Ein aktuelles IZA-Forschungspapier von Zohal Hessami und Temurbek Khasanboev zeigt, wie Krisen geschlechtsspezifische Vorurteile bei der Wiederwahl von Politikern verschärfen. Die Forschenden zeigen anhand von Daten der hessischen Kommunalwahlen im März 2021, dass weibliche Stadt- bzw. Gemeinderäte für die Corona-Politik deutlich häufiger abgestraft wurden als ihre männlichen Kollegen.
Frauen zahlen den doppelten Preis an der Wahlurne
Obwohl Kommunalpolitiker keine direkte Verantwortung für das Pandemiemanagement trugen, beeinflussten die lokalen COVID-19-Todesraten spürbar das Wahlverhalten. Laut der Studie sanken die Wiederwahlchancen von Amtsinhabern in Gemeinden mit hoher Sterblichkeit. Besonders auffällig: Frauen wurden nahezu doppelt so hart bestraft wie Männer. Bei einer durchschnittlichen Sterblichkeitsrate von einem Todesfall pro 1.000 Einwohner bedeutete jeder zusätzliche Todesfall einen Rückgang der Wiederwahlwahrscheinlichkeit um 4,3 Prozentpunkte für Männer und 7,8 Punkte für Frauen. Andere mögliche Einflussfaktoren auf das Wahlergebnis sind bei der Analyse berücksichtigt.
Das Phänomen der „geschlechtsspezifischen Schuldzuweisungslücke“
Die Forschenden sprechen von der „Gender Blame Attribution Gap“ – einer Lücke in der Schuldzuweisung, die Frauen in Krisen überproportional trifft, unabhängig von ihrem tatsächlichen Einfluss oder ihrer Leistung. Diese Voreingenommenheit wirkt sich langfristig auf die politische Repräsentation aus: Simulationen zufolge dürfte der Anteil weiblicher Vertreter in den kommunalen Gremien über mindestens ein Jahrzehnt hinweg um 3 bis 4 Prozentpunkte geringer bleiben.
Langfristige Folgen für Politik und Gesellschaft
Die Studie weist darauf hin, dass diese geschlechtsspezifischen Verzerrungen handfeste Auswirkungen auf politische Entscheidungen haben können. Besonders in kleinen Gremien, in denen selbst eine einzige weibliche Vertreterin einen Unterschied machen kann – etwa bei der Bereitstellung öffentlicher Güter wie Kinderbetreuung – wiegt dieser Verlust schwer.