Angesichts sinkender Geburtenraten weltweit richten Politik und Wissenschaft ihr Augenmerk zunehmend auf mögliche Gründe dafür, dass junge Menschen heute seltener eine Familie gründen als früher. Inwieweit ein steigendes Bildungsniveau damit zu tun hat, untersuchen Hanna Virtanen, Mikko Silliman, Tiina Kuuppelomäki und Kristiina Huttunen in einem aktuellen IZA-Forschungspapier auf Basis von Zulassungsdaten zu weiterführenden Schulen und Universitäten in Finnland.
Die Ergebnisse zeigen einen überraschenden Geschlechterunterschied: Während höhere Bildung bei Männern keine Auswirkungen auf die Wahrscheinlichkeit der Familiengründung hat, leben gebildete Frauen häufiger mit einem Partner zusammen und haben Kinder. Damit widerspricht die Studie der gängigen Annahme, dass ein höheres Bildungsniveau Frauen zugunsten der Karriere von der Familiengründung abhalten könnte, während es Männern bei der Suche nach einer Partnerin hilft.
Keine kausale Wirkung bei Männern
Unabhängig vom Bildungsstand ist der Anteil von Männern mit Familie über die letzten Jahrzehnte gesunken. Zwar gründen Männer mit höherer Bildung häufiger eine Familie, doch laut Studie ist dies eher auf Selektionseffekte zurückzuführen als auf einen direkten Einfluss der Bildung. Mit anderen Worten: Männer, die eine höhere Bildung anstreben, haben oft schon vorab eine stärkere Präferenz für Familiengründung. Im Gegensatz dazu stoßen Männer mit geringer Bildung auf strukturelle Hindernisse, die durch Bildung allein nicht überwunden werden können.
Trendumkehr bei Frauen
In früheren Generationen waren Akademikerinnen seltener in Familienstrukturen eingebunden als ihre weniger gebildeten Altersgenossinnen. Doch bei Frauen, die nach 1975 geboren wurden, zeigt sich ein umgekehrtes Bild: Hochschulabsolventinnen gründen heute häufiger Familien. Fortschrittliche Geschlechternormen und familienfreundliche Maßnahmen wie der Ausbau öffentlicher Kinderbetreuung erleichtern es Frauen, Karriere und Familie zu vereinbaren.
Die Forschenden argumentieren außerdem, dass ein höheres Bildungsniveau Frauen auf dem Heiratsmarkt attraktiver macht. In einer Gesellschaft, in der mehr Wert auf soziale Fähigkeiten und die Förderung der frühkindlichen Entwicklung durch das Elternhaus gelegt wird, könnte ein höherer Bildungsabschluss potenziellen Partnern eine stärkere Kompetenz in diesen Bereichen signalisieren.