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IZA – Institute of Labor Economics

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Dajan Baischew

Der Wettlauf Mensch gegen Maschine: Realität oder Hype?

April 3, 2019 by Dajan Baischew

„Der mediale Hype um Schlagworte wie künstliche Intelligenz, selbstlernende Maschinen, Disruption und Blockchain weckt Bedrohungsängste, gegen die simple Fakten offenbar nicht mehr ankommen. Während die seit Jahrzehnten fortschreitende Digitalisierung den Menschen angeblich überflüssig macht, stellt die Wirtschaft einen Beschäftigungsrekord nach dem anderen auf, und Unternehmen suchen händeringend nach Fachkräften. Absurder könnte es kaum sein“, meint IZA-Chef Hilmar Schneider, der heute die Abschlussrede der Konferenz „Future of Work in Industry“ im Rahmen der Hannover Messe hält.

Auch der niederländische Ökonom Wim Naudé kommt in einem aktuellen IZA-Forschungspapier zu dem Schluss, dass das Jobvernichtungspotenzial von Künstlicher Intelligenz (KI) überbewertet wird. Seine Auswertung des internationalen Forschungsstands zum Thema ergab:

  • Die Methodik zur Berechnung potenzieller Jobverluste ist stark abhängig von den dafür zu treffenden Annahmen.
  • Automatisierung wirkt sich eher auf einzelne Tätigkeitsprofile aus, weniger auf ganze Berufsfelder.
  • Die Debatte konzentriert sich einseitig auf die Ersetzbarkeit menschlicher Arbeit – dabei schafft Automatisierung sogar mehr neue Jobs als sie zerstört.
  • KI breitet sich – außerhalb der Welt der Technologie-Giganten – deutlich langsamer aus als häufig dargestellt.
  • Auch das Innovationstempo im Bereich KI geht zurück, weil es dazu komplementärer Innovationen und Investitionen bedarf.

Naudé sieht daher keine wissenschaftliche Grundlage für die derzeit kursierenden Untergangsszenarien. Allerdings weist er auch auf diverse Herausforderungen aus ökonomischer und politischer Sicht hin, insbesondere die Notwendigkeit einer geeigneten Regulierung von Daten und Algorithmen, damit KI nicht dem Missbrauch von Marktmacht gegenüber Wettbewerbern, Verbrauchern und Arbeitnehmern Vorschub leistet.

Filed Under: Research Tagged With: artificial intelligence, automation, digitalization, future of labor, robots

Internationalisierung der Hochschulbildung steigert den Studienerfolg

March 28, 2019 by Dajan Baischew

Seit der Jahrtausendwende hat sich die Zahl der internationalen Studierenden weltweit mehr als verdoppelt: Über vier Millionen junge Menschen studieren außerhalb ihres Heimatlandes, etwa jeder zehnte davon in Großbritannien. Im Jahr 2016 kamen 18% der Studierenden an britischen Universitäten aus dem Ausland.

Befürworter der Internationalisierung argumentieren, einheimische und ausländische Studierende profitierten gleichermaßen von mehr Vielfalt. Doch es mehren sich auch kritische Stimmen, die den Lernerfolg einheimischer Studierender durch mangelnde Sprachkenntnisse internationaler Kommilitonen gefährdet sehen.

Natürliches Experiment

In einem aktuellen IZA-Forschungspapier entkräften Arnaud Chevalier, Ingo Isphording und Elena Lisauskaite diese Befürchtung. Anhand von administrativen Daten zu angehenden Wirtschaftswissenschaftlern an einer Londoner Universität ermitteln die Forscher, wie sich die ethnische Zusammensetzung von Seminargruppen auf den Studienerfolg und die Kurswahl der Teilnehmer auswirkt. Da die Gruppenzuordnung per Zufall erfolgt, lassen sich die Ergebnisse kausal auf die Sprachenvielfalt innerhalb der jeweiligen Gruppe zurückführen.

Die Analyse zeigt: Nicht-Muttersprachler, insbesondere solche mit schwächeren Leistungen, erzielten bessere Noten, wenn sie einer Lerngruppe mit größerer ethnischer Vielfalt zugeordnet wurden. Nach eigenen Angaben interagieren sie in sprachlich durchmischten Gruppen häufiger mit Einheimischen. Deren Leistung wiederum blieb von der Zusammensetzung der eigenen Gruppe unberührt.

