Übergewicht und Fettleibigkeit gelten schon seit den 1990er Jahren als Zivilisationskrankheit mit epidemischen Ausmaßen. In der Corona-Krise hat sich das Problem noch zusätzlich verschärft. In manchen Ländern hat die Politik darauf reagiert, indem sie zuckerhaltige Getränke durch Steuererhöhungen verteuert. Solche staatlichen Eingriffe sind aus verschiedenen Gründen umstritten, auch weil sie einkommensschwache Gruppen überproportional stark belasten.
Aber werden die höheren Steuern überhaupt auf die Verbraucher abgewälzt? Und reduziert sich dadurch der Konsum? Wie reagieren die Hersteller? Diesen Fragen gehen Alex Dickson, Markus Gehrsitz und Jonathan Kemp in einem aktuellen IZA-Forschungspapier am Beispiel Großbritanniens nach.
Gesalzene Steuer auf gezuckerte Getränke
Die britische Regierung hatte im März 2016 angekündigt, zum April 2018 die sogenannte Soft Drinks Industry Levy zu erheben, einen Aufschlag von 0,24 Pfund (ca. 28 Cent) pro Liter zuckerhaltiger Limonade. Die Hersteller konnten die Steuer vermeiden, indem sie den Zuckergehalt ihrer Getränke auf weniger als 5g/100ml senkten. So hoffte die Regierung neben der Nachfrageseite auch die Angebotsseite zu einer gesünderen Produktpalette zu bewegen.
Um die Effekte bewerten zu können, analysierten die Forscher detaillierte Daten zu den landesweiten Getränkeverkäufen im Zeitraum von Juli 2014 bis Januar 2020, aus denen neben den Preisen und Absatzmengen auch Veränderungen der Inhaltsstoffe und Nährwertangaben der verschiedenen Softdrinks hervorgehen.
Hersteller ändern Rezepturen in Erwartung der Steuer
So zeigt die Studie, dass die Steuer schon vor ihrem Inkrafttreten zu einem massiven Rückgang des Zuckerkonsums führte. Offenbar nutzten viele Hersteller die zweijährige Übergangsfrist, um den Zuckergehalt in ihren Softdrinks unter den steuerrelevanten Schwellenwert zu bringen, indem sie vermehrt auf Süßstoffe setzten. Dadurch sank die Zucker-Kalorienaufnahme der Briten um fünf Milliarden Kalorien pro Woche, ohne dass der Absatz der entsprechenden Softdrinks spürbar zurückging.
Einige große Marken behielten ihre zuckerreichen Rezepturen allerdings bei, vor allem bei Energydrinks und Colas. Als die Steuererhöhung wirksam wurde, erhöhten sie die Preise, sogar über den Steueraufschlag hinaus. In der Folge brach der Absatz um 18 Prozent ein, vor allem bei den großen Gebinden für den Heimverzehr, und es kam vermehrt zum Umstieg auf zuckerreduzierte oder zuckerfreie Getränke. Die Preiserhöhung verringerte so die wöchentliche Zuckeraufnahme aus Softdrinks um eine weitere Milliarde Kalorien.
Diese Daten entkräften somit das in Deutschland oft vorgebrachte Argument, Softdrink-Steuern hätten kaum Effekte. Zwar gab es schon vor der Maßnahme einen gesellschaftlichen Trend zu mehr Light-Getränken, der jedoch nach Einschätzung der Autoren durch die Steuer stark beschleunigt wurde – in Zahlen ausgedrückt: um 6500 Kalorien pro Kopf und Jahr. Die Reaktion der Hersteller hatte daran einen viermal größeren Anteil als die Verhaltensänderung der Verbraucher. Inwieweit sich der verringerte Konsum gezuckerter Softdrinks auf den Trend zur Fettleibigkeit ausgewirkt hat, lässt sich allerdings anhand der Studie nicht beantworten.