Die weltweiten Flüchtlingsströme sind nicht nur in Deutschland das beherrschende Thema politischer und öffentlicher Debatten. Im Vordergrund stehen dabei meist die befürchteten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen für die Aufnahmeländer. Fünf aktuelle Forschungspapiere aus dem IZA-Netzwerk beleuchten diese Effekte aus verschiedenen Blickwinkeln und anhand von historischen Erfahrungen in unterschiedlichen Ländern. Nicht alle Erkenntnisse sind unmittelbar auf die aktuelle Situation übertragbar, liefern jedoch wissenschaftlich fundierte Hinweise für die Gestaltung der Migrations- und Integrationspolitik.
Kriminalität und Terrorgefahr
Die gerade in den USA verbreitete Furcht, durch die Aufnahme von Flüchtlingen „importiere“ man Kriminalität und Terror, ist den Erkenntnissen aus IZA DP 11612 zufolge unbegründet. Die umfangreiche Analyse von Kriminalitätsstatistiken – unter Berücksichtigung von regionalen Unterschieden in den Polizeiausgaben und anderen potenziellen Einflussfaktoren – liefert keine Hinweise darauf, dass es in US-Regionen mit relativ hoher Flüchtlingskonzentration vermehrt zu Verbrechen oder gar Terroranschlägen komme.
Die Autorinnen halten ihren Befund für plausibel, da Flüchtlinge in den USA nicht nur einen strengen Sicherheitscheck durchlaufen, sondern zudem vor Ort eng betreut und aktiv bei der Jobsuche unterstützt werden.
Soziale und wirtschaftliche Integration
In Europa werden Flüchtlinge häufig als Belastung für die heimische Wirtschaft und Gesellschaft wahrgenommen, zumal die unmittelbaren Kosten greifbarer sind als mögliche positive Effekte. Mit Blick auf die mittel- bis langfristigen Auswirkungen analysiert IZA DP 11609 anhand britischer Zensusdaten die Integration der Gruppe von rund 200.000 Ostafrikanern indischer Abstammung, die in den 1960er Jahren vor ethnischer Verfolgung nach Großbritannien geflohen waren. Demnach sind die damaligen Flüchtlinge und insbesondere deren Nachkommen heute auf dem Arbeitsmarkt erfolgreicher als der Bevölkerungsdurchschnitt.
Auch wenn die Situation dieser speziellen Gruppe nicht in jeder Hinsicht mit den aktuellen Flüchtlingsströmen vergleichbar ist, weisen die Autoren auf einige Gemeinsamkeiten hin und werten ihre Ergebnisse als Beleg dafür, dass erfolgreiche Integration trotz unterschiedlicher Herausforderungen möglich und für das Aufnahmeland gewinnbringend sei.
Bildung und Spracherwerb
Zu den größten Herausforderungen der Flüchtlingsintegration in Deutschland zählen das im Durchschnitt geringe Bildungsniveau und die mangelnden deutschen Sprachkenntnisse der Geflüchteten. IZA DP 11608 zieht Parallelen zur Integration der Gastarbeiter seit den 1960er Jahren und untersucht, inwieweit eine regionale Konzentration von Migranten aus dem gleichen Herkunftsland einer erfolgreichen Integration entgegenwirkt. Der Studie zufolge sprechen Schüler in solchen „ethnischen Enklaven“ schlechter Deutsch, holen Lernrückstände schwerer auf und neigen häufiger zum Schulabbruch. Hauptgrund sei jedoch nicht etwa eine zu geringe soziale Interaktion mit Muttersprachlern, sondern mangelnde Sprachkenntnisse der Eltern.
Mit Bezug auf die aktuelle Integrationspolitik plädieren die Autoren daher für eine konsequentere Förderung des Spracherwerbs von Erwachsenen und halten zudem eine stärkere regionale Verteilung der Geflüchteten für sinnvoll, um die Entstehung ethnischer Enklaven zu vermeiden.
Wirtschaftliche Entwicklung
Aus makroökonomischer Sicht gibt es wiederum historische Beispiele dafür, dass eine höhere regionale Konzentration von Flüchtlingen wachstumsfördernd sein kann. IZA DP 11613 beschäftigt sich mit den Folgen des Griechisch-Türkischen Kriegs (1919-1922), der zur Zwangsumsiedlung von rund 1,2 Millionen orthodoxen Griechen aus der Türkei führte und die Einwohnerzahl Griechenlands innerhalb weniger Monate um mehr als 20 Prozent erhöhte.
Anhand eines innovativen Datensatzes können die Autoren nachweisen, dass diejenigen griechischen Kommunen, die 1923 besonders viele Vertriebene aufnahmen, hinsichtlich Einkommen, Vermögen und Bildungsstand heute besser abschneiden als andere Kommunen mit vergleichbarer geografischer und wirtschaftlicher Ausgangssituation. Die griechische Regierung hatte damals die Integration gefördert, indem sie den Flüchtlingen Land für die Subsistenzwirtschaft zur Verfügung gestellt und eine rasche Einbürgerung ermöglicht hatte.
Sprachkenntnisse und Bildungsniveau spielten allerdings im überwiegend landwirtschaftlich geprägten Aufnahmeland eine geringere Rolle. Den Autoren zufolge lassen sich die Erkenntnisse am ehesten auf die heutige Situation in den afrikanischen Ländern übertragen, die den Großteil der weltweiten Flüchtlingsströme aufnehmen.
Wohnungsmarkt
Zu den Ländern mit einer aktuell besonders großen Flüchtlingspopulation zählt die Türkei, die nach offiziellen Angaben rund drei Millionen syrische Bürgerkriegsflüchtlinge aufgenommen hat. IZA DP 11611 untersucht die Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt.
Erwartungsgemäß sind durch den plötzlichen Flüchtlingszustrom die Mietpreise gestiegen, jedoch nicht etwa für günstigen Wohnraum, sondern primär für Immobilien in teureren Wohngebieten. Die Autoren führen ihren Befund darauf zurück, dass sich die einheimische Bevölkerung vermehrt aus von Flüchtlingen bewohnten Gebieten zurückziehe.
Grund hierfür sei jedoch nicht die Furcht vor steigender Kriminalität oder Arbeitsmarktkonkurrenz, sondern vielmehr die wachsende Konkurrenz um die Nutzung öffentlicher Güter und Dienstleistungen. Da der Trend zu innerstädtischen Segregation die sozioökonomische Ungleichheit verstärke, sehen die Autoren die Notwendigkeit, durch geeignete Politikmaßnahmen rechtzeitig gegenzusteuern.