Alle Industrienationen – mit Ausnahme der USA – gewähren Eltern neugeborener Kinder inzwischen staatlich garantierte, finanziell geförderte Auszeiten vom Job. Die Förderdauer variiert zum Teil stark zwischen den Ländern und beläuft sich im Mittel auf rund 14 Monate.
Für kürzere Auszeiten sind positive Effekte inzwischen vielfach belegt, wobei mit steigender Dauer die langristigen Karriere- und Einkommensnachteile für Frauen zunehmen (die IZA World of Labor liefert einen Überblick über den Forschungsstand).
Unklar ist jedoch, wie sich eine längere bezahlte Elternzeit auf die familiäre Arbeitsteilung und die kindliche Entwicklung auswirkt. Ein aktuelles IZA-Forschungspapier von Serena Canaan belegt nun auf Basis umfangreicher Daten aus Frankreich, dass eine Ausweitung des Förderanspruchs eine Reihe negativer Effekte haben kann.
Stark erweiterter Förderanspruch
Die Studie analysiert die Folgen einer Reform in Frankreich, nach der Mütter oder Väter bis zu drei Jahre lang finanzielle Unterstützung vom Staat bekamen, wenn sie nach der Geburt des Kindes ihre Arbeitszeit reduzierten oder ganz aus dem Arbeitsmarkt ausstiegen, was mit einer höheren monatlichen Pauschale „belohnt“ wurde.
Nachdem die Förderung zunächst auf Eltern mit mindestens drei Kindern beschränkt war, galt der Anspruch ab dem 1. Juli 1994 bereits ab dem zweiten Kind. Da diese Neuregelung ohne Vorankündigung in Kraft trat, konnte Canaan die Reformeffekte ermitteln, indem sie Familien verglich, deren zweites Kind kurz vor bzw. nach dem Stichtag geborenen wurde.
Zurück zur traditionellen Rollenverteilung
Die Analyse zeigt, dass ein Großteil der Mütter den maximalen Förderbetrag wählten und ganz zu Hause blieben. Die Wahrscheinlichkeit, aus dem Arbeitsmarkt auszusteigen, erhöhte sich durch die Reform um 16 Prozentpunkte.
Väter nahmen hingegen nur selten die neue Elternzeit in Anspruch, sondern weiteten stattdessen ihre tatsächlich geleistete Arbeitszeit um durchschnittlich 2,5 Wochenstunden aus. Das Einkommen veränderte sich dabei nicht, was dafür spricht, dass die Väter aus Karrieregründen oder wegen geringerer familiärer Verpflichtungen freiwillig mehr arbeiteten.
Insgesamt wurden die Zuständigkeiten für Haus- bzw. Erwerbsarbeit wieder klarer zwischen Mutter und Vater aufgeteilt. Die Studie liefert Anhaltspunkte dafür, dass dies der Paarbeziehung nicht unbedingt förderlich war. Zwar gab es keinen spürbaren Anstieg der Scheidungsrate, doch die Wahrscheinlichkeit, dass zusammenlebende Elternpaare innerhalb der nächsten vier Jahre heirateten, nahm um 10 Prozentpunkte ab.
Zudem bremste die Reform die Entwicklung der Kinder, gemessen an deren durchschnittlichen sprachlichen Fähigkeiten im Vorschulalter. Laut Canaan könnte dieser Effekt auf die geringere soziale Interaktion der überwiegend häuslich betreuten Kinder oder auf familiäre Spannungen aufgrund der veränderten Rollenverteilung zurückzuführen sein. Denkbar sei aber auch, dass aufgrund der Einkommenseinbußen weniger finanzielle Ressourcen in die kindliche Entwicklung investiert würden.
Wachsende Ungleichheit
Da die frühkindliche Förderung maßgeblich zu mehr Chancengleichheit beitrage, habe sich die soziale Spaltung infolge der Reform tendenziell verschärft, zumal von längerer Elternzeit primär Akademikerkinder profitieren. Auch den Abbau der geschlechtsspezifischen Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt habe die Reform eher behindert als gefördert. Die Forschungsergebnisse legen daher nahe, dass eine Ausweitung der Elternzeit den eigentlichen politischen Zielen zuwiderläuft.
Die Autorin betont, dass sich ihr Befund nicht notwendigerweise auf andere Länder übertragen lasse, da es neben der Länge der Elternzeit auch auf die genaue Ausgestaltung der gesetzlichen Regelungen ankomme. Generell bestehe jedoch bei einer übermäßigen Verlängerung der Förderdauer die Gefahr, dass damit das Gegenteil des erhofften Effekts erreicht werde.