Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns zum 1. Januar 2015 war nach der Agenda 2010 die wohl bedeutendste Arbeitsmarktreform der letzten 20 Jahre in Deutschland. Durch das relativ hohe Eingriffsniveau – etwa vier Millionen Erwerbstätige (11 Prozent) verdienten vor der Einführung weniger als die neue Bruttolohnuntergrenze von 8,50 Euro pro Stunde – und die nahezu umfassende Gültigkeit waren Hoffnungen und Befürchtungen gleichermaßen groß und viele Fragen zu den Wirkungen offen.
Fast zwei Drittel aller mindestlohnberechtigten Beschäftigten, die vor der Einführung weniger als 8,50 Euro pro Stunde verdient hatten, waren weiblich. Ob Frauen daher in besonderem Maße vom Mindestlohn profitiert haben, untersuchen Marco Caliendo und Linda Wittbrodt in einem aktuellen IZA-Forschungspapier. Da Deutschland gemessen an der Kaufkraft einen der höchsten Mindestlöhne Europas und zugleich ein besonders hohes Lohngefälle zwischen den Geschlechtern aufweist, sind die Ergebnisse auch im internationalen Kontext von Interesse.
Die Studie basiert auf der Verdienststrukturerhebung mit Daten zu einer Million Beschäftigungsverhältnissen in 60.000 Betrieben. Um den Effekt des Mindestlohns auf das Lohngefälle für anspruchsberechtigte Beschäftigte zu untersuchen, verglichen die Forschenden einzelne Regionen mit unterschiedlich hohem Anteil an Frauen, die vor der Einführung des Mindestlohns weniger als 8,50 Euro pro Stunde verdient hatten.
Die Analyse für die Jahre 2014 und 2018 zeigt: In stark vom Mindestlohn betroffenen Regionen reduzierte sich die Lohnlücke der Anspruchsberechtigten am 10. Perzentil der Lohnverteilung im Vergleich zu weniger stark betroffenen Regionen um 4,6 Prozentpunkte – das entspricht beachtlichen 32 Prozent des bestehenden Gender Wage Gaps. Am 25. Perzentil betrug die Verringerung des Lohngefälles durch die Einführung des Mindestlohns immer noch 18 Prozent, während sie für den Mittelwert mit 11 Prozent etwas geringer ausfiel.
Demnach ist der Mindestlohn ein durchaus effektives Instrument, um die geschlechtsspezifische Lohnungleichheit zumindest in den unteren Einkommensgruppen abzubauen. Zwar bezieht die Studie mögliche Beschäftigungseffekte nicht mit ein. Aus anderen Untersuchungen ergeben sich jedoch keine Hinweise darauf, dass Frauen stärker als Männer von Jobverlusten infolge der Mindestlohneinführung betroffen waren, was den Gender Wage Gap künstlich verringert hätte.