Die Arbeitslosenversicherung als eine der Säulen des deutschen Sozialstaats hat eine Gratwanderung zu bewältigen: Einerseits soll eine ausreichend hohe Lohnersatzleistung die wirtschaftlichen Folgen des Arbeitsplatzverlustes abfedern und eine effektive Jobsuche ermöglichen. Andererseits können zu großzügige Leistungen dazu verleiten, die Jobsuche hinauszuzögern oder nur halbherzig zu betreiben.
Empirisch wurde bereits vielfach nachgewiesen, dass eine Ausweitung der Höhe oder Bezugsdauer der Arbeitslosenunterstützung bei den Anspruchsberechtigten im Durchschnitt zu längerer Arbeitslosigkeit führt. Dazu werden meist zwei mögliche Erklärungen genannt: Die Arbeitslosen schrauben ihre Suchanstrengungen zurück, oder sie erhöhen ihren Anspruchslohn, also das Lohnniveau, unterhalb dessen ein Jobangebot nicht angenommen wird.
Neuregelung für ältere Arbeitslose
Ob und in welchem Maße diese Faktoren auf dem deutschen Arbeitsmarkt eine Rolle spielen, untersucht Andreas Lichter in einem aktuellen IZA Discussion Paper. Der IZA-Forscher nutzt dazu ein „natürliches Experiment“: Im Jahr 2007 hatte die Bundesregierung die im Rahmen der Hartz-Reformen reduzierte Bezugsdauer teilweise wieder zurückgedreht und für ältere Arbeitslose (50-54 Jahre) um zwölf Wochen auf 15 Monate verlängert.
Mit Daten des IZA Evaluation Dataset Survey konnte Lichter das Suchverhalten und die Wiederbeschäftigungsquote von Arbeitslosen analysieren, die sich kurz vor bzw. nach Inkrafttreten der Reform (Juni 2007 bis Mai 2008) arbeitslos meldeten. Durch den Vergleich mit Arbeitslosen knapp unter 50 Jahren, die nicht in den Genuss der neuen Regelung kamen, konnte er sicherstellen, dass die Effekte tatsächlich auf die Reform zurückzuführen waren.
Weniger Bewerbungen verschickt
Die Analyse zeigt, dass Arbeitsuchende, die Aussicht auf eine längere Bezugsdauer hatten, ihre Anstrengungen signifikant verringerten und im Durchschnitt 1,8 Bewerbungen weniger pro Woche verschickten. In Regionen mit geringer Arbeitslosigkeit, also mit tendenziell besseren Aussichten auf eine Wiederbeschäftigung, fiel der Rückgang der Bemühungen besonders stark aus. An den Anspruchslöhnen änderte sich hingegen nichts.
Durch die verringerten Suchanstrengungen sanken auch die Erfolgsaussichten: Ein Rückgang der Bewerbungen um 10% reduzierte die kurzfristige Wiederbeschäftigungswahrscheinlichkeit um 1,3%.