Die Vergabepraxis für die begehrten Studienplätze an US-Eliteuniversitäten steht nicht erst seit dem jüngsten Bestechungsskandal in der Kritik. Denn Kinder von Absolventen, Geldgebern und Fakultätsmitgliedern erhalten auch ganz legal Vorrang in den Auswahlverfahren der teuren Privatunis.
Angesichts des verschärften Wettbewerbs um knappe Studienplätze haben daher viele qualifizierte Bewerber ohne persönliche Verbindungen das Nachsehen. Zwar werden auch Leistungssportler bevorzugt aufgenommen, doch je nach Sportart stammen diese ebenfalls häufig aus privilegierten Elternhäusern.
Zahlen erstmals veröffentlicht
Im Rahmen eines Gerichtsprozesses wurden jetzt detaillierte Daten zum Bewerberpool und der Vergabepraxis an der Harvard-Universität publik. In zwei aktuellen IZA-Forschungspapieren werten Peter Arcidiacono, Josh Kinsler und Tyler Ransom diese Daten aus, um Erkenntnisse über das Ausmaß und die Folgen der Vorzugsbehandlung zu gewinnen.
Zunächst zeigt sich, dass die Bewerbungen von Absolventenkindern und Leistungssportlern über einen Zeitraum von 18 Jahren relativ konstant geblieben sind, während die Zahl der Studienplatzbewerber aus anderen Gruppen massiv zugenommen hat (siehe Grafik).
Dennoch entfallen nach wie vor knapp 25 Prozent der neu vergebenen Studienplätze auf die beiden privilegierten Gruppen, die inzwischen mit neunmal höherer Wahrscheinlichkeit (gegenüber viermal höherer Wahrscheinlichkeit im Jahr 2000) aufgenommen werden als andere Bewerber.
Zugleich hat das akademische Niveau der privilegierten Bewerber offenbar abgenommen: Der Anstieg der Immatrikulationsquote von 80 auf 90 Prozent legt nahe, dass die Studienanfänger weniger Alternativangebote anderer Universitäten haben als früher.
Ethnische Vielfalt gebremst
Darüber hinaus belegen die Autoren, dass die ethnische Vielfalt an der Harvard-Universität heute größer wäre, wenn der relative Vorteil der bevorzugten Bewerbergruppen nicht im Zeitverlauf zugenommen hätte.
Bei den Studienanfängern mit weißer Hautfarbe betrug der Anteil privilegierter Bewerber zuletzt 43 Prozent, während er bei den Kommilitonen anderer Ethnien unter 16 Prozent lag. Absolventenkinder machen dabei den Großteil aus, gefolgt von Leistungssportlern und Familienangehörigen von Geldgebern. Kinder von Fakultätsmitgliedern fallen hingegen kaum ins Gewicht.
Nach den Berechnungen der Forscher wären fast drei Viertel der privilegierten weißen Studienanfänger ohne die Zugehörigkeit zu einer dieser Gruppen nicht aufgenommen worden.
Zwar sehen die Autoren auch Vorteile im „ganzheitlichen“ Ansatz des Harvard-Auswahlverfahrens, bei dem neben Schulnoten, Lehrerempfehlungen und sportlichen Leistungen auch Persönlichkeit und freiwilliges Engagement berücksichtigt und im persönlichen Gespräch überprüft werden. Diese Praxis habe insgesamt dazu beigetragen, die ethnische Vielfalt der Gesellschaft besser widerzuspiegeln als ein rein leistungsorientiertes Auswahlverfahren.
Allerdings hänge die Chancengleichheit innerhalb der ethnischen Gruppen stark davon ab, auf welche Kriterien die Universität neben der akademischen Befähigung besonderen Wert lege.
Eine ausführlichere Zusammenfassung mit weiteren Grafiken finden Sie hier in englischer Sprache.