Die Corona-Pandemie hat Geringqualifizierte besonders hart getroffen. Welche Folgen sich aus den aktuellen Entwicklungen in der Wirtschaft, auf dem Arbeitsmarkt und im Bildungssystem für die Ungleichheit in Deutschland ergeben, erklärt Andreas Peichl, Leiter des ifo-Zentrums für Makroökonomik und Befragungen, im Rahmen der virtuellen IZA-Vortragsreihe.
Ein großes Problem für die Forschung in Deutschland – im Vergleich etwa zu Skandinavien oder den USA – sei die mangelnde Verfügbarkeit von Echtzeitdaten zur Einkommens- und Vermögensentwicklung, so Peichl. Die aktuellsten Analysen beruhten meist auf mehrere Jahre alten Daten, was auch dazu führe, dass sich neue staatliche Ausgabenprogramme oft nicht auf eine fundierte empirische Grundlage stützten.
„Wir machen jetzt in gewissen Teilen Wirtschaftspolitik im Blindflug.“
Es sei jedoch davon auszugehen, dass die staatlichen Unterstützungsleistungen in der Krise einen unmittelbaren Anstieg der Einkommensungleichheit verhindern und womöglich sogar zu einem leichten Rückgang führen könnten, zumal am oberen Ende der Einkommensverteilung in diesem Jahr viele Boni und Dividenden wegfielen. Auch die Konsumungleichheit gehe eher zurück, da reichere Haushalte vermehrt sparen würden. Daraus dürfte sich wiederum mittelfristig ein spürbarer Anstieg der Vermögensungleichheit ergeben.
Bei der Frage, wie die Kosten der Krise in der Gesellschaft zu verteilen seien, hält Peichl eine Vermögensabgabe jedoch für ungeeignet, da die Erhebungskosten in keinem Verhältnis zum erzielbaren Steueraufkommen stünden. Stattdessen plädiert er für eine konsequentere Besteuerung von Vermögenseinkommen und Erbschaften.
„Man muss bei der Einkommenssteuer die ganzen Schlupflöcher schließen.“
Die Gefahr eines weiteren Auseinanderdriftens der Einkommen sieht Peichl insbesondere durch den Strukturwandel in der Arbeitswelt, etwa durch die Digitalisierung, die geringqualifizierte Jobs gefährde und andererseits besser bezahlte Stellen für IT-Fachkräfte schaffe. Um Beschäftigten die notwendige berufliche Neuorientierung zu erleichtern, könne eine Verknüpfung des Kurzarbeitergelds mit unternehmensunabhängigen Weiterbildungsprogrammen sinnvoll sein.
Darüber hinaus warnt Peichl vor den Effekten der Pandemie und den Krisenmaßnahmen auf die Chancengleichheit. So könne etwa weitere Kita- und Schulschließungen dazu führen, dass der Bildungserfolg von Kindern aus benachteiligten Schichten noch weiter zurückgehe.
Auch Frauen seien in dieser Krise stärker betroffen als in früheren Rezessionen, sowohl durch die Einschränkungen im Dienstleistungssektor als auch durch zusätzliche Belastungen bei der Kinderbetreuung. Längerfristig bestehe jedoch die Hoffnung, dass die vermehrte Homeoffice-Nutzung zu einer gleichberechtigteren Arbeitsaufteilung im Haushalt führe.
Hier der komplette Vortrag mit anschließender Fragerunde als Video:
Weitere Infos zur IZA-Forschung „Corona-Krise und Arbeitsmarkt“: covid-19.iza.org
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Zum Thema Sozialstaat und Ungleichheit hier der Vortrag von Andreas Peichl anlässlich der Jubliäumskonferenz „20 Jahre IZA“ im Juni 2018: