Betrugsfälle wie Cum-Ex, Wirecard oder der VW-Dieselskandal verdeutlichen den immensen Schaden, den unethische Entscheidungen in Unternehmen und Gesellschaft anrichten können. Diese Entscheidungen werden oft in Gremien wie Projektteams oder Vorständen getroffen. Frühere Studien zeigten bereits, dass Gruppenentscheidungen nicht einfach aus den Präferenzen der Einzelmitglieder abzuleiten sind. In einem aktuellen IZA-Forschungpapier untersuchen Gerd Muehlheusser, Timo Promann, Andreas Roider und Niklas Wallmeier, wie Gruppengröße, -zusammensetzung und die individuelle Ehrlichkeit der Mitglieder die Entscheidungsfindung beeinflussen.
Versuchsaufbau
Über 1.600 englische und US-amerikanische Teilnehmende wurden in Gruppen von zwei bis fünf Personen mit unterschiedlichem Geschlechterverhältnis eingeteilt. Die Aufgabe bestand darin, sich per Videochat darauf zu einigen, ein Würfelergebnis wahrheitsgemäß wiederzugeben oder durch eine falsche Angabe den eigenen Gewinn zu erhöhen.
Einfluss der Gruppengröße
Die Forschungsergebnisse zeigen einen klaren Trend: Mit wachsender Gruppengröße steigt auch die Wahrscheinlichkeit zu lügen. Mit einer Verdoppelung der Gruppengröße von zwei auf vier verdoppelt sich die Lügenerwartung ebenfalls (siehe Grafik unten). Die Forschenden erklären dies mit dem Phänomen der „Verantwortungsdiffusion“: In größeren Gruppen wird die Verantwortung für unmoralische Entscheidungen auf mehr Schultern verteilt. Einzelne Mitglieder fühlen sich weniger verantwortlich und neigen eher dazu, sich der (unehrlichen) Mehrheit anzuschließen.
Geschlechtsspezifische Unterschiede
Vergleicht man rein männliche mit rein weiblichen Gruppen, fällt die höhere Unehrlichkeit der Männergruppen deutlich auf. Der Unterschied beträgt bei gleicher Gruppengröße bis zu 35 Prozentpunkte. Die Ehrlichkeit nimmt jedoch nicht proportional zum Frauenanteil zu. Vielmehr scheint bereits die erste Frau in einer Gruppe die Wahrscheinlichkeit für wahrheitsgemäße Entscheidungen signifikant zu erhöhen. Dabei zeigen Frauen in diesen Gruppen tendenziell geringere Redeanteile. Dies deutet darauf hin, dass die Wahrnehmung von Frauen als integre Persönlichkeiten und die Sorge der Männer um das eigene Image gegenüber Frauen eine größere Rolle spielen könnten als direkte Überzeugungsarbeit.
Individuelle Ehrlichkeit vs. Gruppenentscheidungen
Ein weiteres Experiment auf individueller Ebene ergab, dass Männer auch einzeln betrachtet tendenziell unehrlicher handeln. Dieser Befund allein kann jedoch das Gruppenverhalten nicht erklären. Denn selbst Männergruppen, die ausschließlich aus ehrlichen Personen bestehen, lügen deutlich häufiger als vergleichbare Frauengruppen.
Wollen Unternehmen und andere Organisationen moralisches Handeln fördern, sollten sie demnach Entscheidungsgremien mit möglichst wenigen Mitgliedern – und mindestens einer Frau – besetzen.