Der Niedergang des verarbeitenden Gewerbes in den USA hat den dortigen Präsidentschaftswahlkampf geprägt und birgt auch in anderen Industrienationen sozialen Sprengstoff. Als Ursache wird – neben zunehmender Automatisierung und Digitalisierung – häufig die Konkurrenz durch Billigimporte aus China gesehen. Aber gilt dieser Erklärungsansatz für alle westlichen Marktwirtschaften, oder sind die USA mit ihrem massiven Handelsbilanzdefizit gegenüber China ein Sonderfall?
In einem aktuellen IZA Discussion Paper richten Wolfgang Dauth, Sebastian Findeisen und Jens Suedekum den Fokus auf Deutschland, wo die verarbeitende Industrie traditionell eine Schlüsselrolle spielt. Im Gegensatz zu den USA verzeichnet Deutschland einen aggregierten Leistungsbilanzüberschuss und tendenziell ausgeglichene Handelsbilanzen gegenüber China und Osteuropa, wo ebenfalls das verarbeitende Gewerbe stark wächst.
Inwieweit Deutschland bislang von den wachsenden Handelsverflechtungen mit diesen Staaten profitiert hat, untersuchen die Autoren anhand des sektoralen Strukturwandels von 1993-2014. Dabei betrachten sie die zugrunde liegenden Arbeitsmarktveränderungen auf der Mikroebene und ermitteln schließlich den kausalen Einfluss der Globalisierung auf diese Prozesse.
Auf gesamtwirtschaftlicher Ebene (siehe Abbildung) zeigt sich zunächst auch für Deutschland das typische Muster des strukturellen Wandels: Dienstleistungsjobs befinden sich langfristig im Aufwärtstrend, während die Beschäftigung im verarbeitenden Gewerbe tendenziell abgenommen hat, insbesondere vor der Jahrtausendwende.
Gleichzeitig gab es jedoch auch wichtige Veränderungen innerhalb des Industriesektors. Teilbereiche mit starkem Anstieg der Nettoimporte aus China und Osteuropa schrumpften deutlich schneller als exportorientierte Branchen. Dort ist die Zahl der Arbeitsplätze seit 1997 annähernd stabil, während in Branchen mit starker Importkonkurrenz selbst in der Phase des deutschen „Beschäftigungswunders“ nach dem Jahr 2005 Arbeitsplatzverluste andauerten. Doch dieser Befund legt nur vordergründig Protektionismusüberlegungen nahe, wie sie derzeit in den USA angestellt werden.
Anders als in den USA hat die Globalisierung in Deutschland der Studie zufolge nicht etwa insgesamt zum Rückgang der Industriejobs beigetragen, sondern im Gegenteil den Strukturwandel sogar verlangsamt. Steigende Exporte in die neu erschlossenen Märkte haben Arbeitsplätze hierzulande eher gesichert. Ohne die Intensivierung des Handels mit China und Osteuropa hätte das deutsche verarbeitende Gewerbe im Jahr 2014 bis zu 259.000 Vollzeitarbeitsplätze weniger umfasst.
Allerdings zeigt die Analyse von individuellen Erwerbsbiografien, dass ein reibungsloser Wechsel von Industriebeschäftigten in den Dienstleistungssektor bisher noch die Ausnahme ist. Das Beschäftigungswachstum im Dienstleistungssektor speist sich gegenwärtig fast ausschließlich aus jungen Berufsanfängern und Arbeitslosen, die mangels beruflicher Perspektive die Branche wechseln.