sind vielschichtig und der Einfluss genetischer bzw. sozialer Faktoren Gegenstand zahlreicher Forschungsarbeiten. Eine aktuelle Studie von Anne Ardila Brenøe (Universität Zürich und IZA) untersucht anhand umfangreicher Daten aus Dänemark, inwieweit die familiäre Konstellation dazu beiträgt, dass traditionelle Rollenbilder auch in einer modernen Gesellschaft bestehen bleiben.
Die Ökonomin analysierte, für welche Berufe sich Frauen im Alter von 31-40 Jahren entscheiden, und bewertete die Konformität mit Geschlechternormen anhand des Frauenanteils in den gewählten Berufen. Um den Effekt des Geschwistergeschlechts zu isolieren, konzentrierte sie sich auf erstgeborene Töchter mit einem Bruder bzw. einer Schwester als nächstjüngerem Geschwisterkind.
Schlechter bezahlte Jobs
Der Vergleich dieser beiden Gruppen zeigte, dass Frauen mit jüngerem Bruder häufiger einen klassischen Frauenberuf wählen und sich bevorzugt für Partner mit „Männerberuf“ entscheiden. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie im besser bezahlten MINT-Bereich tätig sind, ist um rund sieben Prozent geringer als bei Frauen mit jüngerer Schwester. So zeigt auch der Einkommensvergleich: Frauen mit Brüdern verdienen im Schnitt weniger.
Bei der Suche nach den Ursachen für diesen Zusammenhang findet Brenøe Hinweise darauf, dass Eltern mit Tochter und Sohn eher zur „geschlechtsspezifischen“ Erziehung neigen. Mütter verbringen im Schnitt deutlich mehr (und Väter weniger) Zeit mit der Tochter, wenn auch ein Sohn im Haus ist. Auf diese Weise erhalten Töchter weniger Impulse, sich für „männliche“ Themen zu interessieren oder ihre Leistungen in den entsprechenden Schulfächern zu verbessern. Die Interaktion zwischen den Geschwistern spielt der Studie zufolge eine geringere Rolle.
Die stärkere Konformität mit Geschlechternormen wird auch auf die nächste Generation übertragen. So schneiden Töchter von Müttern mit jüngerem Bruder vergleichsweise besser im sprachlichen als im mathematischen Bereich ab. Das Fazit der Forscherin lautet daher: Will die Gesellschaft echte Chancengleichheit der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt erreichen, muss bereits bei der Entwicklung der Geschlechteridentität im Elternhaus angesetzt werden.