Laut einer aktuellen IZA-Befragung arbeiteten im April 2021 fast die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland zumindest stundenweise im Homeoffice. Viele Beschäftigte und Unternehmen schätzen inzwischen das flexiblere Arbeiten und wollen auch nach Corona daran festhalten. Andere sehnen die Rückkehr ins Büro herbei.
Aber wo lässt es sich eigentlich produktiver arbeiten? Darüber gehen die Meinungen auseinander und es mangelt an wissenschaftlichen Belegen. In verschiedenen Umfragen gab eine Mehrheit der Beschäftigten an, im Homeoffice produktiver zu sein. Allerdings basieren solche Befunde auf subjektiven Einschätzungen – und kaum jemand, der auch nach der Pandemie das Homeoffice-Angebot weiter nutzen möchte, wird von sich selbst behaupten, dort weniger produktiv zu sein.
Detaillierte Produktivitätsdaten
Ein aktuelles IZA-Forschungspapier von Michael Gibbs, Friederike Mengel und Christoph Siemroth liefert nun erstmals eine umfassende datengestützte Analyse von Produktivität und Arbeitszeit nach der Umstellung auf Heimarbeit. Die Forscher nutzen dazu anonymisierte Personal- und Leistungsdaten von über 10.000 Fachkräften eines asiatischen IT-Unternehmens.
Das Besondere daran: Über eine spezielles Analysetool kann das Unternehmen die Arbeitsleistung der Beschäftigten (mit deren Wissen und Einverständnis) detailliert erfassen. Die Software misst nicht nur die reine Arbeitszeit, sondern kann auch produktive von unproduktiver Zeit am Computer unterscheiden und verschiedene Formen der Zusammenarbeit messen.
Ausweitung der Arbeitszeiten
Die Auswertung der zwischen April 2019 und August 2020 erhobenen Daten zeigt: Nach dem pandemiebedingten Wechsel ins Homeoffice lieferten die Beschäftigten den gleichen Output wie vorher und konnte ihre Ziele in gleichem Maße erreichen. Allerdings stieg die dafür aufgewendete Arbeitszeit insgesamt um rund 30 Prozent, außerhalb der üblichen Geschäftszeiten um 18 Prozent. Die Produktivität – gemessen als Output pro Arbeitsstunde – sank somit im Homeoffice um etwa 20 Prozent.
Die Mehrarbeit ließ sich nicht allein auf eingesparte Pendelzeiten zurückführen: Wer einen längeren Arbeitsweg zum Büro hatte, arbeitete im Homeoffice nicht notwendigerweise mehr als Kollegen mit kürzeren Pendelstrecken.
Am deutlichsten sank die Produktivität bei Beschäftigten mit Kindern, bei Frauen stärker als bei Männern. Langjährige Mitarbeiter schnitten besser ab als Kollegen mit weniger Arbeitserfahrung. Nach Einschätzung der Autoren dürften eine bessere Kenntnis der Unternehmensabläufe und engere Vernetzung mit Kollegen die Effektivität im Homeoffice steigern.
Mehr Ablenkung, weniger Interaktion
Insgesamt sehen die Forscher die Ursachen für die geringere Produktivität am Heimarbeitsplatz in der größeren Ablenkung, insbesondere in Haushalten mit Kindern, und im Mehraufwand für Kommunikation und Kollaboration. Die Beschäftigten verbringen deutlich mehr Zeit in formellen Meetings und verschicken mehr E-Mails als vor der Pandemie. Das gehe auf Kosten der Zeit für fokussiertes, unterbrechungsfreies Arbeiten, so die Autoren. Auch mangelndes Coaching und der fehlende direkte Kontakt zu Vorgesetzten, Kollegen und Geschäftspartnern schadeten offenbar der Produktivität.
Die Forscher geben zu bedenken, dass sich die Ergebnisse auf die erste Phase der Pandemie beziehen und die Daten nur einen Ausschnitt der Arbeitswelt beleuchten. Andererseits handelt es sich gerade bei der IT-Branche um einen Bereich, der eigentlich prädestiniert ist für ortsungebundenes Arbeiten ist und wo mangelnde technische Ausstattung oder Kompetenz ein geringeres Hindernis sein dürften als in anderen Tätigkeitsfeldern.
In jedem Fall unterstreiche der Befund einmal mehr, dass das Homeoffice bei allen Vorteilen keinen perfekten Ersatz für die persönliche Interaktion am Arbeitsplatz bieten könne, so das Fazit der Studie. In Zukunft werde es daher darauf ankommen, hybride Arbeitsformen mit der für das jeweilige Unternehmen optimalen Mischung aus mobilem Arbeiten und Büropräsenz zu entwickeln.