Bessere Integration

Auch langfristig fördert sprachliche Vielfalt die Integration. Nicht-Muttersprachler, die sonst eher zu mathematisch orientierten Kursangeboten neigen, wählen häufiger die gleichen Kurse wie Muttersprachler, wenn sie einer gemischten Lerngruppe zugeordnet waren. Auch entscheiden sie sich häufiger dazu, ihren Aufenthalt im Gastland nach Studienabschluss noch zu verlängern.

Die Leistungen einheimischer Studierender werden selbst dann nicht beeinträchtigt, wenn mehr als die Hälfte ihrer Kommilitonen keine Muttersprachler sind. Nach Einschätzung der Autoren sprechen die Befunde dafür, die Internationalisierung der Hochschulen weiter voranzutreiben. „Dass einheimische Studenten von einer restriktiveren Vergabe von Studienplätzen an ausländische Studierende profitieren würden, wird nicht durch die empirische Evidenz der Bildungsforschung gedeckt“, meint IZA-Experte Ingo Isphording.

Filed Under: Research Tagged With: academic performance, college, diversity, globalization, higher education, language, university

Höhere Mindestlöhne in den USA führen zu einem Rückgang der Erwerbsbeteiligung

February 21, 2019 by Dajan Baischew

Die Beschäftigungswirkungen von Mindestlöhnen zählen zu den meisterforschten und zugleich umstrittensten Themen der Arbeitsmarktökonomik. Für die empirische Forschung besteht die Herausforderung darin, eine belastbare Aussage darüber zu treffen, wie sich die Beschäftigung ohne die Einführung oder Erhöhung eines Mindestlohns entwickelt hätte.

Dazu bedarf es einer „kontrafaktischen“ Vergleichsgruppe von Arbeitsmarktteilnehmern, die nicht den höheren Mindestlohn erhalten. Diese ist jedoch nicht leicht zu spezifizieren, da die individuelle Arbeitsmarktsituation von einer Vielzahl von Faktoren wie Arbeitszeitpräferenzen, Lohnvorstellungen, Familienstruktur und demografischen Merkmalen abhängt. Mit anderen Worten: Es ist schwer zu belegen, dass man nicht Äpfel mit Birnen vergleicht.

Ein aktuelles IZA-Forschungspapier von Ernest Boffy-Ramirez umschifft dieses Problem, indem Individuen „mit sich selbst“ verglichen werden. Anhand von Daten des Current Population Survey aus den Jahren 1990 bis 2017 betrachtet die Studie den Beschäftigungsstatus von Einzelpersonen in einem Zeitfenster von vier Monaten unmittelbar vor und nach einer Mindestlohnanpassung im jeweiligen US-Bundesstaat.

Auf diese Weise lassen sich einerseits diverse individuelle Merkmale berücksichtigen, die die Reaktion auf den Mindestlohn beeinflussen könnten – etwa die Bereitschaft, den Wohnort zu wechseln oder die Zahl der Arbeitsstunden anzupassen. Durch das kurze Zeitfenster ist andererseits auszuschließen, dass sich längerfristige gesamtwirtschaftliche Trends auf die Ergebnisse auswirken.

Aufgrund des großen Stichprobenumfangs von Hundertausenden Individuen kann Boffy-Ramirez zudem seine Analyse auf die Arbeitsmarktgruppen fokussieren, die von Mindestlohnanpassungen am stärksten betroffen sind – Jugendliche, junge Erwachsende und Geringqualifizierte.

Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Erstens gibt es kaum Hinweise auf einen Anstieg der Arbeitslosigkeit unmittelbar nach einer Erhöhung des Mindestlohns.
  • Zweitens bestätigt sich nicht, dass Vollzeit-Arbeitsplätze bei höherem Mindestlohn vermehrt durch Teilzeit-Beschäftigung ersetzt würden.
  • Drittens kommt es unmittelbar nach einer Erhöhung des Mindestlohns zu einem Rückgang der Erwerbsbeteiligung, insbesondere bei 20- bis 24-Jährigen, Zuwanderern und Geringqualifizierten.

Laut Boffy-Ramirez könnte der vermehrte Ausstieg aus dem Arbeitsmarkt erklären, warum die Arbeitslosigkeit infolge des höheren Mindestlohns nicht steigt.

Einen einordnenden Überblick über den Stand der internationalen Forschung zu den Beschäftigungseffekten von Mindestlöhnen bietet der kürzlich aktualisierte Artikel von David Neumark für die IZA World of Labor.

