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IZA – Institute of Labor Economics

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Sind Ex-Häftlinge loyalere Mitarbeiter?

October 29, 2018 by admin

Wer nach Verbüßen einer Haftstrafe eine neue Anstellung findet, bleibt dem Arbeitgeber tendenziell länger erhalten. Laut einer im IZA Journal of Labor Policy veröffentlichten Studie gilt dies inbesondere im Verkaufs- und Kundenservice. Für die Unternehmen könnten sich dadurch die Kosten der Mitarbeiterfluktuation reduzieren.

Um einen möglichen Zusammenhang zwischen Vorstrafen, Arbeitsleistung, Betriebszugehörigkeit und Verhalten am Arbeitsplatz zu untersuchen, werteten Forscher der Northwestern University Daten zu rund 60.000 Callcenter-Mitarbeitern in den USA aus. Vorbestrafte Angestellte blieben den Unternehmen demnach um durchschnittlich 19 Tage länger treu als Beschäftigte ohne kriminellen Hintergrund.

Gerade in dieser Branche sei die Fluktuation besonders hoch, was für die Arbeitgeber hohe Rekrutierungs- und Einarbeitungskosten bedeute, erklären die Studienautoren. Die Einstellung ehemaliger Straftäter könnte somit ein bislang unterschätztes Produktivitätspotenzial darstellen.

Geringere Arbeitsmarktchancen

Den Autoren zufolge ist die schwierige Arbeitsmarktsituation für Jobsuchende mit Vorstrafen ein Hauptgrund dafür, dass erfolgreiche Stellenbewerber seltener aus eigenem Antrieb kündigen. Zudem fühlten sich Ex-Häftlinge ihren neuen Arbeitgebern, die ihnen eine „zweite Chance“ geben, häufig in besonderer Weise verpflichtet. Aus gesellschaftlicher Sicht sei die erfolgreiche Wiedereingliederung ehemaliger Straftäter in den Arbeitsmarkt entscheidend, um die hohen Rückfallquoten zu verringern.

Gleichwohl weisen die Forscher darauf hin, dass die Neueinstellung ehemaliger Straftäter nicht ohne Risiko ist, zumindest bei Tätigkeiten im Verkauf: Hier liege die Wahrscheinlichkeit für ein Fehlverhalten wie Diebstahl am Arbeitsplatz bei Ex-Häftlingen um 34% höher als bei Mitarbeitern ohne Vorstrafen. Finanziell betrachtet profitierten die Arbeitgeber dennoch: Den statistisch zu erwartenden Zusatzkosten durch Diebstahl von rund 43 US-Dollar stünden Einsparungen von 746 US-Dollar durch geringere Fluktuationskosten gegenüber.

„Zwar können wir die Vorbehalte von Arbeitgebern nicht vollständig ausräumen, aber unsere Befunde legen nahe, dass die Einstellung vorbestrafter Stellenbewerber nicht nur aus moralischen Erwägungen, sondern auch unter Effizienzaspekten sinnvoll sein kann“, erklärt Koautorin Deborah Weiss. Die positiven Ergebnisse der Studie seien jedoch nicht notwendigerweise auf andere Branchen und Stellenprofile übertragbar.

Filed Under: Research Tagged With: call center, criminal record, job prospects, job tenure, productivity, sales jobs, service jobs, turnover

Fördern und Fordern: Schnelle Erfolge auf Kosten langfristiger Jobstabilität?

October 5, 2018 by admin

Arbeitslose möglichst schnell wieder in Beschäftigung zu bringen ist ein Kernziel der aktiven Arbeitsmarktpolitik. In vielen Ländern hat sich inzwischen das Prinzip „Fördern und Fordern“ etabliert: Einerseits werden Arbeitslose durch gezielte Betreuung bei der Jobsuche unterstützt, andererseits wird ein Mindestmaß an Suchanstrengungen konsequent eingefordert. Doch nicht immer führt die erfolgreiche Wiedereingliederung zu nachhaltigen Beschäftigungsverhältnissen, wie zwei aktuelle IZA-Forschungspapiere auf Basis von Schweizer Daten zeigen.

