Schulen sind derzeit offenbar keine Treiber der Pandemie, sondern könnten sogar einen wichtigen Beitrag zu ihrer Eindämmung leisten. Darauf deutet ein neues IZA-Forschungspapier von Ingo E. Isphording, Marc Diederichs, Reyn van Ewijk und Nico Pestel hin. Durch die obligatorischen Schnelltests an Schulen ließen sich Ausbrüche frühzeitig erkennen und isolieren, was gerade beim aktuellen Anstieg der Fallzahlen von entscheidender Bedeutung sei, so die Autoren.
Angesichts der Wucht der vierten Welle scheinen erneute Schulschließungen politisch nun nicht mehr ausgeschlossen. Dabei gibt es für deren Wirksamkeit keine eindeutigen Belege. Bisherige Erkenntnisse stammen zudem aus einer früheren Phase der Pandemie, seit der sich die Lage durch Impfungen und Delta-Variante stark verändert hat. Vor allem aber kommt den Schulen durch die Pflicht zu regelmäßigen Testungen eine ganz neue Rolle in der Pandemiebekämpfung zu.
Für ihre Studie nutzten die Forscher die zeitliche Staffelung der Sommerferien 2021 in den deutschen Bundesländern, um den Beitrag offener Schulen zur Verbreitung von COVID-19 zu ermitteln. Dazu verglichen sie jeweils Bundesländer, in denen die Schulen gerade wieder geöffnet bzw. ferienbedingt noch geschlossen waren. Veränderungen in der Mobilität nach den Ferien, etwa durch mehr Fahrten zum Arbeitsplatz, rechneten sie statistisch heraus, um den Effekt des Schulbeginns auf die Corona-Zahlen getrennt betrachten zu können.
An Schulen aufgedeckte Fälle senken Ansteckungsrisiko für Erwachsene
Demnach führte der Schulstart nach den Sommerferien nicht zu einem beschleunigten Wachstum der Infektionszahlen. Zwar kam es in der Altersgruppe der 5- bis 14-Jährigen einige Tage lang zu vermehrten positiven Tests von Schülerinnen und Schülern, die während der Ferien ungetestet geblieben waren. Längerfristig jedoch wirkten sich die Schulöffnungen weder bei Kindern und Jugendlichen noch bei den über 60-Jährigen maßgeblich auf die Fallzahlen aus, die ähnlich anstiegen wie in Bundesländern mit weiterhin geschlossenen Schulen. In der Altersgruppe der 15- bis 59-Jährigen blieben die Infektionszahlen sogar langfristig niedriger als sie sich ohne Öffnung der Schulen entwickelt hätten.
Die Studienergebnisse deuten darauf hin, dass die frühzeitige Erkennung und Quarantäne der an Schulen aufgedeckten Fälle im Kampf gegen die Pandemie hilfreich sind. Gerade weil COVID-19 bei Kindern häufig ohne Symptome verlaufe und trotzdem ansteckend sei, könnten solche Fälle nur bei offenen Schulen mit obligatorischer Testung erkannt und dadurch weitere Ansteckungen verhindert werden, so die Autoren. „In Kombination mit den weiteren Hygienemaßnahmen bleiben Schulen in Deutschland sicherer als oft vermutet. Gleichzeitig spielen sie eine unverzichtbare Rolle bei der Überwachung des Infektionsgeschehens“, sagt IZA-Forscher Ingo Isphording.
Eine deutsche Kurzfassung der englischsprachigen Studie ist als IZA-Standpunkt abrufbar.