Filed Under: Research Tagged With: employment, full-time, labor market participation, minimum wage, part-time, unemployment

Frauenquote für Aufsichtsräte in Italien hat weiblichen Beschäftigten wenig gebracht

February 4, 2019 by Dajan Baischew

Viele europäische Staaten haben in den letzten Jahren eine Geschlechterquote für die Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen eingeführt. Mehr Frauen im obersten Kontrollgremium, so die Erwartung, würden die Gleichstellung in den Unternehmen vorantreiben und weiblichen Führungskräften helfen, die „gläserne Decke“ beim Karriereaufstieg zu durchbrechen.

Eine jetzt vom IZA veröffentlichte Auswertung der 2011 in Italien eingeführte Frauenquote zieht jedoch eine ernüchternde Bilanz. Zwar haben sich die weiblich besetzten Aufsichtsratsposten seit der Reform vervierfacht (auf 758 Mandate im Jahr 2017). Doch weder im Top-Management noch auf anderen hochdotierten Positionen erhöhte sich dadurch der Frauenanteil.

Für ihre Analyse nutzten die Ökonominnen Agata Maida und Andrea Weber den Umstand, dass die italienische Reform eine schrittweise Anhebung der Frauenquote vorsah, die je nach Termin der nächsten Aufsichtsratswahl in den Unternehmen zu unterschiedlichen Zeitpunkten zum Tragen kam. Die Autorinnen verglichen Unternehmen mit und ohne verpflichtende Frauenquote, wobei sie mögliche Einflussfaktoren wie die Unternehmensgröße berücksichtigten.

Die F.A.Z. berichtete vorab über die Studie.

Auch wenn es vereinzelt zur Einsetzung weiblicher Vorstandsvorsitzender kam, hatte die Reform insgesamt keine erkennbaren Auswirkungen auf die Frauenkarrieren in den Unternehmen, wie die Grafik veranschaulicht. Die Ergebnisse decken sich mit dem Befund für Norwegen, wo die Frauenquote in Verwaltungsräten schon seit 2003 gilt.

Mögliche Gründe

Die Autorinnen nennen drei Erklärungsansätze für das Ausbleiben des erhofften „Trickle-Down-Effekts“:

  1. Gemessen am Gesamtarbeitsmarkt hat die Zahl weiblicher Aufsichtsräte eher symbolischen Charakter. Womöglich bedarf es einer Ausweitung der Reform, um spürbare Effekte zu erzielen.
  2. Ein Kulturwandel in den Unternehmen braucht Zeit, erst recht im eher traditionell geprägten Italien. Es wäre also durchaus denkbar, dass sich die Effekte auf lange Sicht doch noch einstellen.
  3. Aktuelle Erkenntnisse aus Deutschland und Frankreich zeigen, dass Frauen innerhalb der Aufsichtsräte selten den Vorsitz oder andere Schlüsselpositionen innehaben. Ihr Einfluss auf das Unternehmen dürfte also geringer sein als der formelle Frauenanteil vermuten lässt.

Alternative Ansätze

Nach Einschätzung der Autorinnen nützt die Quote allein wenig, wenn es nicht gelingt, weibliche Karrieren besser „von unten“ zu fördern, etwa durch bessere Kinderbetreuung, durch Jobsharing-Möglichkeiten, Mentoring oder frauenfreundlichere Bewerbungs- und Einstellungsprozesse.

Zu diesem Schluss gelangt auch Nina Smith, die in einem Artikel für die IZA World of Labor den internationalen Forschungsstand zur Frauenquote aus ökonomischer Sicht zusammenfasst. Sie plädiert außerdem dafür, ein „ausgewogeneres Karrieregleichgewicht innerhalb von Familien“ zu fördern, etwa durch mehr Anreize für Väter, Elternzeit zu nehmen.

Filed Under: Research Tagged With: female leadership, gender pay gap, quota

Warum es sinnvoll ist, wissenschaftliche Studien zu replizieren

February 1, 2019 by Dajan Baischew

Fehlerhafte Forschungsergebnisse schaden nicht nur dem Ruf der Wissenschaftler, sondern können schlimmstenfalls zu falschen Politikentscheidungen führen. Da es jedoch an Anreizen für Forscher mangelt, Studien von Kollegen systematisch nachzurechnen, bleiben solche Fehler oft lange unentdeckt. Das IZA setzt sich daher für eine effektivere Förderung von Replikationsstudien ein, etwa im Rahmen darauf spezialisierter Fachzeitschriften oder als Teil der Doktorandenausbildung.

