Die bezahlte Elternzeit ist eine der wichtigsten familienpolitischen Maßnahmen zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Doch je großzügiger die staatlichen Elternzeitregelungen ausfallen, desto umstrittener ist die Frage nach ihrem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kosten-Nutzen-Verhältnis.
Beispielsweise bewertete ein IZA-Forschungspapier aus Norwegen die Verdopplung der bezahlten Elternzeit als steuerfinanzierte Freizeit-Subvention für die gehobene Mittelschicht ohne messbare positive Auswirkungen für Mütter oder deren Kinder. Demgegenüber attestiert eine Studie aus Dänemark der verlängerten Elternzeit positive Effekte auf die kindliche Entwicklung. Diese wiederum kann eine Untersuchung aus Frankreich nicht bestätigen und sieht zudem die Gefahr einer Retraditionalisierung der familiären Rollenverteilung.
Ein aktuelles IZA-Forschungspapier aus Deutschland nimmt nun ein weiteres Argument gegen großzügige Elternzeitregelungen unter die Lupe: die potenziellen Mehrbelastungen gerade für kleinere und mittelgroße Unternehmen, die sich um Elternzeitvertretungen kümmern oder ihre betrieblichen Abläufe umstellen müssen. Für die Studie werteten Mathias Huebener, Jonas Jessen, Daniel Kuehnle and Michael Oberfichtner umfangreiche Daten der Integrierten Erwerbsbiografien (IEB) aus.
Mehr Neueinstellungen vor der Elternzeit, aber kein vollständiger Ersatz
Dabei zeigt sich in den betrachteten Unternehmen zunächst eine deutliche Zunahme der Neueinstellungen etwa sechs Monate vor dem prognostizierten Geburtstermin. Rein rechnerisch ersetzte das zusätzliche Personal jedoch nur ein Drittel der Mütter, die in Elternzeit gingen. Höher fällt die Ersatzquote dann aus, wenn es im Unternehmen weniger Personen mit einem ähnlichen Aufgabenspektrum gibt, was eine interne Umverteilung der Aufgaben tendenziell erschwert.
Ein Großteil der Neueinstellungen vor der Elternzeit weist die gleichen demografischen Merkmale auf wie Mütter – sprich: es handelt sich überwiegend um junge Frauen. Bemerkenswert ist, dass viele von ihnen auch nach der Rückkehr der Mütter im Unternehmen bleiben. Die Übernahme einer Elternzeitvertretung scheint also durchaus als wichtiges Sprungbrett in eine dauerhafte Beschäftigung zu dienen.
Keine langfristigen Auswirkungen verlängerter Elternzeit
Die Studie untersucht zudem die Auswirkungen der Elterngeldreform von 2007, durch die auch besserverdienende Mütter in den Genuss einer höher bezahlten Elternzeit kamen. Zwar verzögerte sich dadurch die durchschnittliche Rückkehr der Mütter ins Unternehmen – insbesondere bei kleineren Belegschaften, wo vor der Reform eher kurze geburtsbedingte Auszeiten üblich waren. Hinweise auf dauerhafte Karrierenachteile durch die verlängerte Elternzeit fanden die Forscher jedoch nicht.
Auch auf Unternehmensseite waren in den Daten keine langfristigen negativen Effekte erkennbar. Während der längeren Elternzeit ging die Beschäftigtenzahl zurück, was darauf hindeutet, dass die Abwesenheit der Mütter nicht vollständig durch zusätzliche Neueinstellungen kompensiert wird. Langfristig gab es jedoch weder Auswirkungen auf Belegschaftsgröße oder Lohnsumme, noch auf die Wahrscheinlichkeit von Betriebsschließungen.
Einstellungschancen junger Frauen nicht zusätzlich beeinträchtigt
Die Analyse liefert außerdem keinerlei Hinweise darauf, dass Unternehmen im Vergleich zum Zeitraum vor der Einführung des Elterngeldes die Einstellung junger Frauen vermehrt scheuen würden, um das Risiko mutterschaftsbedingter Personalengpässe zu verringern. Selbst in Unternehmen mit kleinen Teams, bei denen eine interne Umschichtung der Aufgaben tendenziell schwieriger ist, ließ sich keine diesbezügliche Veränderung in der Zusammensetzung der Belegschaft feststellen.
Insgesamt scheinen die zusätzlichen Herausforderungen für Unternehmen, die sich aus längeren Elternzeitabwesenheiten ergeben, überschaubar zu sein. Eine mögliche Erklärung könnte nach Einschätzung der Forscher darin liegen, dass Firmen bereits mit der Mutterschaft ihrer Beschäftigten einen größeren Reorganisationsbedarf haben, da Mütter üblicherweise in Teilzeit zurückkehren. Eine spätere Rückkehr an den Arbeitsplatz dürfte daher im Verhältnis weniger stark ins Gewicht fallen. Zudem sind die Abwesenheiten der Frauen für Unternehmen durch die mehrmonatige Vorlaufzeit bis zur Elternzeit gut planbar, so dass sich Unternehmen mit betrieblichen Anpassungsprozessen auch darauf einstellen können.