Fordern: Strengere Vorgaben verkürzen die Arbeitslosigkeit

Die Studie von Patrick Arni und Amelie Schiprowski untersucht, wie sich eine höhere Anzahl an monatlich geforderten Bewerbungen auf das Verhalten der Arbeitsuchenden, die Arbeitslosigkeitsdauer und die Wiederbeschäftigungschancen hat. Die Autoren werteten Daten der Schweizer Arbeitslosenversicherung aus den Jahren 2010-2014 aus und nutzen den Umstand, dass die Fallmanager einen gewissen Spielraum im Umgang mit den Bewerbungsvorgaben haben.

So konnte das Forscherteam ermitteln, dass pro zusätzlich geforderter Bewerbung die Arbeitslosigkeitsdauer in Schnitt um drei Prozent zurückging. Insbesondere bei geringqualifizierten und weniger motivierten Jobsuchenden entfalteten die strengeren Anforderungen ihre Wirkung. Allerdings zeigt sich auch ein leichter Rückgang bei der Jobstabilität: Die Dauer der Wiederbeschäftigung nahm pro zusätzlicher Bewerbung um 0,3 Prozent ab. Zudem kam es häufiger zu Sanktionen wegen Verstößen gegen die Mitwirkungspflicht.

Fördern: Bewerbungshilfe wirkt kurzfristig positiv, langfristig negativ

Die Studie von Lionel Cottier, Yves Flückiger, Pierre Kempeneers und Rafael Lalive analysiert ein Förderprogramm in Genf, das Langzeitarbeitslose zunächst im Bewerbungsprozess schulte und sie anschließend konkret bei der Stellensuche unterstützte. Die Programmteilnahme steigerte die Wiederbeschäftigung nach sechs Monaten um rund fünf Prozentpunkte gegenüber Nicht-Teilnehmern.

Innerhalb von einem Jahr verpuffen die positiven Arbeitsmarkteffekte der Maßnahme jedoch wieder. Nach drei Jahren lag die Beschäftigungsquote sogar deutlich unter der von Nicht-Teilnehmern. Die Autoren begründen den Effekt mit der vergleichsweise geringen Qualität der angenommenen Jobs. Dafür spricht auch, dass  auffallend viele der erfolgreich vermittelten Arbeitslosen ihre Beschäftigung wieder beenden, sobald erneut ein Leistungsanspruch besteht.

Beide Studien zeigen, wie wichtig eine langfristige Betrachtung ist, um die Eingliederungserfolge verschiedener Formen aktiver Arbeitsmarktpolitik bewerten zu können.

Filed Under: Research Tagged With: active labor market policies, behavior, employment, Switzerland, unemployment

Längere Schulpflicht senkt die Kriminalität

September 24, 2018 by admin

Wer länger in die Schule geht, wird seltener straffällig. Dafür gibt es zwei mögliche Erklärungen: Zum einen reduziert eine längere Verweildauer im Bildungssystem die Freizeit, also auch die Gelegenheiten zum Begehen von Straftaten. Zum anderen verbessert ein höheres Bildungsniveau langfristig die Arbeitsmarktaussichten, was die Kriminalitätsneigung ebenfalls senken dürfte. Wissenschaftlich kaum untersucht ist bislang das relative Ausmaß dieser Effekte.

In einem aktuellen IZA-Forschungspapier schauen sich Brian Bell, Rui Costa und Stephen Machin  daher beide Mechanismen in Kombination an. Die Forscher analysieren die Auswirkungen einer Reihe von Reformen zur Verlängerung der Schulpflicht in verschiedenen US-Bundesstaaten. Die Studie zeigt, dass es infolge der Reformen nicht nur in der unmittelbar betroffenen Altersgruppe zu weniger Festnahmen kam, sondern dass in dieser Gruppe auch auf längere Sicht die Kriminalitätsneigung abnahm.