Bereits vor einiger Zeit berichtete der IZA Newsroom über eine medial vielbeachtete Studie zu Teenager-Schwangerschaften, deren Replikation auf falsche politische Schlussfolgerungen hinwies. Nun fanden Forscher aus dem IZA-Netzwerk Datenfehler und methodische Schwächen einer 2005 veröffentlichten Studie der US-Ökonomen David Cutler und Grant Miller.

Hohe Sozialrendite?

Was war passiert? Cutler und Miller hatten errechnet, dass die Filterung und Chlorung von Trinkwasser maßgeblich zum Rückgang der Sterblichkeit in den USA zu Beginn des 20. Jahrhunderts beigetragen habe. Demnach bewirke jeder in die Trinkwasseraufbereitung investierte Dollar einen gesellschaftlichen Nutzen im Wert von mindestens 23 Dollar.

Die in der renommierten Fachzeitschrift Demography erschienene Studie wurde vielfach zitiert, unter anderem in Publikationen der WHO. Historische Erfahrungen aus westlichen Ländern dienen oft als Politikgrundlage für Entwicklungsländer, da es ethisch nicht vertretbar wäre, potenziell lebensrettende Maßnahmen zunächst an Teilen der Bevölkerung zu testen, um ihre Kosteneffektivität präzise evaluieren zu können.

Bei der Untersuchung alternativer Maßnahmen zur Reduzierung der Sterblichkeit fanden Mark Anderson, Kerwin Charles und Daniel Rees heraus, dass Cutler und Miller die relative Wirksamkeit der (unbestritten sinnvollen) Trinkwasseraufbereitung deutlich überschätzt hatten. Zum einen stießen sie auf fehlerhaft übertragene Daten zur Säuglingssterblichkeit, zum anderen stellten sie die Methode zur Berechnung der Gesamtsterblichkeit in Frage.

Konstruktiver Austausch

In der Folge kam es zum „Schlagabtausch“ zwischen den Autorenteams, den beide Seiten als äußerst konstruktiv und professionell lobten. Cutler und Miller stellten sämtliche Daten zur Verfügung und räumten in einem Kommentar die Übertragungsfehler ein, blieben aber bei der Auffassung, ihre Methodik sei nicht zu beanstanden und die Datenkorrektur ändere die Ergebnisse nur unwesentlich – was Anderson, Charles und Rees wiederum zu einer Erwiderung veranlasste.

Die Kontroverse steht exemplarisch für den hohen gesellschaftlichen Wert von Replikationsstudien, die bislang – teils aus Scheu vor der Auseinandersetzung mit anerkannten Fachkollegen – vernachlässigt werden. Zwar bezweifeln manche Experten, dass der Wissenschaftsbetrieb mehr Anreize zur Durchführung von Replikationen bieten müsse. Statt Ergebnisse mit Originaldaten nachzurechnen, sei es zielführender, Konzepte anhand von Daten aus anderen Quellen oder Zeiträumen zu überprüfen. Klar ist jedoch: Die Politik profitiert von jeder Verbesserung ihrer empirischen Grundlage – sei es durch Aufdecken von Fehlern oder auch durch die Bestätigung der vorhandenen Erkenntnisse.

Lesen Sie eine methodisch detailliertere Darstellung in englischer Sprache.

Filed Under: Research Tagged With: public health, public policy, publication, replication, social science

Homeoffice erhöht den Stresspegel

January 17, 2019 by Dajan Baischew

Dank moderner Kommunikationstechnik und dem (mehr oder weniger schnell) voranschreitenden Breitbandausbau ist der Heimarbeitsplatz für immer mehr Arbeitnehmer eine Option. In den USA hat sich die Zahl der abhängig Beschäftigten, die regelmäßig von zu Hause aus arbeiten, seit 2005 mehr als verdoppelt. Auch in Deutschland ist das Homeoffice auf dem Vormarsch.

Die neu gewonnene Flexibilität hat aber auch ihre Schattenseiten, wenn nebenbei das schreiende Baby bespaßt werden muss oder der Hund das Laptop-Kabel zerfetzt. Ein aktuelles IZA-Forschungspapier von Younghwan Song und Jia Gao legt sogar nahe, dass die negativen Auswirkungen auf das subjektive Wohlbefinden im Vergleich zur klassischen Büroarbeit überwiegen.

Aktivitäten und Emotionen im Tagesverlauf

Die Forscher analysierten Daten des American Time Use Survey, der zusätzlich zu den individuellen Aktivitäten im Tagesverlauf auch die unmittelbaren Gefühle der Befragten erfasst. Dazu zählen Glück, Schmerz, Traurigkeit, Stress, Müdigkeit und die wahrgenommene Sinnhaftigkeit der jeweiligen Aktivität.

In der untersuchten Stichprobe von knapp 4.000 Arbeitnehmern unterschieden die Autoren zwischen Heimarbeit im engeren Sinne, die ohne Pendeln zum Arbeitsplatz in der Regel während der üblichen Geschäftszeiten von zu Hause aus erfolgt („Telework“), und Arbeit, die Büroangestellte mit nach Hause bringen („Bringing work home“), um sie dort meist in den Abendstunden oder auch am frühen Morgen zu erledigen, wie die folgende Grafik veranschaulicht.

Anteil der werktags von zu Hause aus arbeitenden Beschäftigten nach Tageszeit (USA, 2016)

Insgesamt fanden die Forscher bei beiden Formen von Telearbeit im Vergleich zur Büroarbeit einen erhöhten Stresslevel und damit einhergehend ein geringeres subjektives Wohlbefinden der Befragten. Zwar gaben Heimarbeiter an, weniger müde zu sein, vermutlich aufgrund der eingesparten Zeit und Energie für den Weg zum Arbeitsplatz. Doch unterm Strich überwogen Stress und negative Emotionen, die nach Einschätzung der Autoren auf Probleme durch die Vermischung von Arbeit und Freizeit hindeuten.

Herausforderung für das Familienleben

Bei der zusätzlichen Homeoffice-Nutzung durch Büroangestellte geht der erhöhte Stress mit geringerem Glücksempfinden einher. Ursächlich sind der Studie zufolge jedoch nicht etwa die längeren Arbeitszeiten an sich. Die Autoren gehen vielmehr davon aus, dass das Arbeiten im Homeoffice innerfamiliäre Konflikte verstärkt, wenn es um die Aufteilung von Erwerbsarbeit, Hausarbeit und Freizeit geht.

Da sich andere Stressfaktoren wie die familiäre Situation auch auf die Neigung zur Heimarbeit auswirken und dadurch die Ergebnisse beeinflussen könnten, verglichen die Forscher nicht nur Büro- und Heimarbeiter mit ähnlichen Merkmalen, sondern betrachteten auch die personenbezogenen Effekte, die sich aus Veränderungen der jeweiligen Arbeitssituation ergaben.

Je nach Analysemethode variieren die Ergebnisse im Detail, etwa was die Geschlechterunterschiede angeht: Insgesamt scheinen Männer mit dem Homeoffice weniger negative Emotionen zu verbinden als Frauen. Betrachtet man jedoch Einzelpersonen im Zeitverlauf, relativiert sich der Befund. Das spricht dafür, dass die individuelle Situation einen großen Einfluss darauf hat, ob die Heimarbeit als Flexibilitätsgewinn oder eher als Belastung wahrgenommen wird.

Mehr Unterstützung für Heimarbeiter

Die Autoren betonen daher, dass ihre Studie keine allgemeingültige Bewertung von Telearbeit erlaube, wohl aber die folgenden Schlussfolgerungen nahelege:

  • In der Diskussion um die Vor- und Nachteile von Homeoffice-Regelungen muss zwischen den unterschiedlichen Formen von Heimarbeit differenziert werden.
  • Arbeitgeber sollten neben den Flexibilitäts- und Produktivitätsapekten von Telearbeit das Wohl der Mitarbeiter stärker im Blick haben.
  • Politik und Unternehmen sollten die Rahmenbedingungen für Heimarbeiter weiter verbessern, indem sie Betreuungsangebote ausbauen, eine geeignete Ausstattung von Telearbeitsplätzen gewährleisten und die soziale Interaktion von Heimarbeitern fördern.
  • Da Arbeitszeitgesetze nur bedingt greifen, sollte über neue Wege zur Vermeidung von Überlastung nachgedacht werden.
  • Auch die Homeoffice-Nutzer selbst stehen in der Verantwortung, durch eine geeignete Abgrenzung von Arbeit und Freizeit die negativen Auswirkungen auf sich und ihre Familie zu minimieren.

