Man muss nicht besonders ausgeschlafen sein, um zu ahnen, dass Schlafmangel mehr als nur einen gesundheitlichen Aspekt hat. So beschäftigen sich auch Ökonomen mit der Frage, inwieweit Schlaf diverse menschliche Verhaltensweisen beeinflusst, die für Bildung, Arbeitsmarkt und soziale Interaktionen von Bedeutung sind. Einige aktuelle Studien aus dem IZA-Netzwerk wollen wir anlässlich des heutigen Welt-Schlaftags näher beleuchten.
Schlaf, Vertrauen und Risikopräferenzen
In einem kürzlich erschienenen IZA Discussion Paper untersuchen die Forscher David L. Dickinson (Appalachian State University, IZA) und Todd Mc Elroy (Florida Gulf Coast University) mittels eines kontrollierten Laborexperiments, wie sich Schlafmangel auf das zwischenmenschliche Vertrauen auswirkt.
Den 184 Teilnehmern des Experiments wurden für einen Zeitraum von drei Wochen zwei unterschiedliche Schlafpläne vorgegeben. Die eine Gruppe bekam nur fünf bis sechs Stunden Schlaf pro Nacht, während die andere acht bis neun Stunden schlafen durfte. Außerdem berücksichtigten die Forscher den Schlaf-Wach-Rhythmus der Testpersonen, indem sie erfassten, ob eine Person eher Früh- oder Spätaufsteher ist.
Die Probanden wurden dann zufällig Versuchsgruppen zugeordnet, die entweder morgens, mittags oder abends so genannte „trust games“ absolvieren mussten. Dabei konnten die Forscher messen, wieviel Vertrauen die Versuchsteilnehmer ihren Mitmenschen zum jeweiligen Zeitpunkt entgegenbrachten.
Die Ergebnisse zeichneten ein klares Bild: Müdigkeit, verursacht durch Schlafmangel oder aber durch einen ungewohnten Schlafrhythmus, führte zu einem deutlich niedrigeren Grad an zwischenmenschlichem Vertrauen, das als Voraussetzung für prosoziales Verhalten gilt.
In einem ähnlichen Experiment untersuchte Dickinson gemeinsam mit Marco Castillo und Ragan Petrie von der George Mason University, wie sich Schlafmangel auf individuelles Risikoverhalten und die Konsistenz von Entscheidungen auswirkt. Auch hier analysierten die Forscher in Spielsituationen, ob sich ausgeschlafene Versuchsteilnehmer anders verhielten als diejenigen, die ungewohnten Schlafrhythmen ausgesetzt waren. Die Resultate waren ähnlich: Müde Versuchsteilnehmer agierten weniger rational und trafen risikoreichere Entscheidungen als ausgeschlafene.
Schlaf, kognitive Fähigkeiten und Gesundheit
Wie ein aktuelles IZA Discussion Paper von Osea Giuntella (Univeristät Oxford, IZA), Wei Han (Oxford) und Fabrizio Mazzonna (Università della Svizzera Italiana) zeigt, kann der Einfluss mangelnden Schlafs auf die kognitiven Fähigkeiten auch außerhalb des Labors beobachtet werden. Dazu analysierten die Forscher umfangreiche chinesische Bevölkerungsdaten und nutzten den Umstand aus, dass die Sonne aufgrund der breiten Zeitzone Chinas in den unterschiedlichen Landesteilen zu unterschiedlichen Zeiten auf- und untergeht.
Die Idee dahinter: Da der menschliche Körper sehr lichtsensibel ist und im Dunkeln mehr schlafförderndes Melatonin produziert, gehen Menschen in der Regel später ins Bett, wenn die Sonne länger scheint. So zeigt sich auch anhand dieser Daten, dass Schlaf die mentalen und numerischen Fähigkeiten befördert. Personen mit einer Stunde mehr Schlaf schnitten bei kognitiven Tests um 0,4 bis 0,6 Standardabweichungen besser ab. Die Autoren führen dieses Ergebnis in erster Linie auf die unflexiblen Arbeitszeiten der Stadtbevölkerung zurück, die sich nicht nach der biologischen Uhr der Menschen richten.
In einer ähnlichen Studie ermittelten Guintella und Mazzonna, dass US-Amerikaner eher zu Übergewicht und einem schlechteren Gesundheitszustand neigen, wenn sie ganz im Osten einer Zeitzone leben und daher bei gleichen Arbeitszeiten tendenziell später ins Bett gehen als die Menschen am westlichen Ende der gleichen Zeitzone. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass bei vielen Menschen die biologische Zeit nicht mit der sozialen Zeit im Einklang steht. Dieses Missverhältnis wird durch Verhaltensweisen wie spätes Abendessen und Bewegungsmangel zusätzlich verstärkt.
Den Gesundheitseffekten der Sommerzeit widmen sich Lawrence Jin (Cornell University) und IZA-Fellow Nicolas R. Ziebarth (beide Cornell University) in ihrem IZA Discussion Paper, das die Anzahl von Krankenhausaufenthalten in Deutschland und den USA untersucht. Während die Umstellung von Winter- auf Sommerzeit praktisch keine Auswirkungen hat, stellt sich bei der umgekehrten Umstellung ein positiver Effekt ein. Ein bis vier Tage nach der Zeitumstellung, bei der eine Stunde „gewonnen“ wird, gehen die Einlieferungen ins Krankenhaus um acht Personen pro 100.000 zurück.
Schlaf und Schule
Das frühe Aufstehen wird vor allem für Schulkinder im Teenageralter häufig zur Qual. Wie sich Schlafmangel durch zu frühen Schulbeginn auf die Lernleistung auswirkt, wurde bereits in zahlreichen Studien untersucht. Die wichtigsten Erkennnisse fasst ein aktueller IZA World of Labor Artikel von Teny Maghakian Shapiro (Santa Clara University) zusammen.
Die Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Jugendliche, bei denen die Schule morgens erst später beginnt, bessere Noten erzielen, emotional stabiler sind und sogar weniger Autounfälle verursachen. Shapiro plädiert daher für einen späteren Schulbeginn, auch wenn damit durchaus nennenswerte Kosten verbunden wären.
Schlaf und Arbeitsmarkt
Dass sich Schlafmangel negativ auf die individuelle Arbeitsleistung auswirkt, wurde in zahlreichen Studien bereits belegt. Christian Pfeifer (Leuphana University Lüneburg) wechselt die Perspektive und analysiert, wie sich Arbeitsbedingungen auf die Schlafqualität auswirken: Arbeitnehmer, die ihr Gehalt als unangemessen oder unfair empfinden, schlafen öfter schlecht [lesen Sie mehr].