Schlechte Luft, schlechtere Jobs? Wenn die Feinstaubbelastung hoch ist, neigen Arbeitsuchende eher dazu, geringer bezahlte Stellen anzunehmen, statt weiter nach besser vergüteten Angeboten zu suchen. Diese Erkenntnis liefert ein aktuelles IZA-Forschungspapier von Mariët Bogaard, Steffen Künn, Juan Palacios und Nico Pestel, das den Einfluss von Luftverschmutzung auf die Lohnvorstellungen arbeitsloser Stellensuchender in Deutschland untersucht.
Auf Basis detaillierter Daten zu Arbeitslosen, die zum Befragungszeitpunkt zufällig unterschiedlich hohen Luftverschmutzungswerten ausgesetzt waren, fanden die Forscher heraus, dass eine erhöhte Feinstaubbelastung den sogenannten „Reservationslohn” – also den niedrigsten Stundenlohn, den Arbeitsuchende akzeptieren würden – deutlich senkt.
In Zahlen: Ein Anstieg des PM10-Wertes um eine Standardabweichung (rund 12 µg/m³) führte zu einer Absenkung des Reservationslohns um 1,2 %. Die Größenordnung dieses Effekts ist nicht zu unterschätzen – sie entspricht etwa dem Einfluss anderer Faktoren wie Persönlichkeit oder Vermögen, die sich ebenfalls auf die individuellen Lohnvorstellungen auswirken.
Geringere Suchintensität und Risikobereitschaft
Die Studie nennt mehrere Wirkungsmechanismen, mit denen sich die negativen Folgen der Luftverschmutzung erklären lassen. Zum einen reduziert verschmutzte Luft die Suchintensität: Die Betroffenen investieren weniger Energie in die Jobsuche und sind daher eher bereit, auch schlechter bezahlte Stellen anzunehmen.
Zum anderen sinken Risikobereitschaft und Geduld bei hoher Feinstaubbelastung. Risikoscheuere und ungeduldige Stellensuchende akzeptieren eher niedrigere Löhne, um die Unsicherheit der Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Langfristig könnte sich dadurch ihre Jobzufriedenheit verringern und das Risiko erneuter Arbeitslosigkeit erhöhen.
Gerechtere Chancen durch sauberere Luft
Während sich die bisherige Forschung vor allem auf die arbeitende Bevölkerung und die Umwelteffekte auf Arbeitsangebot und Produktivität konzentrierte, untersucht die aktuelle Studie erstmals die Auswirkungen von Feinstaubbelastungen für die Arbeitslosen. Dies ist insbesondere relevant, da Menschen mit geringem Einkommen überdurchschnittlich oft höheren Werten von Luftverschmutzung ausgesetzt sind, etwa aufgrund ihrer Wohnlage.
Die Studienergebnisse sind somit nicht nur ein weiterer Beleg für die hohen wirtschaftlichen und sozialen Kosten der Luftverschmutzung. Sie bieten der Politik auch ein zusätzliches Argument dafür, dass eine restriktivere Umweltpolitik nicht zwingend die Wirtschaft bremsen und Geringverdienende stärker belasten, sondern im Gegenteil wachstumsfördernd wirken und zur Verringerung sozialer Ungleichheit beitragen kann.