Filed Under: Research Tagged With: happiness, home office, stress, subjective well-being, telework, work-life balance

Hartz IV hat gewirkt – aber anders als oft vermutet

December 19, 2018 by Dajan Baischew

Von Benjamin Hartung, Philip Jung und Moritz Kuhn

Die Hartz-Reformen sind im Jahr 2018 das arbeitsmarktpolitische Thema. Im Mittelpunkt der Diskussion steht dabei vor allem der letzte Teil der Hartz-Reformagenda: Hartz IV. Eine der zentralen Fragen ist, ob dieser Reformschritt entscheidend zur Halbierung der Arbeitslosigkeit in Deutschland seit 2005 beigetragen hat und ob die Reform damit auch als Vorbild für Arbeitsmarktreformen in Europa dienen kann.

Um diese Frage beantworten zu können, muss zunächst die genaue Faktenlage zu den Veränderungen am deutschen Arbeitsmarkt bekannt sein. Mittels moderner Arbeitsmarktsimulationsmodelle kann dann auf Basis der Fakten untersucht werden, ob die beobachteten Veränderungen durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, die den Kern der Hartz-IV-Reform darstellte, erklärt werden können. Diesen Ansatz verfolgen wir in unserer neuen Studie.

Zu- und Abgangsraten der Arbeitslosigkeit

Zur Dokumentation der Fakten werten wir die Erwerbsverläufe von Millionen von Beschäftigten aus den Daten der Bundesagentur für Arbeit über zwei Jahrzehnte aus (1993-2014). Wir nutzen für unsere Analyse eine einfache Buchhaltungsregel: Wenn die Arbeitslosigkeit sinkt, dann kann dies passieren, weil weniger Menschen arbeitslos werden (Zugänge in Arbeitslosigkeit) oder weil mehr Arbeitslose eine Stelle finden (Abgänge aus Arbeitslosigkeit).

Das zentrale Ergebnis unserer empirischen Untersuchung ist, dass der Rückgang der Arbeitslosigkeit in Deutschland seit 2005 zu 75% dadurch zu erklären ist, dass weniger Menschen arbeitslos wurden – und nicht wie oft vermutet dadurch, dass mehr Menschen aus der Arbeitslosigkeit heraus eine Stelle fanden. Der Schlüssel zum Verständnis der Reform des Arbeitslosenversicherungssystems liegt somit nicht bei den Arbeitslosen, sondern bei den Beschäftigten, die weder arbeitslos sind noch arbeitslos werden!

Unsere empirischen Auswertungen zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit arbeitslos zu werden ein Jahrzehnt nach den Reformen um fast ein Drittel gefallen ist, während die Wahrscheinlichkeit als Arbeitsloser eine Stelle zu finden, im gleichen Zeitraum um nur gut 10% angestiegen ist (Abbildung 1).

Abbildung 1: Änderungen in den Zugängen und Abgängen aus Arbeitslosigkeit

Die Reform hat sich jedoch auf einzelne Gruppen von Arbeitnehmern sehr unterschiedlich ausgewirkt. Bei langjährig Beschäftigten mit hohen Löhnen sank die Wahrscheinlichkeit arbeitslos zu werden besonders stark (Abbildung 2).

Abbildung 2: Veränderung in der Wahrscheinlichkeit arbeitslos zu werden nach Beschäftigungsdauer

Dieses Ergebnis deckt sich mit der Tatsache, dass für langjährig Beschäftigte, die fast zwei Drittel des Arbeitsmarktes ausmachen, neben der Abschaffung der Arbeitslosenhilfe gleichzeitig auch die Bezugsdauer für Arbeitslosengeld besonders stark gekürzt wurde. In der Reaktion waren Arbeitnehmer bereit, etwa im Rahmen von betrieblichen Bündnissen für Arbeit Lohnzuwachs gegen Arbeitsplatzgarantien zu tauschen, wodurch es zu einem Rückgang der Zugänge in Arbeitslosigkeit kam.

Korrelation oder Kausalität?

