Gerät ein Unternehmen krisenbedingt in finanzielle Schieflage, kann es unter bestimmten Bedingungen Kurzarbeitergeld beantragen. Durch eine Verringerung der Arbeitszeiten werden Kosten gespart und Entlassungen idealerweise vermieden. Für die Einkommensverluste der Beschäftigten kommt der deutsche Staat mit bis zu 67 Prozent, in der Corona-Krise sogar bis zu 87 Prozent des ursprünglichen Gehalts auf.
In der aktuellen Krise haben nahezu alle OECD-Länder dieses wirtschaftspolitische Instrument eingesetzt, um den Arbeitsmarkt zu stabilisieren und explodierende Arbeitslosenzahlen zu verhindern. In Deutschland erhielt im Frühjahr 2020 beinahe jeder fünfte sozialversicherungspflichtig Beschäftigte Kurzarbeitergeld, was rund sechs Millionen Menschen entspricht – während der letzten großen Finanz- und Wirtschaftskrise waren es gerade mal 1,5 Millionen.
Ähnlich wie in Deutschland kam es unter anderem auch in Italien, Spanien, Frankreich, Belgien, Österreich und Großbritannien zu einem rapiden Anstieg der Kurzarbeit. Zudem unterstützt die EU ihre Mitgliedsstaaten bei der Finanzierung von Kurzarbeit mit günstigen Darlehen von bis zu 100 Milliarden Euro im Rahmen des SURE-Programms.
Kurzarbeit reduziert das Einkommensrisiko und stabilisiert die Nachfrage
In einem aktuellen IZA-Forschungspapier untersuchen Thomas Dengler und Britta Gehrke verschiedene Mechanismen, durch die das Kurzarbeitergeld den Arbeitsmarkt stabilisiert. Dabei nehmen sie neben der direkten Reduktion der Arbeitskosten für Unternehmen auch die Effekte auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage in den Blick.
Um sich gegen das Risiko eines Einkommensverlustes durch rezessionsbedingte Kündigungen abzusichern, schrauben viele Beschäftigte ihren Konsum zurück und sparen mehr. Dadurch reduziert sich die gesamtwirtschaftliche Nachfrage, was manche Unternehmen zwingt, ihre Produktion herunterzufahren und tatsächlich Angestellte zu entlassen. Es entsteht also ein Teufelskreis. Kann das Kurzarbeitergeld diese Spirale durchbrechen, indem es das Einkommensrisiko reduziert und Nachfrageeinbrüche verhindert?
Auf Basis eines auf den deutschen Arbeitsmarkt zugeschnittenen makroökonomischen Modells berechnet das Forscherteam, dass ein rezessionsbedingter Anstieg der Arbeitslosigkeit um vier Prozentpunkte durch Kurzarbeit um einen Prozentpunkt abgefedert werden kann. Rund ein Fünftel davon lässt sich auf die Stabilisierung der Nachfrage zurückführen. In Ländern mit dynamischeren Arbeitsmärkten wie den USA dürfte der Nachfrageeffekt noch stärker sein.
Erhöhung des Kurzarbeitergeldes kann zusätzlich helfen
Je besser die finanzielle Absicherung bei Kurzarbeit, desto größer der potenzielle Effekt auf die Konsumnachfrage. So würde laut Studie eine Erhöhung des Kurzarbeitergeldes um ein Prozent des BIP die Arbeitslosenquote um bis zu zwei Prozentpunkte verringern.
Besonders stark ist der Nachfrageeffekt des Kurzarbeitergeldes bei der aktuellen Nullzinspolitik, da die Menschen nicht alternativ durch weitere Zinssenkungen animiert werden können, ihr Geld auszugeben statt zu sparen. Eine Erhöhung des Kurzarbeitergeldes kann sogar effektiver sein, als eine entsprechende Erhöhung des Arbeitslosengeldes. Diese führt zu Aufwärtsdruck auf die Löhne – ein Effekt, der beim Kurzarbeitergeld nur in begrenzterem Maße auftritt.
Ist die Kurzarbeit also das ideale Kriseninstrument, um den Arbeitsmarkt und die Gesamtwirtschaft zu stabilisieren? Im Prinzip ja, argumentieren die Studienautoren. Allerdings sollte sie nicht zum Dauerzustand werden, da es sonst zu übermäßigen Arbeitszeitreduktionen kommen könne und notwendige strukturelle Anpassungen, etwa der Wechsel von Arbeitskräften zu wachsenden und produktiveren Unternehmen, behindert würden.
Mitnahmeeffekte verhindern
Zudem spricht eine weitere aktuelle IZA-Studie aus Frankreich dafür, den Zugang zu Kurzarbeit strikt zu regulieren, um Mitnahmeeffekte zu reduzieren. In der großen Finanzkrise hatten auch weniger notleidende Unternehmen ihre Arbeitszeiten auf Staatskosten reduziert, ohne dass dadurch Jobs gerettet wurden. Dennoch erwies sich die Kurzarbeit der Analyse zufolge als besonders kosteneffizientes Instrument zur Beschäftigungssicherung in Krisenzeiten. Für jeden zusätzlichen Beschäftigten in Kurzarbeit konnten damals rein rechnerisch 0,6 Entlassungen vermieden werden.