Chronischer Schlafmangel ist in der modernen Informationsgesellschaft zur Volkskrankheit geworden, mit potenziell weitreichenden Folgen für Gesundheit, Bildung und Arbeitsmarkt. Zwar existieren zahlreiche ökonomische Studien zu den Effekten von Schlafmangel etwa auf die kognitive Leistungsfähigkeit oder die Arbeitsproduktivität. Welche Verhaltensmechanismen die Schlafgewohnheiten beeinflussen, ist bislang jedoch kaum erforscht.
Ein aktuelles IZA-Forschungspapier von Mallory Avery, Osea Giuntella und Peiran Jiao liefert neue Erkenntnisse der experimentellen Wirtschaftsforschung zu den Persönlichkeitsmerkmalen, die Schlafmangel befördern, und zu möglichen Instrumenten, mit denen sich Abhilfe schaffen lässt.
Für ihr Feldexperiment rekrutierten die Forscher 319 Versuchsteilnehmer an den Universitäten Oxford und Pittsburgh. Die Probanden erhielten Fitnesstracker zur Aufzeichnung von Schlafphasen, körperlicher Aktivität und Herzfrequenz über einen Zeitraum von acht Wochen. Zudem mussten sie Tagebuch über ihre Aktivitäten führen.
Selbstgesteckte Ziele
Die Teilnehmer sollten ihr eigenes Schlafverhalten einschätzen und konnten sich ein persönliches Wochenziel setzen, um Dauer und Regelmäßigkeit ihres Schlafs zu verbessern. Erhielten sie für das Erreichen ihres selbstgesteckten Ziels eine monetäre Belohnung, kamen sie mit 19% höherer Wahrscheinlichkeit auf die empfohlene Schlafdauer von sieben bis neun Stunden. Die Wahrscheinlichkeit, weniger als sechs Stunden zu schlafen, reduzierte sich um 23%. Dieser Effekt lag selbst mehrere Wochen nach Auslaufen der Anreize noch bei 16%.
Zudem schliefen die Probanden regelmäßiger. Die Befragungsergebnisse deuten darauf hin, dass sich auch die körperliche Gesundheit und die universitären Leistungen der Teilnehmer verbesserten.
Weniger Bildschirmzeit
Den Tagebucheinträgen zufolge ging das höhere Schlafpensum nicht auf Kosten von Lernpensum, Arbeitszeit, Körperpflege, Sport oder Sozialleben. Vielmehr reduzierte sich in erster Linie die am Fernseher, Computer oder Smartphone verbrachte Freizeit. Bei den Versuchsteilnehmern mit finanziellen Anreizen ging die Bildschirmzeit nach 20 Uhr, die als schädlich für die Schlafqualität gilt, um 48% zurück.
Aus Befragungen zu den Zeit- und Risikopräferenzen konnten die Forscher ermitteln, welche Formen der „kognitiven Verzerrung“ die Schlafgewohnheiten beeinflussen. Zum einen neigen Menschen mit einem Hang zur Selbstüberschätzung dazu, ihr Schlafverhalten zu optimistisch einzuschätzen und sich zu hohe Ziele zu stecken.
Darüber hinaus sorgt der sogenannte „Present Bias“ – die stärkere Fokussierung auf die Gegenwart als auf die Zukunft – dafür, dass gute Vorsätze nicht eingehalten werden. Gerade Menschen mit diesen Merkmalen helfen Anreize zur verbindlichen Selbstverpflichtung, ihre Schlafgewohnheiten zu verbessern, schlussfolgern die Autoren.
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