Inwieweit der Trend zum Homeoffice auch nach Corona anhält, hängt vor allem davon ab, wie produktiv es sich von zu Hause arbeiten lässt. Allerdings gibt es dazu keine eindeutigen Befunde: Manche Umfragen deuten darauf hin, dass Beschäftige zu Hause produktiver arbeiten als im Büro, andere Studien belegen das Gegenteil.
Denn die Produktivität hängt von vielen Faktoren ab. Wichtige Voraussetzungen sind eine geeignete technische Infrastruktur und die Anpassung betrieblicher Abläufe ans mobile Arbeiten. Hinzu kommen aber auch psychologische Auswirkungen des selbstbestimmten Arbeitens auf die Produktivität. Während die größere Autonomie und die eingesparten Pendelzeiten auf manche Menschen beflügelnd wirken, leiden andere unter dem Wegfall der sozialen Kontakte am Arbeitsplatz. Beide Seiten dieser Medaille beleuchtet beispielswese der DGB-Index Gute Arbeit.
Gewissenhafte Menschen sind im Homeoffice häufiger produktiver
Wie stark die Persönlichkeit die Produktivität im Homeoffice beeinflusst, veranschaulicht ein aktuelles IZA-Forschungspapier von Nicolas Gavoille und Mihails Hazans. Die Autoren messen die „Big Five“-Persönlichkeitsmerkmale von mehr als 1700 Befragten in Lettland, die während der Pandemie ausschließlich oder größtenteils von zu Hause aus gearbeitet haben. Lettland eignet sich besonders für diese Art von Untersuchung, da hier im EU-Vergleich ein hohes Potenzial für vermehrtes mobiles Arbeiten besteht.
Insgesamt geben 31 Prozent der Befragten an, im Homeoffice produktiver zu sein. Besonders förderlich ist offenbar das Merkmal „Gewissenhaftigkeit“: Wer hier im oberen Viertel abschneidet, berichtet mit acht Prozentpunkte (also rund ein Viertel) höherer Wahrscheinlichkeit von positiven Erfahrungen im Homeoffice.
Dieser Befund scheint auf den ersten Blick im Widerspruch zu den Ergebnissen eines früheren IZA-Forschungspapiers aus Belgien zu stehen, wonach Personen mit einem höheren Maß an Gewissenhaftigkeit Stellenangebote mit hohem Homeoffice-Anteil weniger attraktiv finden. Die Autoren der lettischen Studie erklären diese Diskrepanz damit, dass es in ihrer Untersuchung nicht um die hypothetische Attraktivität, sondern um tatsächliche Erfahrungen mit dem Homeoffice ging, durch die sich manche Vorbehalte in der Praxis als unbegründet erwiesen haben könnten.
Soziale Kontakte fehlen vor allem extravertierten Menschen im Homeoffice
Insofern überrascht auch nicht, dass das Merkmal „Offenheit für neue Erfahrungen“ ebenfalls mit höherem Produktivätsempfinden und größerer Bereitschaft zum weiteren Arbeiten im Homeoffice nach der Pandemie einhergeht. Anders verhält es sich mit dem Merkmal „Extraversion“, das offenbar im Homeoffice eher zu Produktivitätseinbußen führt.
Unternehmen, die vermehrt mobiles Arbeiten anbieten, sollten daher laut den Forschern ausreichend Möglichkeiten für soziale Kontakte unter den Beschäftigten ermöglichen, um auch den extravertieren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gerecht zu werden. Bei Neueinstellungen könne sich ein Fokus auf Gewissenhaftigkeit lohnen: Denn besonders gewissenhafte Beschäftigte seien laut Studie nicht nur produktiver, sondern dürften im Homeoffice auch weniger Anleitung und Kontrolle durch Vorgesetzte benötigen.
Das Fazit der Forscher: Produktivität und Jobzufriedenheit profitieren von individuellen betrieblichen Homeoffice-Lösungen, die den verschiedenen Persönlichkeiten in der Belegschaft Rechnung tragen.