Im zweiten Schritt unserer Studie untersuchen wir, ob die Fakten zu den Veränderungen durch die Hartz-IV-Reform erklärt werden können. Wir nutzen dazu ein modernes Simulationsmodell des deutschen Arbeitsmarktes, das die Arbeitsmarktentwicklung in Deutschland im Jahrzehnt vor den Hartz-Reformen sehr gut abbilden kann. Nachdem wir im Modell die Reform durchführen, erklärt das Modell auch nach 2005 die Arbeitsmarktentwicklung sehr gut.

Wir schließen daraus, dass die Hartz-IV-Reform eine Erklärung für den Rückgang der Arbeitslosigkeit liefern könnte, und zeigen, dass sie mit den dokumentierten Fakten konsistent ist. Um unsere Ergebnisse auf Plausibilität zu prüfen, führen wir eine Art Placebotest durch. Die Ergebnisse dieses Tests zeigen, dass  sich die deutsche Arbeitslosenrate ohne die Reform im Gleichschritt mit den österreichischen Arbeitslosenraten entwickelt hätte, also genau wie in einem Arbeitsmarkt, in dem keine Reform stattfand. Insgesamt finden wir, dass die Arbeitslosenrate ohne Reform im Jahr 2014 50% höher wäre als im Fall mit Reform (Abbildung 3).

Abbildung 3: Veränderung der deutschen Arbeitslosenrate mit und ohne Hartz IV Reform im Vergleich zur Entwicklung der österreichischen Arbeitslosenrate

Gesamtwirtschaftlich kann die Reform also eine mögliche Erklärung für den Rückgang der Arbeitslosigkeit liefern. Aber was sind die  Konsequenzen auf individueller Ebene? Unseren Ergebnissen zufolge wären langjährig beschäftigte Arbeitnehmer, falls sie nicht im Nachgang der Reform entlastet werden, zum dauerhaften Verzicht auf rund 0,7% ihres Lohns bereit. Dies könnte also auch zur Erklärung beitragen, warum die Reformen trotz des starken Rückgangs der Arbeitslosigkeit nach wie vor recht unpopulär sind.

Filed Under: Opinion, Research Tagged With: Germany, Hartz reforms, labor market reforms, unemployment, unemployment insurance

Wie gut sind Professoren in der Lehre?

December 14, 2018 by Dajan Baischew

Beim Lehrpersonal an Universitäten stehen Professoren an der Spitze der Rangordnung – nicht nur von der Gehaltsklasse her. Sie gelten meist als fachlich kompetenter im Vergleich zu Doktoranden und anderen Dozenten. Aber bedeutet das auch, dass sie effektiver unterrichten und die Studierenden besser auf die Anforderungen des Arbeitsmarkts vorbereiten?

Ein aktuelles IZA-Forschungspapier von Jan Feld, Nicolás Salamanca und Ulf Zölitz widmet sich dieser Frage mit Blick auf Tutorien – also Lehrveranstaltungen, die der Wiederholung, Vertiefung und praktischen Anwendung des in Vorlesungen vermittelten Lernstoffs dienen. Die Autoren nutzen umfangreiche Daten einer niederländischen Universität, an der Studierende nach dem Zufallsprinzip verschiedenen Lehrkräften mit und ohne Professorentitel zugewiesen wurden. Das Ergebnis ist eindeutig: Die von Professoren unterrichteten Studierenden erzielten weder bessere Noten noch bessere Leistungen in weiterführenden Kursen. Auch nach dem Uni-Abschluss hatten sie keinerlei Vorteile bei Löhnen und Jobzufriedenheit.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte über die Kosten der Hochschulbildung sprachen wir mit Ulf Zölitz, Assistenzprofessor an der Universität Zürich:

Wie kamen Sie darauf, die Lehrtätigkeit von Professoren genauer unter die Lupe zu nehmen?

An vielen Universitäten werden Tutorien und vergleichbare Lehrveranstaltungen wie Übungen oder Laborpraktika gleichermaßen von Studierenden und Professoren unterrichtet – im Prinzip also die gleiche Arbeit bei sehr unterschiedlicher Bezahlung. Wir haben uns beide Varianten angeschaut und praktisch keinen Qualitätsunterschied festgestellt. Da es schon überraschend wäre, wenn die geballte Fachkompetenz und der Erfahrungsschatz von Professoren keinerlei Vorteil für die Teilnehmer der Tutorien bieten würde, haben wir Kosten und Nutzen im Detail verglichen.

Was ist das Neue an Ihrer Studie? Gibt es nicht schon Forschung zum Thema?