Allerdings lassen sich die Langfristeffekte im Gegensatz zu früheren Studien nicht durch bessere Arbeitsmarkteignung erklären, denn Bildungsniveau und Lohnaussichten waren durch die längere Schulpflicht nicht nennenswert gestiegen. Die Autoren führen den Kriminalitätsrückgang daher vorrangig auf einen Effekt zurück, den sie als „dynamic incapacitation“ bezeichnen – vereinfacht gesagt: Wer in jungen Jahren weniger Gelegenheit hat, mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen, gerät auch später nicht so leicht auf die schiefe Bahn.

Filed Under: Research Tagged With: crime, education, education policy, high school dropouts, school leaving age

Elterngeld führt nicht zu mehr Ungleichheit bei der kindlichen Entwicklung

September 21, 2018 by admin

Die Einführung des Elterngeldes im Jahr 2007 hat nicht dazu geführt, dass sich Kinder ungleicher entwickeln als zuvor. Mit dem Elterngeld, das im Gegensatz zum vorherigen Erziehungsgeld nahezu alle Eltern in Anspruch nehmen können und nicht nur bestimmte Einkommensgruppen, verbanden Kritiker die Sorge, dass sich mit Blick auf die Entwicklung von Kindern die soziale Ungleichheit erhöhen würde.

Denn seit der Reform erhalten auch viele Familien mit mittleren und hohen Einkommen durch das Elterngeld nicht unerhebliche staatliche Leistungen im ersten Jahr nach der Geburt ihres Kindes. Somit können nun auch besser gebildete Mütter häufiger und länger vom Job pausieren und damit grundsätzlich mehr Erziehungszeit mit ihren Kindern verbringen.

Doch weder für Kinder bildungsnaher noch für Kinder weniger gebildeter Eltern zeigen sich statistisch signifikante Veränderungen der Elterngeldeinführung auf die kindliche Entwicklung, so das Ergebnis eines aktuellen IZA-Forschungspapiers von Mathias Hübener, Daniel Kühnle und C. Katharina Spieß. Die Studie beruht auf einer Auswertung von Schuleingangsuntersuchungen.

Nach Einschätzung der Autoren ist der Befund insofern eine gute Nachricht, als andere positiv zu beurteilende Effekte des Elterngeldes zumindest nicht durch eine zunehmende Ungleichheit in der kindlichen Entwicklung geschmälert würden.

Weniger alleinerziehende Mütter

Auf einen dieser positiven Effekte weist ein früheres IZA-Forschungspapier von Kamila Cygan-Rehm, Daniel Kühnle und Regina T. Riphahn hin: Da das Elterngeld nur dann beiden Partnern zugutekommt, wenn sie im gemeinsamen Haushalt leben, stieg durch die Reform die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder mit beiden Elternteilen zusammen aufwachsen.

Die Forscher verglichen Kinder, die kurz vor bzw. nach der Einführung des Elterngelds zum 1. Januar 2007 geboren wurden. Zur Kontrolle etwaiger saisonaler Einflüsse betrachteten sie außerdem Kinder gleicher Geburtsmonate. Auf diese Weise ließ sich ein positiver Effekt der Elterngeldreform auf das Zusammenleben der Eltern insbesondere für Familien feststellen, in denen die Mutter vor der Geburt erwerbstätig war und somit finanziell besonders vom Elterngeld profitierte.

Die Ergebnisse legen nahe, dass es sich dabei nicht um einen bloßen Mitnahmeeffekt handelt: Auch nach Ende des Elterngeldanspruchs blieben beide Eltern mit höherer Wahrscheinlichkeit im gemeinsamen Haushalt wohnen. Da Kinder alleinerziehender Mütter in vielen Lebensbereichen – von der Gesundheit bis zum Arbeitsmarkterfolg – benachteiligt sind, sprechen die Befunde dafür, dass die Elterngeldreform langfristig eher zu mehr Chancengleichheit in diesen Bereichen beitragen könnte.

Filed Under: Research Tagged With: child development, Germany, parental leave, single motherhood, socio-economic inequality

Fremdenfeindliche Gewalt verringert Bereitschaft zur Integration im Gastland

September 19, 2018 by admin

In den letzten Jahren haben viele europäische Staaten einen Anstieg von Gewalttaten gegen Zuwanderer verzeichnet. In einem aktuellen IZA Discussion Paper geht Max Steinhardt (Helmut-Schmidt-Universität & IZA) der Frage nach, wie sich diese Gewalt auf die Integration von Zuwanderern auswirkt.

