Zwar verschieben sich die Geschlechterrollen innerhalb von Familien bereits seit einiger Zeit, doch das klassische Rollenmuster mit dem Vater als Allein- oder Hauptverdiener bleibt nach wie vor verbreitet. So betrug 2019 der Anteil der Mütter mit Kindern unter sechs Jahren in Elternzeit beinahe ein Viertel, bei Männern waren es gerade mal 1,6 Prozent. Aber wovon hängt die Arbeitsentscheidung der Mutter eigentlich ab? Und wie nehmen (potenzielle) Eltern die Vor- und Nachteile von verschieden Arbeitszeitmodellen wahr?
Diesen Fragen widmen sich Teodora Boneva, Katja Kaufmann und Christopher Rauh in einem aktuellen IZA-Forschungspapier. Sie befragten deutschlandweit rund 4.000 Erwachsene zwischen 20 und 45 Jahren zu ihren hypothetischen Entscheidungen in einer Reihe fiktiver Situationen, die sich vor allem in den Arbeitszeiten der Mutter unterschieden. Auch die Ansichten zur öffentlichen Kinderbetreuung wurden detailliert abgefragt.
Hohe Einkommensverluste erwartet
Auffällig ist zunächst, dass die Befragten zwar deutliche Einkommensverluste (bis zu 6.000 Euro im Jahr) in späteren Erwerbsleben erwarten, wenn die Mutter bis zum fünften Lebensjahr des Kindes aus dem Arbeitsmarkt aussteigt. Doch diese finanziellen Einbußen spielen für die Arbeitsentscheidung der Mutter keine nennenswerte Rolle, obwohl die Befragen sogar annahmen, auch die Väter verdienten mehr, wenn beide Elternteile arbeiten.
Ein wichtiger Faktor, der für eine zeitige Rückkehr der Mutter in Beschäftigung spricht, sind die wahrgenommenen Vorteile der gemeinschaftlichen Kinderbetreuung als stimulierendes soziales Umfeld: Die sozialen und intellektuellen Fähigkeiten von Kita-Kindern, deren Mutter in Vollzeit arbeitet, werden um bis 28 Prozentpunkte höher eingeschätzt als die Fähigkeiten vergleichbarer Kinder, die zu Hause betreut werden. Die Entscheidung für eine Teilzeit-Tätigkeit scheint vor allem darauf zu gründen, dass hier das größte Potenzial für die Zufriedenheit von Mutter und Kind gesehen wird.
Großer Einfluss sozialer und kultureller Normen
Viele Mütter lassen sich bei der Entscheidung jedoch von ihrem sozialen Umfeld beeinflussen. Glaubt die Mutter beispielsweise, dass ihre Freunde und Familie eher der traditionellen Rollenverteilung anhängen, reduziert sich dadurch die Wahrscheinlichkeit einer Berufstätigkeit um 6,1 Prozentpunkte. Umgekehrt nehmen Mütter mit 12,7 Prozentpunkten höherer Wahrscheinlichkeit eine Vollzeitstelle an, wenn sie dafür in ihrem Umfeld eine hohe Zustimmung vermuten. Der starke Einfluss sozialer und kultureller Normen zeigt sich auch daran, dass die Vollzeitarbeit für Mütter in Ostdeutschland deutlich positiver eingeschätzt wird.
Die Ergebnisse scheinen jedoch nicht deutschlandspezifisch zu sein: Eine kanadische Stichprobe mit den gleichen Fragen brachte sehr ähnliche Ergebnisse. Bemerkenswert ist außerdem, dass der sozioökonomische Hintergrund der Befragten keinen nennenswerten Einfluss auf die Antworten hatte.
Neben den gesellschaftlichen Implikationen liefert die Studie auch einen deutlichen Fingerzeig für die Politik. Befragte mit Kindern gaben die Wahrscheinlichkeit, einen öffentlichen Kita-Platz zu finden, im Schnitt mit 62 Prozent an, eine Ganztagsbetreuung mit 54 Prozent. Ein verbessertes Betreuungsangebot würde die Wahrscheinlichkeit unter den befragten Müttern, eine Teilzeit-Tätigkeit aufzunehmen, um 15 Prozentpunkte auf 59 Prozent erhöhen.