Bis ausreichend Impfstoff für die gesamte Bevölkerung bereitsteht, bleibt die Reduzierung sozialer Kontakte wohl die wirksamste Strategie gegen die weitere Ausbreitung der Pandemie. Die Einhaltung der Kontaktbeschränkungen erfordert neben Gemeinschaftssinn und staatlicher Kontrolle auch die Möglichkeit, Grundbedürfnisse von zu Hause aus zu decken. Wer nicht im Homeoffice arbeiten oder sich keine Essenslieferungen leisten kann, mag Ausgangsbeschränkungen („stay-at-home orders“) daher als besonders unfair erachten, was die Akzeptanz der Maßnahmen gefährdet.
Ein aktuelles IZA-Forschungspapier von Claudio Deiana, Andrea Geraci, Gianluca Mazzarella und Fabio Sabatini deutet darauf hin, dass sich gezielte staatliche Hilfen für die ärmere Bevölkerung positiv auf die Bereitschaft zur Einhaltung der Kontaktbeschränkungen auswirken. Die Studie nutzt Erkenntnisse aus dem ersten harten Lockdown in Italien, dem damaligen europäischen Epizentrum der Pandemie.
Lebensmittelgutscheine für wirtschaftlich Benachteiligte
Ende März 2020 leitete die italienische Regierung Sofortmaßnahmen ein, um einkommensschwachen Menschen Lebensmittelmarken zur Verfügung zu stellen. Die Autoren analysieren anhand von Mobilitätsdaten, wie sich das Programm auf die Einhaltung der Kontaktbeschränkungen auswirkte. Um einen kausalen Effekt des Hilfsprogramms zu belegen, nutzten die Forscher regionale Unterschiede im Leistungsumfang, der sich nach dem durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen auf Gemeindeebene richtete.
Die Berechnungen (Details siehe englische Textfassung) zeigen, dass die Mobilität umso stärker zurückging, je mehr Mittel die jeweilige Gemeinde aus dem staatlichen Hilfspaket zugewiesen bekam. Da der Effekt nicht allein auf die Gruppe der Begünstigten beschränkt war, vermuten die Forscher, dass die wahrgenommene Fairness der Maßnahmen den „Gesellschaftsvertrag“ zwischen Bürgern und Regierung gestärkt hat, so dass die breite Bevölkerung eher bereit war, sich an die staatlichen Vorgaben zum Social Distancing zu halten.
Nach Einschätzung der Studienautoren können gezielte Hilfen für Bedürftige somit nicht nur die akute wirtschaftliche Not lindern, sondern zugleich eine wichtigen Beitrag zur Eindämmung der Pandemie leisten.