Entscheidungen über die Wege der eigenen Bildungskarriere sind oft mit erheblicher Unsicherheit verbunden. Bin ich ausreichend vorbereitet, um die Prüfung zu bestehen? Bin ich gut genug, um eine Hochschulausbildung zu absolvieren? Für Studierende sind solche Fragen oft nicht leicht zu beantworten.
Eine Möglichkeit zur Einordnung des eigenen Leistungspotenzials ist der Vergleich mit Bezugsgruppen wie Freunden oder Kommilitoninnen. Wer innerhalb der eigenen Gruppe überdurchschnittlich gut abschneidet, neigt zu mehr Selbstbewusstsein und schätzt die eigene Fähigkeit tendenziell höher ein als jemand, der von lauter Überfliegern umgeben ist. Dieses Phänomen wird auch als „Fischteicheffekt“ bezeichnet: Man fühlt sich wie der große Fisch im kleinen Teich (big fish in a little pond).
Insbesondere im ersten Jahr des Studiums sind solche relativen Leistungsvergleiche von großer Bedeutung. Nach vielen gemeinsamen Schuljahren mit denselben Klassenkameraden interagiert man nun mit Studierenden aus aller Welt. Die eigene Leistungsfähigkeit muss innerhalb der ungewohnten Umgebung neu bewertet werden, was zu Veränderungen des Selbstbilds führen kann.
In einem aktuellen IZA-Forschungspapier, das demnächst im Economic Journal erscheint, zeigen Benjamin Elsner, Ingo Isphording und Ulf Zölitz, wie entsprechende soziale Vergleiche die Entscheidungen und die Leistung von Erstsemestern beeinflussen.
Rangposition beeinflusst eigene Erwartungen und Leistungen
Die Autoren nutzen dabei die zufällige Einteilung von Studierenden einer niederländischen Universität in verschiedene Tutoriumsgruppen. Sie messen die relativen Fähigkeiten der Studierenden anhand des „ordinalen Rangs“ innerhalb eines Tutoriums, also ob jemand gemäß dem vorab erzielten Notendurchschnitt an erster, zweiter, dritter oder weiterer Stelle steht. Dem Fischteicheffekt zufolge nehmen sich Studierende mit höherem Rang als kompetenter wahr, aber auch Lehrer oder Mitstudierende könnten auf andere Weise mit ihnen interagieren.
Tatsächlich finden die Autoren einen ausgeprägten Effekt auf die erzielte Leistung: Wer auf der Rangliste weiter oben steht, neigt weniger zum Abbruch des Kurses und erreicht bessere Noten in standardisierten, anonym bewerteten Prüfungen. Zudem wirkt sich der Rang auf die erwarteten zukünftigen Noten aus, was dafür spricht, dass die höher eingeordneten Studierenden sich selbst für fähiger halten als ihre Kommilitonen.
Studierende reagieren nur auf „gute Nachrichten“
Der Rang eines Studenten scheint gerade zu Beginn des ersten Jahres besonders wichtig zu sein, wo die Unsicherheit in einer völlig neuen Umgebung besonders hoch ist. Entscheidend für den Einfluss auf das Verhalten ist jedoch die Veränderung des Ranges im Vergleich zur Vorperiode: Erhöht sich die eigene Position gegenüber der durchschnittlichen Position der Vorperiode, verbessert sich die Leistung signifikant, während eine Verringerung des Ranges keinen Effekt hat. Die Forscher sehen darin einen Beleg für den Good-news-bad-news-Effekt: Menschen neigen dazu, auf positive Signale zu reagieren und negative zu ignorieren.
Anhaltende Effekte
Darüber hinaus sind die Auswirkungen des Rangs im Erstsemester-Tutorium längerfristiger Natur: Studierende mit hohem Rang in einem bestimmten Erstsemesterkurs – etwa Statistik oder Marketing – wählen mit größerer Wahrscheinlichkeit einen verwandten Folgekurs und spezialisieren sich im weiteren Studium auf den Bereich, in dem sie offenbar einen komparativen Vorteil gegenüber anderen wahrnehmen.
Die Ergebnisse liefern wichtige Einblicke in die Entscheidungsfindung von Studierenden. Ob jemand ein „big fish in a little pond“ ist oder nicht, hängt stark vom Zufall ab. Die daraus resultierenden sozialen Vergleiche scheinen jedoch erhebliches Gewicht bei wichtigen Karriereentscheidungen zu haben. Nach Einschätzung der Autoren könnte ein verbessertes Informationsangebot über die eigenen Leistungen Studierenden in einer solchen Situation helfen, fundiertere Entscheidungen über den weiteren Karriereweg zu treffen.