In vielen Industrienationen haben Unternehmen aktuell große Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen. Zu den Gründen zählen restriktive Einwanderungsregelungen, der bevorstehende Renteneintritt der Babyboomer-Generation sowie pandemiebedingte Job- und Branchenwechsel.
Eine naheliegende Strategie, dem Arbeitskräftemangel zu begegnen, ist die zunehmende Automatisierung von Produktionsschritten, etwa durch den Einsatz von Industrierobotern. Bislang ist jedoch wissenschaftlich kaum belegt, inwieweit ein knappes Arbeitsangebot zu mehr Automatisierung führt, da ein kausaler Zusammenhang in der Praxis schwer nachzuweisen ist.
Ein aktuelles IZA-Forschungspapier von Katja Mann und Dario Pozzoli zeigt nun erstmals auf Basis umfangreicher dänischer Daten, dass zufällig auftretende Schwankungen im lokalen Arbeitsangebot des Niedriglohnsektors tatsächlich Auswirkungen auf die Einführung von Robotertechnik in den örtlichen Unternehmen haben.
Die zentrale Hypothese der Studie lautet: Der Zustrom von Arbeitsmigranten aus nicht-westlichen Ländern seit den 1980er Jahren hat das Angebot an geringqualifizierten Arbeitskräften erhöht, was die Arbeitskosten und damit auch den Automatisierungsdruck in Unternehmen verringert hat. In Gemeinden mit hoher Zuwanderung müssten demnach weniger Roboter in Betrieb gegangen sein – und umgekehrt.
Um einen solchen kausalen Zusammenhang zu belegen, nutzten die Forschenden den Umstand, dass Zuwanderer bevorzugt dort hinziehen, wo bereits viele Menschen aus ihrem Heimatland leben und arbeiten. In Dänemark ließen sich viele nicht-westliche Zuwanderer in Gemeinden nieder, wo Landsleute zuvor nach einem staatlichen Verteilungsschlüssel für Geflüchtete – ohne Berücksichtigung ökonomischer Kriterien – angesiedelt worden waren. Dementsprechend „zufällig“ wirkte sich ein verstärkter Zustrom von Niedriglohn-Kräften auf die lokalen Arbeitsmärkte aus.
So konnten die Autoren ermitteln, dass eine Zunahme des Anteils nicht-westlicher Migranten um einen Prozentpunkt die Wahrscheinlichkeit, dass ein in der betreffenden Gemeinde ansässiges Unternehmen Roboter einsetzt, um sieben Prozent verringert. Zudem importieren Unternehmen weniger oder billigere Robotertechnik, wenn der Anteil nicht-westlicher Arbeitskräfte höher ist. Bei steigendem Lohnniveau unter den Migranten nimmt der Automatisierungsdruck wiederum zu, was ebenfalls die Hypothese der „Substituierbarkeit“ stützt.
Vor dem Hintergrund des zunehmenden Arbeitskräftemangels legen die Forschungserkenntnisse nahe, dass sich die Automatisierungstendenzen auch in Deutschland in den nächsten Jahrzehnten massiv verstärken könnten, sofern es nicht gelingt, das Arbeitsangebot durch Zuwanderung adäquat zu ergänzen. Für die Autoren ist der Befund daher auch ein Auftrag an die Bildungspolitik, künftige Berufseinsteiger in die Lage zu versetzen, mit technologischer Unterstützung zu arbeiten, statt gegen die Technologie zu konkurrieren.