Konkret analysiert er, wie sich ein starker Anstieg fremdenfeindlicher Gewalttaten in den frühen 1990er Jahren auf die Integration von Türken ausgewirkt hat, die damals im Fokus der xenophoben Attacken in Westdeutschland standen. Hierzu verwendet er neben Daten des sozio-oekonomischen Panels auch Medienberichte über Gewaltverbrechen gegen Zuwanderer.

Die Analyse zeigt in einem ersten Schritt, dass die Gewaltverbrechen einen substanziellen negativen Effekt auf die Lebenszufriedenheit von Türken in Deutschland hatten, und zwar unabhängig davon, ob sie persönlich von der Gewalt betroffen waren oder nicht. Ähnliche Zusammenhänge hatte eine vorherige IZA-Studie für die Effekte von globalem Terrorismus nachgewiesen.

Eine weitere Konsequenz war, dass ein steigender Anteil von Zuwanderern beabsichtigte, ins eigene Geburtsland bzw. das der Eltern zurückzukehren oder auszuwandern. Wie die deutsche Gastarbeiterzuwanderung in den 1960er und 1970er Jahren gezeigt hat, können derartige Migrationsabsichten weitreichende Implikationen für Investitionen in Humankapital, etwa Sprache und Bildung, haben.

Insofern ist es nicht überraschend, dass die Gewaltverbrechen auch einen negativen Effekt auf den Spracherwerb von Zuwanderern hatten. So deuten die Ergebnisse des Forschungspapiers darauf hin, dass die im Fokus der Attacken stehenden türkischen Bürger in der Folge ihre Investitionen in die deutsche Sprache im Vergleich zu anderen Migrantengruppen reduzierten.

Insgesamt zeigt die Studie, dass fremdenfeindliche Gewalt ökonomisch relevante Implikationen für die Integration von Zuwanderern haben kann, die über die unmittelbaren Folgen für die direkt von der Gewalt betroffenen Opfer hinausgehen.

Filed Under: Research

„Ehe für alle“ fördert Toleranz gegenüber sexuellen Minderheiten

September 18, 2018 by admin

Können neue Gesetze die Einstellungen der Menschen verändern, oder spiegeln sie vielmehr veränderte gesellschaftliche Normen wider? Dieser Frage gehen Cevat Giray Aksoy, Christopher Carpenter, Ralph De Haas und Kevin Tran am Beispiel der Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften nach. Anhand umfangreicher Befragungsdaten des European Social Survey aus 32 europäischen Ländern untersuchen die Autoren in einem aktuellen IZA-Forschungspapier, inwieweit die schrittweise eingeführten gesetzlichen Regelungen zur „Ehe für alle“ zu mehr Toleranz gegenüber sexuellen Minderheiten beigetragen haben.

Im untersuchten Zeitraum von 2002 bis 2016 war die Zustimmung zur Aussage „Schwule und Lesben sollten ihr Leben so führen dürfen, wie sie es wollen“ unter den Befragten insgesamt um rund zehn Prozentpunkte gestiegen. Da der Zeitpunkt und das Ausmaß der gesetzlichen Regelungen zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften in den jeweiligen Ländern variierten, konnten die Forscher ermitteln, dass rund ein Drittel dieses Anstiegs unmittelbar auf die Gesetzgebung zurückzuführen ist.

Für eine direkte Wirkung der Politikmaßnahmen spricht auch, dass sich die Einstellungen der Menschen in anderen gesellschaftspolitischen Fragen, etwa zu Migranten und anderen Minderheiten, nicht in gleichem Maße verändert haben. Eine gesteigerte Toleranz gegenüber sexuellen Minderheiten lässt sich wiederum in den unterschiedlichsten demografischen Gruppen beobachten.

