Meinungen und Erwartungen spielen in der Ökonomie eine zentrale Rolle, sei es bei politischen Entscheidungen oder auch bei Investitions- und Sparentscheidungen. Bei der Erwartungsbildung befragen wir intuitiv unser Gedächtnis nach vorhandenem Wissen und Erfahrungen. Diese Prozesse untersucht IZA-Forschungsdirektor Florian Zimmermann mit Hilfe von Einsichten aus der Gedächtnisforschung im Rahmen eines mehrjährigen Forschungsprojekts, das vom European Research Council mit einem ERC Starting Grant gefördert wird.
Gemeinsam mit Benjamin Enke und Frederik Schwerter hat Zimmermann nun erste Erkenntnisse aus diesem Projekt im Journal of Financial Economics veröffentlicht. Die Forscher liefern anhand von zwei Verhaltensexperimenten Belege dafür, dass Erinnerungen zu Fehleinschätzungen und Überreaktionen bei finanziellen Entscheidungen führen. Dieser Befund widerspricht traditionellen ökonomischen Modellen, die davon ausgehen, dass Menschen alle verfügbaren und relevanten Informationen in ihre Einschätzungen einfließen lassen.
Erinnerungen und Investitionsentscheidungen
Die „assoziative“ Funktion des Gedächtnisses bedeutet, dass wir uns leichter an vergangene Erlebnisse erinnern, die der aktuellen Situation ähneln. An der Börse können dies zum Beispiel positive Unternehmensnachrichten oder steigende Kurse sein. Bei Anlageentscheidungen greifen wir auf schnell verfügbare Erinnerungen zurück, was zu verzerrten Einschätzungen führen kann. Beispielsweise können positive Nachrichten an vergangene Börsenaufschwünge erinnern, selbst wenn die aktuelle Lage objektiv betrachtet eine andere ist.
Experimente zeigen Überreaktionen
Im ersten Experiment untersuchten die Forscher, wie sich Erinnerungen auf die subjektive Bewertung von Unternehmen auswirken. Die Teilnehmenden erhielten zu zwei Zeitpunkten Informationen über fiktive Firmen. Ihre Einschätzung zu den Unternehmen wurde dabei stärker von Nachrichten beeinflusst, die Informationen aus der Vergangenheit ähnelten. Dies deutet darauf hin, dass das assoziative Gedächtnis zu Überreaktionen auf reale Finanznachrichten führt.
Das zweite Experiment zeigte, dass sich diese Fehleinschätzungen im wirtschaftlichen Handeln widerspiegeln. In einem Markt konnten die Versuchspersonen auf den Erfolg oder Misserfolg der hypothetischen Unternehmen wetten. Die Marktpreise reagierten sowohl auf positive als auch auf negative Nachrichten stärker, wenn die darin enthaltenen Informationen an vergangene Nachrichten erinnerten.
Nicht immer rational
Das assoziative Gedächtnis spielt demnach eine große Rolle dabei, wie wir wirtschaftliche Informationen interpretieren und Entscheidungen darauf basieren. Auch wenn die Entscheidungsfindung im Alltag deutlich komplexer ist als im Experiment, liefert die Studie wichtige Hinweise auf die psychologischen Mechanismen, die menschliches Verhalten in Reaktion auf Informationen beeinflussen und so wiederum Marktentwicklungen prägen können.