Kaum ein anderes Thema wird in der Arbeitsmarktforschung kontroverser diskutiert als die Beschäftigungseffekte von Mindestlöhnen. Inzwischen ist weitgehend Konsens, dass ein „moderater“ Mindestlohn entgegen klassischen ökonomischen Modellen nicht zwingend zu mehr Arbeitslosigkeit führt, wobei die Bezifferung von „moderat“ umstritten bleibt. Doch unabhängig von den Auswirkungen auf die Gesamtbeschäftigung bleibt die Frage nach der Qualität der Beschäftigungsverhältnisse und den Jobaussichten für benachteiligte Arbeitsmarktgruppen.
Ein aktuelles IZA-Forschungspapier von Marianna Kudlyak, Murat Tasci und Didem Tuzemen betrachtet die Reaktionen von Unternehmen auf höhere Mindestlöhne anhand der Zahl der offenen Stellen. Die Studie nutzt detaillierte Stellenbörsendaten, um die Effekte von Mindestlohnerhöhungen auf US-Bundesstaatenebene zu ermitteln. Dabei zeigt sich ein signifikanter Rückgang an offenen Stellen für Tätigkeiten, in denen die Bezahlung typischerweise dem Mindestlohn entspricht oder nur knapp darüber liegt: Bei einer Mindestlohnerhöhung um 10% gehen die bestehenden Stellenangebote um 2,4% und die Neuausschreibungen um 2,2% zurück.
Wie deckt sich dieser Befund mit dem zugleich weitgehend stabil bleibenden Beschäftigungsniveau? Die Forschenden erklären den scheinbaren Widerspruch damit, dass ein höherer Mindestlohn ein produktiveres Beschäftigungsverhältnis erfordert, damit sich das Lohnplus für das Unternehmen rechnet. Dazu muss das „Matching“ von Neueinstellungen verbessert werden. Mit anderen Worten: Die Unternehmen suchen sich ihre neuen Beschäftigten sorgfältiger aus (und umgekehrt), was die Fluktuation reduziert und folglich den Bedarf an weiteren Neueinstellungen verringert, ohne dass sich das Beschäftigungsniveau dadurch verändert.
So würde die Arbeitslosigkeit insgesamt durch den höheren Mindestlohn nicht steigen, wenngleich das geringere Angebot an offenen Stellen die Jobaussichten für einzelne Stellensuchende, insbesondere solche mit geringer Produktivität, verschlechtern dürfte.