Mobbing in Schule und Arbeitswelt

Dennoch sind Angehörige sexueller Minderheiten auch weiterhin gravierenden Benachteiligungen in diversen gesellschaftlichen Kontexten – etwa auf den Wohnungs- und Arbeitsmärkten – ausgesetzt. Dass mangelnde Akzeptanz durch das soziale Umfeld weitreichende Folgen für den individuellen Lebensweg haben, legt ein weiteres aktuelles IZA-Forschungspapier von Nick Drydakis nahe.

Seine Analyse britischer Daten zeigt, dass Schwule und Lesben, die bereits im Schulalter gemobbt wurden, tendenziell geringere Bildungsabschlüsse erzielen und (insbesondere Männer) in schlechter bezahlten Jobs landen. In vielen Fällen setzt sich die Mobbing-Erfahrung zudem am Arbeitsplatz fort.

Weitere Erkenntnisse der internationalen Forschung zu Diskriminierung und Jobzufriedenheit hat Drydakis in einem Artikel für die IZA World of Labor zusammengefasst.

Filed Under: Research

Schulreformen und sozioökonomische Ungleichheit in Deutschland

September 17, 2018 by admin

Das schlechte Abschneiden bei der PISA-Studie führte im Jahr 2000 zu heftigen Diskussionen über das deutsche Schulsystem und lieferte den Anstoß für zahlreiche politische Reformen in den Ländern. Unter anderem durch mehr Standardisierung, Zentralisierung und Evaluierung, aber auch mehr Autonomie für Schulen ist es gelungen, das durchschnittliche schulische Leistungsniveau zu steigern und zugleich das soziale Gefälle zu verringern. Dazu beigetragen haben auch die Förderung der frühkindlichen Bildung sowie die faktische Abschaffung der stigmabehafteten Hauptschulen. Dennoch hängt der individuelle Bildungserfolg in Deutschland weiterhin stark vom Elternhaus ab.

Maddalena Davoli und Horst Entorf von der Goethe-Universität Frankfurt fassen die Entwicklung in einem aktuellen IZA Policy Paper zusammen und bewerten die Reformeffekte.

Während die Lücke zwischen Kindern von Eltern mit hohem bzw. geringem Bildungsniveau noch 2009 deutlich über dem Durchschnitt der OECD-Länder lag, ist sie seit 2012 in den drei Kompetenzbereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften unter den OECD-Durchschnitt gefallen.

Überdurchschnittlich groß bleibt im internationalen Vergleich hingegen das Bildungsgefälle bei Schülern mit Migrationshintergrund.

Die Autoren machen dafür in erster Linie mangelnde Sprachkenntnisse verantwortlich, die in vielen Fällen dem Wechsel aufs Gymnasium entgegenstehen. Die frühe Aufteilung auf die weiterführenden Schulformen trägt laut Studie dazu bei, dass dieser Rückstand meist nur schwer aufzuholen sei.

Auch wenn sich der aufrüttelnde Effekt des PISA-Schocks für Deutschland als durchaus hilfreich erwiesen hat, weisen die Autoren auf zahlreiche kritische Stimmen gegenüber dieser Art von Leistungsvergleich hin. Die Institution Schule würde dadurch zunehmend aus rein ökonomischer Sicht im Sinne ihrer arbeitsmarktvorbereitenden Funktion betrachtet. So sagten die Ergebnisse nichts darüber aus, ob es gelänge, Schüler zu mündigen Bürgern zu erziehen, demokratische Werte zu vermitteln und moralisches Handeln zu fördern.

Filed Under: Research Tagged With: achievement, education, education policy, Germany, inequality, migration background, PISA, reforms, school

Veränderte Wählerstruktur durch Zuwanderung kann Umverteilung fördern

August 30, 2018 by admin

Ein großzügiger Sozialstaat gilt in der öffentlichen Wahrnehmung oft als Magnet für geringqualifizierte Zuwanderer, die vermeintlich kaum Steuern zahlen, aber von umfangreichen öffentlichen Leistungen profitieren. Mehr Zuwanderung könnte demnach das heimische Wahlvolk veranlassen, von der Politik weniger Umverteilung zu fordern – potenziell auch zum Nachteil ärmerer Landsleute.

