Unter der Corona-Krise mit inzwischen über 500.000 Toten weltweit leidet auch die öffentliche Aufmerksamkeit für andere drängende gesellschaftliche Herausforderungen wie Klimawandel und Umweltverschmutzung. Dabei besteht laut einem aktuellen IZA-Forschungspapier von Ingo E. Isphording und Nico Pestel ein bemerkenswerter Zusammenhang zwischen Umweltproblemen und den gesundheitlichen Folgen der Pandemie.
Nach den Erkenntnissen der IZA-Wissenschaftler erhöht eine stärkere lokale Luftverschmutzung die Zahl der mit COVID-19 assoziierten Todesfälle deutlich. Die Autoren nennen dafür zwei mögliche Wirkungskanäle: Zum einen führt die Schadstoffbelastung zu Entzündungsreaktionen und schwächeren Immunantworten auf neue Infektionen, was den Krankheitsverlauf verschlimmert. Zum anderen legen Studien nahe, dass eine höhere Luftverschmutzung die Verweildauer des Virus an der frischen Luft verlängert, wodurch die Zahl der Infektionen zunimmt.
Für ihre Analyse verknüpften die Forscher Daten zur lokalen Luftbelastung deutscher Landkreise und kreisfreier Städte durch Feinstaub (PM10) vor und nach Krankheitsbeginn mit der täglichen Zahl der Todesfälle und neu bestätigten COVID-19-Infektionen zwischen Anfang Februar und Ende Mai. Den kausalen Effekt der Luftverschmutzung konnten die Autoren bestimmen, indem sie sich auf die kurzfristigen Veränderungen der Luftverschmutzung innerhalb eines Kreises konzentrierten, statt Korrelationen im Querschnitt zu betrachten.
Abb. 1: Tageswerte für neu bestätigte COVID-19-(Todes-)Fälle und Luftverschmutzung
Abbildung 1 beschreibt den Grad der Luftverschmutzung im Verlauf der Pandemie in Deutschland. Entgegen der verbreiteten Einschätzung, der Corona-bedingte Rückgang des Verkehrsaufkommens und der Wirtschaftsaktivität habe die Luft sauberer gemacht, blieb die Feinstaubbelastung auf hohem Niveau und erreichte Ende März sogar ihren Höhepunkt. Schuld daran sind die Witterungsbedingungen: Fast zeitgleich mit den Corona-Beschränkungen kam es in Deutschland zu einem plötzlichen Abfall der Niederschlagsmenge und Windgeschwindigkeit, wodurch der Feinstaub länger in der Luft blieb.
Die Regressionsergebnisse zeigen signifikante Auswirkungen der höheren Luftverschmutzung auf die Zahl der Todesfälle pro Tag und Landkreis (Abbildung 2), vor allem bei älteren Patienten. In der Altersgruppe ab 80 Jahren erhöht ein Anstieg der PM10-Konzentration um eine Standardabweichung (6,3 Mikrogramm/m3) drei bis sieben Tage nach Krankheitsbeginn die Zahl der Todesfälle bei männlichen Patienten um 30 Prozent des Ausgangsmittelwerts. Bei den weiblichen Patienten zeigt sich ein ähnliches Bild.
Abb. 2: Auswirkung der Feinstaubbelastung auf die Zahl neuer COVID-19-Todesfälle
Die Autoren schließen daraus, dass sich die Sterblichkeitsrate von COVID-19 möglicherweise verringern ließe, indem ältere Risikopatienten in Gebiete mit besserer Luftqualität verlegt werden. Die Implikationen der Studie könnten noch an Relevanz gewinnen, wenn sich die Pandemie in den weniger entwickelten Weltregionen ausbreitet. Denn dort sind die Gesundheitsrisiken durch Luftverschmutzung besonders hoch, weil fossile Brennstoffe noch häufig zum Kochen und Heizen, auch in Innenräumen, verwendet werden und es zugleich an hochwertiger medizinischer Versorgung mangelt.