Ob Einwanderungsgesetz oder Flüchtlingsintegration – im Mittelpunkt der Diskussion steht oft das Qualifikationsniveau und damit die Arbeitsmarkteignung der Migranten. Doch während sich die Aufnahmeländer darum bemühen, möglichst viele Hochqualifizierte anzulocken, beklagen die Herkunftsländer mögliche negative Folgen einer Abwanderung von Fachkräften, auch als „Brain Drain“ bezeichnet. Zwei IZA-Diskussionspapiere widmen sich dieser Thematik aus globaler Sicht.
In ihrer Studie „Global Talent Flows“ weisen Sari Pekkala Kerr, William Kerr, Çağlar Özden und Christopher Parsons zunächst darauf hin, dass sich entgegen der öffentlichen Wahrnehmung der Migrantenanteil an der Weltbevölkerung in den letzten 50 Jahren kaum verändert hat: Nur etwa drei Prozent aller Menschen wurden außerhalb ihres Aufenthaltslandes geboren.
Doch das durchschnittliche Qualifikationsniveau von Zuwanderern hat sich deutlich nach oben verschoben: In den OECD-Ländern hat sich die Zuwanderung Hochqualifizierter zwischen 1990 und 2010 um 130% erhöht, während geringqualifizierte Migration im gleichen Zeitraum nur um 40% zunahm.
Ebenso asymmetrisch ist auch die Verteilung auf die Zielländer: Die USA, Großbritannien, Kanada und Australien nehmen insgesamt knapp 70% aller hochqualifizierten Zuwanderer in die OECD-Länder auf. Allein auf die USA entfällt fast die Hälfte der Fachkräftezuwanderung in die OECD – rund ein Drittel weltweit. Auch temporäre und zirkuläre Migrationsbewegungen gewinnen an Bedeutung, nicht zuletzt aufgrund von Job-Rotation bei Führungskräften in global agierenden Unternehmen.
Globale Bilanz fällt positiv aus
Die Auswirkungen der durchschnittlichen Qualifikationsprofile von Migranten auf Löhne, Beschäftigung oder Wachstum in einzelnen Herkunfts- und Zielländern sind Gegenstand zahlreicher ökonomischer Analysen. Wenig erforscht sind dagegen die Gesamteffekte auf den globalen Wohlstand. Dieser Frage widmet sich die Studie „The Gain from the Drain : Skill-biased Migration and Global Welfare“ von Costanza Biavaschi, Michal Burzynski, Benjamin Elsner und Joel Machado.
Die Forscher simulieren, wie sich der Wohlstand weltweit entwickelt hätte, wenn das Qualifikationsniveau von Zuwanderern gleichmäßig auf die bestehenden Migrationsströme verteilt wäre. Gegenüber diesem fiktiven Szenario profitieren die Bewohner der OECD-Staaten vom in der Realität höheren Qualifikationsniveau ihrer Zuwanderer. Für die Herkunftsländer sind die Effekte des „Brain Drain“ auf das Pro-Kopf-Einkommen negativ, allerdings vergleichsweise gering. Global gesehen ergibt sich dadurch eine positive Bilanz, wie die folgende Abbildung veranschaulicht.
Migration führt also, ökonomisch betrachtet, zu einer effizienteren Verteilung von Talenten und Fähigkeiten in der Welt. Dieser Prozess muss sich nicht notwendigerweise auf Kosten der Entwicklungsländer vollziehen: Zum einen stellen die abgebildeten Berechnungen das „Worst-Case-Szenario“ der Autoren dar. Zum anderen hat die Auswanderung von Hochqualifizierten auch positive Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung des jeweiligen Herkunftslandes, etwa durch Rücküberweisungen und Technologietransfer. Werden diese Effekte einberechnet, profitieren langfristig auch die meisten Auswanderungsländer von den globalen Migrationsströmen.
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