Was aber, wenn Migranten selbst an der Wahlurne mitentscheiden können? Dieser Frage widmet sich eine aktuelle IZA-Studie von Arnaud Chevalier, Benjamin Elsner, Andreas Lichter und Nico Pestel. Das Forscherteam untersuchte am Beispiel westdeutscher Städte in der Nachkriegszeit, wie sich die kommunale Steuer- und Ausgabenstruktur infolge des Zustroms von Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten verändert hat.

Wahlrecht und Sozialleistungen

Durch die Aufnahme von rund acht Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg wuchs die westdeutsche Bevölkerung binnen kurzer Zeit um fast 20%, wobei der Migrantenanteil regional zwischen rund 2% und 40% stark variierte. Als deutsche Staatsangehörige waren die überwiegend mittellosen Neubürger unmittelbar nach ihrer Ankunft wahlberechtigt und hatten vollen Anspruch auf Sozialleistungen.

Die Datenanalyse zeigt, dass die Kommunalpolitik mit selektiven, dauerhaften Steuererhöhungen sowie Umschichtungen bei den öffentlichen Leistungen reagierte. Landbesitzer und Gewerbetreibende wurden stärker belastet, während die Steuern auf Wohnimmobilien und Arbeitseinkommen unverändert blieben. Städte mit hohem Flüchtlingszustrom gaben mehr Geld für Sozialleistungen aus und sparten dafür an Infrastruktur und Wohnungsbau.

Langfristige Effekte

Die ebenfalls untersuchten Wahlergebnisse deuten darauf hin, dass die Veränderungen der Umverteilungspolitik zumindest teilweise auf den direkten Einfluss der Migranten zurückgehen: In Regionen mit hohem Zuzug stellten die großen Parteien häufiger Vertriebene als Kandidaten auf, und die Vertriebenenpartei (GB / BHE) erzielte vergleichsweise hohe Stimmenanteile. Selbst fünf Jahrzehnte später sind die politischen Präferenzen für Umverteilung nach wie vor dort besonders ausgeprägt, wo nach dem Krieg besonders viele Vertriebene aufgenommen wurden.

Auch wenn sich die Sondersituation der Zuwanderung von Staatsbürgern nicht unmittelbar auf heutige Wanderungsströme übertragen lässt, sind die Erkenntnisse für die politische Debatte rund um das Ausländerwahlrecht durchaus relevant. Zugewanderte EU-Bürger beispielsweise können bereits heute im Land ihres Wohnsitzes an Kommunalwahlen teilnehmen. Aber auch mit Blick auf die ausgeprägte Binnenmigration in Entwicklungs- und Schwellenländern lassen die Ergebnisse den Schluss zu, dass die anhaltende Landflucht ärmerer Menschen – mit gleichem Wahlrecht – die politische Landschaft in den Großstädten verändern und zu mehr Umverteilung führen dürfte.

Filed Under: Research Tagged With: expellees, immigration, natives, redistribution, refugees, taxation, voting, welfare

Frauen mit jüngerem Bruder folgen häufiger dem klassischen Rollenbild

August 27, 2018 by admin

Obwohl Frauen in vielen Ländern inzwischen beim Bildungsniveau vorn liegen, bleiben sie auf dem Arbeitsmarkt in klassischen Männerdomänen wie Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) unterrepräsentiert. Die Gründe dafür sind vielschichtig und der Einfluss genetischer bzw. sozialer Faktoren Gegenstand zahlreicher Forschungsarbeiten. Eine aktuelle Studie von Anne Ardila Brenøe (Universität Zürich und IZA) untersucht anhand umfangreicher Daten aus Dänemark, inwieweit die familiäre Konstellation dazu beiträgt, dass traditionelle Rollenbilder auch in einer modernen Gesellschaft bestehen bleiben.

Die Ökonomin analysierte, für welche Berufe sich Frauen im Alter von 31-40 Jahren entscheiden, und bewertete die Konformität mit Geschlechternormen anhand des Frauenanteils in den gewählten Berufen. Um den Effekt des Geschwistergeschlechts zu isolieren, konzentrierte sie sich auf erstgeborene Töchter mit einem Bruder bzw. einer Schwester als nächstjüngerem Geschwisterkind.

Schlechter bezahlte Jobs

Der Vergleich dieser beiden Gruppen zeigte, dass Frauen mit jüngerem Bruder häufiger einen klassischen Frauenberuf wählen und sich bevorzugt für Partner mit „Männerberuf“ entscheiden. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie im besser bezahlten MINT-Bereich tätig sind, ist um rund sieben Prozent geringer als bei Frauen mit jüngerer Schwester. So zeigt auch der Einkommensvergleich: Frauen mit Brüdern verdienen im Schnitt weniger.

Bei der Suche nach den Ursachen für diesen Zusammenhang findet Brenøe Hinweise darauf, dass Eltern mit Tochter und Sohn eher zur „geschlechtsspezifischen“ Erziehung neigen. Mütter verbringen im Schnitt deutlich mehr (und Väter weniger) Zeit mit der Tochter, wenn auch ein Sohn im Haus ist. Auf diese Weise erhalten Töchter weniger Impulse, sich für „männliche“ Themen zu interessieren oder ihre Leistungen in den entsprechenden Schulfächern zu verbessern. Die Interaktion zwischen den Geschwistern spielt der Studie zufolge eine geringere Rolle.

Die stärkere Konformität mit Geschlechternormen wird auch auf die nächste Generation übertragen. So schneiden Töchter von Müttern mit jüngerem Bruder vergleichsweise besser im sprachlichen als im mathematischen Bereich ab. Das Fazit der Forscherin lautet daher: Will die Gesellschaft echte Chancengleichheit der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt erreichen, muss bereits bei der Entwicklung der Geschlechteridentität im Elternhaus angesetzt werden.

Filed Under: Research Tagged With: gender, human capital, parents, STEM

Vorsicht, Crashgefahr!

August 22, 2018 by admin

Börsenkurse beeinflussen die ökonomischen Entscheidungen der Anleger in vielerlei Hinsicht – vom Konsum- und Sparverhalten bis hin zum Arbeitsangebot. Aber auch andere Lebensbereiche können von täglichen Kursschwankungen betroffen sein, wie eine aktuelle Studie der Ökonomen Corrado Giulietti, Mirco Tonin und Michael Vlassopoulos zeigt. Anhand von umfangreichen US-Daten der Jahre 1990 bis 2015 können die Autoren belegen, dass ein einprozentiger Rückgang des S&P-500-Aktienindex  statistisch zu einem Anstieg tödlicher Verkehrsunfälle um 0,5% am Tag des Kursverfalls führt.

Korrelation oder Kausalität?

Die Forscher finden eine ganze Reihe von Anhaltspunkten dafür, dass es sich hierbei um eine ursächliche Wirkung der Börsenschwankungen und nicht um eine bloße Korrelation handelt: Erstens tritt der Zusammenhang nur an Börsentagen auf. Zweitens sind fast ausschließlich Fahrer betroffen, die vom Alter, Einkommen und der Automarke her mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Gruppe der Aktienbesitzer zählen. Drittens ist der Effekt am deutlichsten ausgeprägt im Zeitraum zwischen Mitte 1997 und Anfang 2001, als der private Aktienbesitz in den USA boomte. Und viertens geht der Anstieg der Unfallhäufigkeit primär auf Fälle von rücksichtsloser Fahrweise zurück, während andere Unfallursachen nicht mit den Börsenkursen korrelieren.

Aktienvermögen und Fahrvermögen

Ihre Ergebnisse erklären die Autoren damit, dass der Kursverfall an der Börse negative Emotionen hervorruft, die irrationales Verhalten begünstigen. Dies gelte insbesondere für unerfahrene Anleger, die mit den Hochs und Tiefs der Börse noch nicht so vertraut sind und daher zu Überreaktionen neigen. Wie die Studie am Beispiel des Straßenverkehrs mit konkreten Zahlen untermauert, können persönliche finanzielle Verluste teils dramatische Konsequenzen nicht nur für das eigene Umfeld, sondern mitunter auch für Unbeteiligte haben.

Filed Under: Research Tagged With: accidents, behavior, decision making, emotions, financial wealth, reckless driving, stock market

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