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IZA Newsroom

IZA – Institute of Labor Economics

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Wie sich eine Vier-Tage-Schulwoche auf die Leistungen der Schüler auswirkt

April 11, 2019 by Dajan Baischew

+++ Click here for the English version! +++

Kürzungen bei den öffentlichen Bildungsausgaben haben viele Schulbezirke in den USA dazu veranlasst, die Schulen an einem Tag pro Woche zu schließen. In Deutschland ist die Vier-Tage-Schulwoche bislang die Ausnahme, aber infolge zunehmenden Lehrermangels auch vereinzelt schon Realität.

Zu den Auswirkungen auf die schulischen Leistungen gibt es bislang keine eindeutigen wissenschaftliche Erkenntnisse. Ein aktuelles IZA-Forschungspapier von Paul Thompson (Oregon State University) kommt zu dem Schluss, dass sich die Verkürzung der Schulwoche zumindest im US-Bundesstaat Oregon eindeutig negativ ausgewirkt hat.

Anhand von umfangreichen Daten der Schulbezirke in Oregon aus den Jahren 2007 bis 2015 ermittelt Thompson einen Rückgang der Prüfungsleistungen in Mathematik und Lesen nach Einführung der Vier-Tage-Schulwoche. Um andere Faktoren als Ursache für den Leistungsabfall auszuschließen, berücksichtigt er für die Analyse, wie sich die Leistungen an vergleichbaren Schulen entwickelten, an denen die Fünf-Tage-Woche bestehen blieb.

Leistungsabfall in Mathematik und Lesen nach Einführung der Vier-Tage-Schulwoche (FDSW)

Leidtragende der verkürzten Schulwoche waren vor allem männliche und sozial benachteiligte Schüler. Der negative Effekt auf die schulischen Leistungen lässt sich primär darauf zurückführen, dass durch die Vier-Tage-Schulwoche die Gesamtzahl der Unterrichtsstunden abnahm und der Schulbeginn nach vorne verlegt wurde.

So erklärt sich auch der scheinbare Widerspruch zu einer früheren Studie, die für den US-Staat Colorado keinerlei negative Auswirkungen fand. Dort ist die kurze Schulwoche besonders beliebt, allerdings wurde dabei die Stundenzahl relativ konstant gehalten, während sich in Oregon der Unterricht um durchschnittlich 3,5 Stunden pro Woche reduzierte. Zudem bieten mehr Schulen in Colorado optionale Förderprogramme an den schulfreien Wochentagen an.

Filed Under: Research Tagged With: academic achievement, education policy, educational outcomes, math, public spending, reading, school

Wie stark hat Hartz IV die Arbeitslosigkeit gesenkt?

April 9, 2019 by Dajan Baischew

Von Brigitte Hochmuth, Britta Kohlbrecher, Christian Merkl und Hermann Gartner

Vor 15 Jahren bekam Deutschland die Hartz-Reformen verschrieben. Seitdem ist die Arbeitslosigkeit deutlich gesunken (siehe Abbildung 1). Hartz IV war eine Reform des Arbeitslosenunterstützungssystems und hat die Transferzahlungen für Langzeitarbeitslose im Durchschnitt reduziert. Makroökonomen sind sich zwar einig, dass dadurch die gesamtwirtschaftliche Arbeitslosigkeit gesunken ist – allerdings nicht, um wie viel.

Abbildung 1: Registrierte Arbeitslosenquote für Gesamtdeutschland, 1992-2018.

Zur Quantifizierung der makroökonomischen Effekte von Hartz IV sind Simulationsstudien notwendig. Die bisherigen Arbeiten kommen jedoch zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen:  Launov und Wälde (2013), Krebs und Scheffel (2013) und Krause und Uhlig (2012) analysieren, wie sich die Wahrscheinlichkeit, aus Arbeitslosigkeit in Beschäftigung zu wechseln, gesamtwirtschaftlich durch die Hartz IV-Reform geändert hat. Bei Launov und Wälde reduzierte Hartz IV die Arbeitslosigkeit lediglich um 0,1 Prozentpunkte, bei Krause und Uhlig hingegen um 2,8 Prozentpunkte. Eine wichtige Ursache für die unterschiedlichen Ergebnisse der Studien ist, dass jeweils ein anderer Rückgang der Lohnersatzquote für Langzeitarbeitslose unterstellt wurde, welcher aufgrund komplexer institutioneller Regelungen schwer zu bemessen ist.

