Psychische Erkrankungen machen in den Industrienationen rund die Hälfte aller Krankheitsfälle von Menschen unter 45 Jahren aus. Die Kosten für die öffentliche Hand in Form von Sozialleistungen und entgangenen Steuereinnahmen gehen in die Milliarden. Eine effektive Behandlung der Betroffenen würde sich daher mehr als selbst finanzieren, schreibt IZA-Fellow Sir Richard Layard (London School of Economics) in einem Beitrag für IZA World of Labor.
Arbeitnehmer, die unter Depressionen oder Angstzuständen leiden, sind im Durchschnitt weniger produktiv, fallen häufiger krankheitsbedingt aus und haben ein deutlich höheres Arbeitslosigkeitsrisiko. Würden sie in gleichem Maße arbeiten wie die übrige Erwerbsbevölkerung, stiege die Gesamtbeschäftigung um mehr als 4%. Entsprechend positiv wären die Auswirkungen auf Wirtschaftsleistung und Steuereinnahmen.
Massive Produktivitätseinbußen
Hinzu kommt das als „Präsentismus“ bezeichnete Phänomen, dass sich viele Beschäftigte aus Furcht vor dem Jobverlust krank zur Arbeit schleppen. Nach Layards Schätzungen für Großbritannien reduziert die Kombination aus Nichtbeschäftigung, Fehlzeiten und geringerer Produktivität am Arbeitsplatz das Bruttoinlandsprodukt um mindestens 7%. Das entspricht etwa der Höhe des gesamten Bildungsetats.
Zudem nehmen Menschen mit psychischen Problemen etwa 60% mehr ärztliche Leistungen zur Behandlung körperlicher Leiden in Anspruch als psychisch gesunde Patienten mit dem gleichen physischen Krankheitsbild. Dadurch entstehen zusätzliche Gesundheitskosten in Milliardenhöhe. Ausgabensteigernd wirkt darüber hinaus die höhere Kriminalitätsneigung unter psychisch Kranken.
Sparen am falschen Ende
Trotz dieser immensen Kosten gibt keine Nation mehr als 1% des BIP für die Behandlung psychischer Erkrankungen aus, obwohl Patienten mit klinischer Depression oder chronischen Angststörungen dank fortschrittlicher Behandlungsmethoden inzwischen ausgesprochen gute Aussichten auf Heilung haben. Jeder investierte Euro würde daher das Doppelte an Einsparungen im Gesundheits- und Sozialsystem bringen, rechnet Layard vor.
Sein Fazit: „Psychotherapeutische Maßnahmen sind unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit ein echtes Schnäppchen. Trotzdem stehen sie bei Sparrunden im Gesundheitssystem häufig oben auf der Streichliste. Die Verantwortlichen sollten sich bewusst sein: Gesamtwirtschaftlich gesehen verursacht die Behandlung psychischer Erkrankungen keine Kosten, sondern sie spart im Gegenteil sogar Geld.“