Die bisherige Forschung konzentriert sich primär auf die Effektivität von Vorlesungen, während die praxisorientierteren Tutorien komplett vernachlässigt wurden. Das ist insofern erstaunlich, als nach unseren Schätzungen über 60 Prozent der Universitäten in den OECD-Ländern Tutorien für Bachelor- und Masterstudiengänge anbieten. Mindestens jede zweite dieser Unis spannt dafür eine Mischung aus Professoren und anderen Lehrkräften ein. Außerdem untersuchen wir in unserer Studie nicht nur den unmittelbaren Effekt auf den Studienerfolg, sondern auch den späteren Arbeitsmarkterfolg der Absolventen einschließlich Gehaltsaussichten und Jobzufriedenheit. Es gibt übrigens nur einen Aspekt, in dem Professoren besser abschneiden: Sie erhalten minimal positivere Bewertungen durch die Kursteilnehmer. Das allein scheint uns aber kein gutes Argument, Tutorien und Übungen von Professoren unterrichten zu lassen.

Wenn aber Professoren dafür offenbar zu „teuer“ sind, ist das nicht eine beunruhigende Nachricht für Sie und Ihre Professorenkollegen?

Im Gegenteil! Unsere Ergebnisse zeigen zwar, dass es Sinn machen würde, fortgeschrittene Studierende und Doktoranden stärker als bisher zum Unterrichten von Tutorien heranzuziehen. Aber das macht Professoren ja nicht überflüssig, sondern sie sollten vielmehr in die Lage versetzt werden, mehr Zeit in das zu investieren, was sie am besten können – zum Beispiel Forschen.

Diese Schlussfolgerung würden die meisten Ihrer Kollegen sicher unterschreiben… Danke für das Interview!

Filed Under: Research Tagged With: education, professors, teaching, university

Arbeitsmärkte zehn Jahre nach der Finanzkrise

November 5, 2018 by Dajan Baischew

Die globale Finanzkrise hat die aufstrebenden Volkswirtschaften auf sehr unterschiedliche Weise getroffen. Während einige Transformations- und Schwellenländer in eine tiefe Rezession rutschten, mit gravierenden Folgen für Arbeitsmärkte, Humankapital und Wachstum, blieben andere aufgrund ihrer Wirtschaftsstruktur und geeigneter Politikmaßnahmen von langfristigen Negativeffekten verschont.

Ein vom IZA gemeinsam mit der Higher School of Economics in Moskau ausgerichteter Workshop zog eine Bilanz der Arbeitsmarkttrends und Anpassungsprozesse in Russland, China sowie ausgewählten Volkswirtschaften Mittel- und Osteuropas ein Jahrzehnt nach der Krise.

Bildung und Einkommensungleichheit

Am Beispiel Sloweniens identifizierte die von Peter F. Orazem vorgestellte Studie die „Gewinner und Verlierer“ des 25 Jahre währenden Übergangs zur Marktwirtschaft. Insgesamt ist der durch Bildungsabschlüsse und Arbeitserfahrung erzielbare Lohnvorteil in dieser Zeit deutlich angestiegen. Zuletzt hat jedoch der wachsende Anteil von Hochschulabsolventen die Bildungsrendite geschmälert, was einen dämpfenden Effekt auf die Lohnungleichheit hat.

Handelsliberalisierung und Arbeitsmarktflexibilität

In China war die Mobilität von Arbeitskräften lange durch die staatliche Wohnsitzkontrolle („Hukou“) eingeschränkt. Eine teilweise Lockerung dieses Systems versetzte Unternehmen in den betreffenden Regionen in die Lage, flexibler auf Veränderungen ihres Arbeitskräftebedarfs zu reagieren, die sich insbesondere aus der Handelsliberalisierung ergaben, so der Befund des von Feicheng Wang mitverfassten Forschungspapiers.

Mindestlohneffekte

Bislang existieren kaum empirische Erkenntnisse zu den Auswirkungen von Mindestlöhnen in Transformationsländern. Anna Lukyanova zeigt mit ihrer Analyse der Mindestlohnerhöhungen in Russland zwischen 2005 und 2015, dass sich die Ungleichheit am unteren Ende der Lohnskala insbesondere dort verringert hat, wo der reale Wert des Mindestlohns vergleichsweise stark gestiegen ist. Davon profitierten vor allem Frauen.

Filed Under: IZA News, Research Tagged With: emerging markets, financial crisis, Great Recession, human capital, labor market, post-transition economies

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