In unserer Studie gehen wir einen anderen Weg und schlagen ein makroökonomisches Modell vor, das zwischen Partial- und Gleichgewichtseffekten unterscheidet: Als Partialeffekt bezeichnen wir direkte Auswirkungen der Reform auf Individualebene, also auf das Verhalten von Personen und Betrieben. Durch niedrigere Lohnersatzleistungen sind Arbeitssuchende zu mehr Konzessionen gegenüber Arbeitgebern bereit, z.B. in Form von geringeren Lohnforderungen. Bewerber werden dadurch mit einer höheren Wahrscheinlichkeit eingestellt. Diese Wahrscheinlichkeit wird auch als Selektionsrate bezeichnet.

Wir messen die Selektionsrate mit Daten der IAB-Stellenerhebung als den Anteil von geeigneten Bewerbern, die von Betrieben eingestellt werden. Damit konstruieren wir ein empirisches Maß für die Einstellungsstandards von Firmen über die Zeit und zeigen, wie wichtig Selektion über den Konjunkturzyklus ist. Darüber hinaus können wir anhand der Reaktion der Selektionsrate den Partialeffekt der Hartz-IV Reform in den Daten schätzen. Dieser Ansatz hat drei Vorteile: Erstens verzeichnet die Selektionsrate im Gegensatz zur Job-Findungsrate (der Wahrscheinlichkeit, dass Arbeitslose in Beschäftigung wechseln) im Jahr 2005 keinen Strukturbruch. Zweitens wird die Selektionsrate nicht direkt durch die vorhergegangene Hartz III-Reform beeinflusst. Drittens messen wir die Partialwirkung der Reform direkt, anstatt eine bestimmte Absenkung der Lohnersatzquote zu unterstellen.

Abbildung 2 illustriert, dass die Selektionsrate in Aufschwüngen größer ist als in Abschwüngen, wobei die Konjunktur am Arbeitsmarkt durch die Arbeitsmarktanspannung (die Zahl der offenen Stellen pro Arbeitslosen) dargestellt wird. Außerdem ist zum Zeitpunkt der Reform die Selektionsrate deutlich gestiegen (auch nach Herausrechnung von Konjunktureffekten). Die Änderungen der Selektionsrate schätzen wir ökonometrisch auf verschiedenen Aggregationsebenen und speisen diese Informationen in unser Modell ein. Der Partialeffekt senkte laut unserem gesamtwirtschaftlichen Modell die Arbeitslosenquote um ca. einen Prozentpunkt.

Abbildung 2: Dynamik am deutschen Arbeitsmarkt. Zur besseren Vergleichbarkeit ist jede Zeitreihe auf einen Durchschnitt von eins normalisiert.

Der Partialeffekt erzählt aber nur einen Teil der Geschichte. Hinzu kommt ein Gleichgewichtseffekt: Wenn Arbeitslose verstärkt zu Konzessionen bereit sind, reagieren Betriebe auch darauf, indem sie zusätzliche Stellen schaffen. Wenn es insgesamt mehr offene Stellen gibt, erhöht sich die Chance für Arbeitssuchende, einen Kontakt zu einer suchenden Firma zu bekommen. Durch den Anstieg der Selektionsrate steigt wiederum die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Kontakt zu einer Einstellung führt (Partialeffekt). Anhand des Verhältnisses von Job-Findungsrate und Selektionsrate im Konjunkturverlauf bestimmen wir die relative Bedeutung des Partial- und Gleichgewichtseffekts. In unserer Modellsimulation ist der zusätzliche Gleichgewichtseffekt ähnlich groß wie der Partialeffekt. Die Arbeitslosenquote sank gemäß unserer Modellsimulation durch die Hartz IV-Reform um insgesamt gut 2 Prozentpunkte – dies entspricht rund einer Million zusätzlicher Arbeitsplätze.

Unsere Ergebnisse stimmen mit dem Partialeffekt von Price (2018) überein, der diesen kausal auf Basis mikroökonometrischer Schätzungen bestimmt. Darüber hinaus kann unser Modell auch die Verschiebung der sogenannten Beveridge-Kurve (der gemeinsamen Bewegung von offenen Stellen und Arbeitslosigkeit) in den Folgejahren der Hartz IV-Reform abbilden. Insgesamt liefert unser Ansatz eine Untergrenze für die gesamtwirtschaftliche Wirkung von Hartz IV, da durch die Reform auch Entlassungen zurückgegangen sind (siehe Klinger und Weber (2016) und Hartung, Jung und Kuhn (2018)), die wir in unserem Modell nicht berücksichtigen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die makroökonomischen Effekte der Hartz IV-Reform auf die Arbeitslosigkeit in Deutschland erheblich waren. Die Reform ist für mindestens eine Million zusätzlicher Arbeitsplätze verantwortlich. Unser Papier trifft aber nur Aussagen zu den positiven Wirkungen von Hartz IV. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für die Analyse der normativen Aspekte.

Filed Under: Opinion, Research Tagged With: Germany, Hartz reforms, labor market, unemployment, unemployment insurance

Der Wettlauf Mensch gegen Maschine: Realität oder Hype?

April 3, 2019 by Dajan Baischew

„Der mediale Hype um Schlagworte wie künstliche Intelligenz, selbstlernende Maschinen, Disruption und Blockchain weckt Bedrohungsängste, gegen die simple Fakten offenbar nicht mehr ankommen. Während die seit Jahrzehnten fortschreitende Digitalisierung den Menschen angeblich überflüssig macht, stellt die Wirtschaft einen Beschäftigungsrekord nach dem anderen auf, und Unternehmen suchen händeringend nach Fachkräften. Absurder könnte es kaum sein“, meint IZA-Chef Hilmar Schneider, der heute die Abschlussrede der Konferenz „Future of Work in Industry“ im Rahmen der Hannover Messe hält.

Auch der niederländische Ökonom Wim Naudé kommt in einem aktuellen IZA-Forschungspapier zu dem Schluss, dass das Jobvernichtungspotenzial von Künstlicher Intelligenz (KI) überbewertet wird. Seine Auswertung des internationalen Forschungsstands zum Thema ergab:

  • Die Methodik zur Berechnung potenzieller Jobverluste ist stark abhängig von den dafür zu treffenden Annahmen.
  • Automatisierung wirkt sich eher auf einzelne Tätigkeitsprofile aus, weniger auf ganze Berufsfelder.
  • Die Debatte konzentriert sich einseitig auf die Ersetzbarkeit menschlicher Arbeit – dabei schafft Automatisierung sogar mehr neue Jobs als sie zerstört.
  • KI breitet sich – außerhalb der Welt der Technologie-Giganten – deutlich langsamer aus als häufig dargestellt.
  • Auch das Innovationstempo im Bereich KI geht zurück, weil es dazu komplementärer Innovationen und Investitionen bedarf.

Naudé sieht daher keine wissenschaftliche Grundlage für die derzeit kursierenden Untergangsszenarien. Allerdings weist er auch auf diverse Herausforderungen aus ökonomischer und politischer Sicht hin, insbesondere die Notwendigkeit einer geeigneten Regulierung von Daten und Algorithmen, damit KI nicht dem Missbrauch von Marktmacht gegenüber Wettbewerbern, Verbrauchern und Arbeitnehmern Vorschub leistet.

Filed Under: Research Tagged With: artificial intelligence, automation, digitalization, future of labor, robots

Internationalisierung der Hochschulbildung steigert den Studienerfolg

March 28, 2019 by Dajan Baischew

Seit der Jahrtausendwende hat sich die Zahl der internationalen Studierenden weltweit mehr als verdoppelt: Über vier Millionen junge Menschen studieren außerhalb ihres Heimatlandes, etwa jeder zehnte davon in Großbritannien. Im Jahr 2016 kamen 18% der Studierenden an britischen Universitäten aus dem Ausland.

Befürworter der Internationalisierung argumentieren, einheimische und ausländische Studierende profitierten gleichermaßen von mehr Vielfalt. Doch es mehren sich auch kritische Stimmen, die den Lernerfolg einheimischer Studierender durch mangelnde Sprachkenntnisse internationaler Kommilitonen gefährdet sehen.

Natürliches Experiment

In einem aktuellen IZA-Forschungspapier entkräften Arnaud Chevalier, Ingo Isphording und Elena Lisauskaite diese Befürchtung. Anhand von administrativen Daten zu angehenden Wirtschaftswissenschaftlern an einer Londoner Universität ermitteln die Forscher, wie sich die ethnische Zusammensetzung von Seminargruppen auf den Studienerfolg und die Kurswahl der Teilnehmer auswirkt. Da die Gruppenzuordnung per Zufall erfolgt, lassen sich die Ergebnisse kausal auf die Sprachenvielfalt innerhalb der jeweiligen Gruppe zurückführen.

Die Analyse zeigt: Nicht-Muttersprachler, insbesondere solche mit schwächeren Leistungen, erzielten bessere Noten, wenn sie einer Lerngruppe mit größerer ethnischer Vielfalt zugeordnet wurden. Nach eigenen Angaben interagieren sie in sprachlich durchmischten Gruppen häufiger mit Einheimischen. Deren Leistung wiederum blieb von der Zusammensetzung der eigenen Gruppe unberührt.

Bessere Integration

Auch langfristig fördert sprachliche Vielfalt die Integration. Nicht-Muttersprachler, die sonst eher zu mathematisch orientierten Kursangeboten neigen, wählen häufiger die gleichen Kurse wie Muttersprachler, wenn sie einer gemischten Lerngruppe zugeordnet waren. Auch entscheiden sie sich häufiger dazu, ihren Aufenthalt im Gastland nach Studienabschluss noch zu verlängern.

Die Leistungen einheimischer Studierender werden selbst dann nicht beeinträchtigt, wenn mehr als die Hälfte ihrer Kommilitonen keine Muttersprachler sind. Nach Einschätzung der Autoren sprechen die Befunde dafür, die Internationalisierung der Hochschulen weiter voranzutreiben. „Dass einheimische Studenten von einer restriktiveren Vergabe von Studienplätzen an ausländische Studierende profitieren würden, wird nicht durch die empirische Evidenz der Bildungsforschung gedeckt“, meint IZA-Experte Ingo Isphording.

Filed Under: Research Tagged With: academic performance, college, diversity, globalization, higher education, language, university

Zuwanderung verringert Unterstützung für Umverteilungspolitik in Europa

March 15, 2019 by Mark Fallak

In weiten Teilen Europas ist der Einwandereranteil an der Gesamtbevölkerung in den letzten Jahrzehnten stark angestiegen. Einerseits gilt Zuwanderung für die Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft und der Sozialsysteme als unverzichtbar. Andererseits wird die zunehmende Bevölkerungsvielfalt mitunter als Bedrohung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt wahrgenommen.

Ein aktuelles IZA-Forschungspapier von Alberto Alesina, Elie Murard und Hillel Rapoport liefert empirische Belege dafür, dass mit vermehrter Zuwanderung auch ein Wandel in den Einstellungen zu Umverteilungsfragen und der Rolle des Sozialstaats einhergeht.

Anhand von Zensusdaten und amtlichen Statistiken bilden die Autoren zunächst den regionalen Zuwandereranteil in 16 europäischen Ländern ab. Die Grafik zeigt erhebliche Unterschiede in den betrachteten 140 Regionen mit Anteilen von rund zwei bis über 42 Prozent:

Abb. 1: Regionaler Bevölkerungsanteil von Einwanderern im Jahr 2010

Aus Umfragedaten des European Social Survey ermitteln die Forscher regionale Unterschiede in den Einstellungen der Menschen zu Umverteilungsfragen. So wird in der regelmäßigen Erhebung beispielsweise abgefragt, welche Rolle dem Sozialstaat bei der Verringerung von Einkommensunterschieden und der Bereitstellung von Arbeitslosenunterstützung, Alterssicherung und Kinderbetreuung zugeschrieben wird. Zudem sollten die Befragten angeben, inwieweit sie der Meinung sind, dass Sozialleistungen die Wirtschaft belasten oder zu „Faulheit“ animieren. Auch hier gibt es deutliche regionale Unterschiede, etwa ein klar erkennbares Ost-West-Gefälle in Deutschland:

Abb. 2: Durchschnittliche Akzeptanz von staatlichen Umverteilungsmaßnahmen nach Region

Die Verknüpfung beider Datensätze zeigt, dass die Unterstützung für staatliche Umverteilungsaufgaben schwindet, je stärker der Migrantenanteil in der jeweiligen Region zunimmt. Dieser Effekt ist besonders ausgeprägt bei Mitte-Rechts-Wählern in Ländern mit umfangreichen Sozialsystemen und in Regionen mit ausgeprägter Wohnsegregation zwischen Einwanderern und Einheimischen. Verstärkt wirkt der Effekt zudem durch geringqualifizierte Zuwanderung und größere kulturelle Distanz zu Einheimischen.

Zahlreiche mögliche Störfaktoren sind in der Analyse berücksichtigt. So können die Autoren ausschließen, dass die Ergebnisse etwa dadurch beeinflusst werden, dass Zuwanderung vor allem in Regionen mit großzügigem Sozialsystem stattfindet oder dass Einheimische infolge vermehrter Zuwanderung aus diesen Regionen wegziehen.

Zu den genauen Motiven für den beobachteten Einstellungswandel lassen die Daten allerdings keine Rückschlüsse zu. Für die Autoren deutet einiges darauf hin, dass die Bereitschaft zur Solidarität häufig an die eigene „Gruppenzugehörigkeit“ geknüpft sei. Denkbar sei auch, dass Zuwanderern eine relativ hohe Abhängigkeit von steuerfinanzierten Leistungen unterstellt würde. Die Ergebnisse sprechen jedoch dagegen, dass Immigranten primär als Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt wahrgenommen werden und somit Abstiegsängste schüren – denn in dem Fall sollte die Unterstützung für sozialstaatliche Absicherung eher zunehmen.

Filed Under: Research Tagged With: attitudes, Europe, immigration, redistribution, welfare

Höhere Mindestlöhne in den USA führen zu einem Rückgang der Erwerbsbeteiligung

February 21, 2019 by Dajan Baischew

Die Beschäftigungswirkungen von Mindestlöhnen zählen zu den meisterforschten und zugleich umstrittensten Themen der Arbeitsmarktökonomik. Für die empirische Forschung besteht die Herausforderung darin, eine belastbare Aussage darüber zu treffen, wie sich die Beschäftigung ohne die Einführung oder Erhöhung eines Mindestlohns entwickelt hätte.

Dazu bedarf es einer „kontrafaktischen“ Vergleichsgruppe von Arbeitsmarktteilnehmern, die nicht den höheren Mindestlohn erhalten. Diese ist jedoch nicht leicht zu spezifizieren, da die individuelle Arbeitsmarktsituation von einer Vielzahl von Faktoren wie Arbeitszeitpräferenzen, Lohnvorstellungen, Familienstruktur und demografischen Merkmalen abhängt. Mit anderen Worten: Es ist schwer zu belegen, dass man nicht Äpfel mit Birnen vergleicht.

Ein aktuelles IZA-Forschungspapier von Ernest Boffy-Ramirez umschifft dieses Problem, indem Individuen „mit sich selbst“ verglichen werden. Anhand von Daten des Current Population Survey aus den Jahren 1990 bis 2017 betrachtet die Studie den Beschäftigungsstatus von Einzelpersonen in einem Zeitfenster von vier Monaten unmittelbar vor und nach einer Mindestlohnanpassung im jeweiligen US-Bundesstaat.

Auf diese Weise lassen sich einerseits diverse individuelle Merkmale berücksichtigen, die die Reaktion auf den Mindestlohn beeinflussen könnten – etwa die Bereitschaft, den Wohnort zu wechseln oder die Zahl der Arbeitsstunden anzupassen. Durch das kurze Zeitfenster ist andererseits auszuschließen, dass sich längerfristige gesamtwirtschaftliche Trends auf die Ergebnisse auswirken.

Aufgrund des großen Stichprobenumfangs von Hundertausenden Individuen kann Boffy-Ramirez zudem seine Analyse auf die Arbeitsmarktgruppen fokussieren, die von Mindestlohnanpassungen am stärksten betroffen sind – Jugendliche, junge Erwachsende und Geringqualifizierte.

Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Erstens gibt es kaum Hinweise auf einen Anstieg der Arbeitslosigkeit unmittelbar nach einer Erhöhung des Mindestlohns.
  • Zweitens bestätigt sich nicht, dass Vollzeit-Arbeitsplätze bei höherem Mindestlohn vermehrt durch Teilzeit-Beschäftigung ersetzt würden.
  • Drittens kommt es unmittelbar nach einer Erhöhung des Mindestlohns zu einem Rückgang der Erwerbsbeteiligung, insbesondere bei 20- bis 24-Jährigen, Zuwanderern und Geringqualifizierten.

Laut Boffy-Ramirez könnte der vermehrte Ausstieg aus dem Arbeitsmarkt erklären, warum die Arbeitslosigkeit infolge des höheren Mindestlohns nicht steigt.

Einen einordnenden Überblick über den Stand der internationalen Forschung zu den Beschäftigungseffekten von Mindestlöhnen bietet der kürzlich aktualisierte Artikel von David Neumark für die IZA World of Labor.

Filed Under: Research Tagged With: employment, full-time, labor market participation, minimum wage, part-time, unemployment

Mehr Anträge auf Invalidenrente in Rezessionen

February 15, 2019 by Mark Fallak

Läuft die Wirtschaft schlecht, häufen sich in den USA die Anträge auf Leistungen der staatlichen Erwerbsunfähigkeitsversicherung (SSDI). Ein möglicher Grund sind die negativen Auswirkungen von Rezessionen auf die körperliche und psychische Gesundheit. Es gibt jedoch zahlreiche Hinweise darauf, dass auch Arbeitslose mit geringen gesundheitlichen Einschränkungen häufiger (und zudem erfolgreicher) eine Invalidenrente beantragen, wenn sie in Krisenzeiten den Job verlieren.

Ein aktuelles IZA-Forschungspapier von Delia Furtado, Kerry L. Papps und Nikolaos Theodoropoulos geht der Frage nach, inwieweit die „antizyklische“ Antragshäufigkeit durch das soziale Umfeld der Betroffenen beeinflusst wird. Einerseits könnte ein verbreiteter Leistungsbezug im Bekanntenkreis die Schwelle zur Beantragung senken. Andererseits könnten tradierte Werte und Normen mit Blick auf den gesellschaftlichen Stellenwert von Erwerbsarbeit dazu führen, dass eine Abhängigkeit von staatlichen Leistungen aus Furcht vor Stigmatisierung vermieden wird.

Werte, Normen und sozialer Druck

Auf Basis umfangreicher Daten der Jahre 2001 bis 20017 untersuchten die Forscher, wie sich Einwanderer aus verschiedenen Ländern in ihrem Antragsverhalten unterscheiden. Dabei stellten sie fest: Je stärker in den jeweiligen Herkunftsländern die Erwerbstätigkeit als gesellschaftliche Norm angesehen wird und die Unabhängigkeit von staatlichen Leistungen als erstrebenswert gilt, desto geringer der konjunkurelle Einfluss auf die Beantragung der Invalidenrente. Dass bestimmte ethnische Gruppen überdurchschnittlich von krisenbedingten Jobverlusten und gesundheitlichen Einschränkungen betroffen sein könnten, wurde in der Analyse berücksichtigt.

Da der gleiche Zusammenhang auch für Einwanderer der zweiten Generation nachweisbar war, halten die Autoren ihren Befund für weitgehend auf die Gesamtbevölkerung übertragbar. Demnach sei der Anstieg der attestierten Erwerbsunfähigkeit in Krisenzeiten primär auf das von den wahrgenommenen „sozialen Kosten“ beeinflusste Entscheidungsverhalten der Betroffenen zurückzuführen.

Die Forscher halten es für problematisch, dass die Invalidenrente offenbar zunehmend als Absicherung gegen Arbeitsplatzverlust diene. Denn wer seinen Job in der Rezession verloren habe, finde im Aufschwung häufig wieder neue Arbeit. Wer jedoch einmal Invalidenrente beziehe, bleibe in der Regel für immer im Leistungsbezug.

Weitere Details zu Methodik und Ergebnissen der Studie finden Sie in der englischsprachigen Zusammenfassung der Autoren.

Filed Under: Opinion, Research Tagged With: disability, immigrants, job loss, recession, social security, take-up

Frauenquote für Aufsichtsräte in Italien hat weiblichen Beschäftigten wenig gebracht

February 4, 2019 by Dajan Baischew

Viele europäische Staaten haben in den letzten Jahren eine Geschlechterquote für die Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen eingeführt. Mehr Frauen im obersten Kontrollgremium, so die Erwartung, würden die Gleichstellung in den Unternehmen vorantreiben und weiblichen Führungskräften helfen, die „gläserne Decke“ beim Karriereaufstieg zu durchbrechen.

Eine jetzt vom IZA veröffentlichte Auswertung der 2011 in Italien eingeführte Frauenquote zieht jedoch eine ernüchternde Bilanz. Zwar haben sich die weiblich besetzten Aufsichtsratsposten seit der Reform vervierfacht (auf 758 Mandate im Jahr 2017). Doch weder im Top-Management noch auf anderen hochdotierten Positionen erhöhte sich dadurch der Frauenanteil.

Für ihre Analyse nutzten die Ökonominnen Agata Maida und Andrea Weber den Umstand, dass die italienische Reform eine schrittweise Anhebung der Frauenquote vorsah, die je nach Termin der nächsten Aufsichtsratswahl in den Unternehmen zu unterschiedlichen Zeitpunkten zum Tragen kam. Die Autorinnen verglichen Unternehmen mit und ohne verpflichtende Frauenquote, wobei sie mögliche Einflussfaktoren wie die Unternehmensgröße berücksichtigten.

Die F.A.Z. berichtete vorab über die Studie.

Auch wenn es vereinzelt zur Einsetzung weiblicher Vorstandsvorsitzender kam, hatte die Reform insgesamt keine erkennbaren Auswirkungen auf die Frauenkarrieren in den Unternehmen, wie die Grafik veranschaulicht. Die Ergebnisse decken sich mit dem Befund für Norwegen, wo die Frauenquote in Verwaltungsräten schon seit 2003 gilt.

Mögliche Gründe

Die Autorinnen nennen drei Erklärungsansätze für das Ausbleiben des erhofften „Trickle-Down-Effekts“:

  1. Gemessen am Gesamtarbeitsmarkt hat die Zahl weiblicher Aufsichtsräte eher symbolischen Charakter. Womöglich bedarf es einer Ausweitung der Reform, um spürbare Effekte zu erzielen.
  2. Ein Kulturwandel in den Unternehmen braucht Zeit, erst recht im eher traditionell geprägten Italien. Es wäre also durchaus denkbar, dass sich die Effekte auf lange Sicht doch noch einstellen.
  3. Aktuelle Erkenntnisse aus Deutschland und Frankreich zeigen, dass Frauen innerhalb der Aufsichtsräte selten den Vorsitz oder andere Schlüsselpositionen innehaben. Ihr Einfluss auf das Unternehmen dürfte also geringer sein als der formelle Frauenanteil vermuten lässt.

Alternative Ansätze

Nach Einschätzung der Autorinnen nützt die Quote allein wenig, wenn es nicht gelingt, weibliche Karrieren besser „von unten“ zu fördern, etwa durch bessere Kinderbetreuung, durch Jobsharing-Möglichkeiten, Mentoring oder frauenfreundlichere Bewerbungs- und Einstellungsprozesse.

Zu diesem Schluss gelangt auch Nina Smith, die in einem Artikel für die IZA World of Labor den internationalen Forschungsstand zur Frauenquote aus ökonomischer Sicht zusammenfasst. Sie plädiert außerdem dafür, ein „ausgewogeneres Karrieregleichgewicht innerhalb von Familien“ zu fördern, etwa durch mehr Anreize für Väter, Elternzeit zu nehmen.

Filed Under: Research Tagged With: female leadership, gender pay gap, quota

Warum es sinnvoll ist, wissenschaftliche Studien zu replizieren

February 1, 2019 by Dajan Baischew

Fehlerhafte Forschungsergebnisse schaden nicht nur dem Ruf der Wissenschaftler, sondern können schlimmstenfalls zu falschen Politikentscheidungen führen. Da es jedoch an Anreizen für Forscher mangelt, Studien von Kollegen systematisch nachzurechnen, bleiben solche Fehler oft lange unentdeckt. Das IZA setzt sich daher für eine effektivere Förderung von Replikationsstudien ein, etwa im Rahmen darauf spezialisierter Fachzeitschriften oder als Teil der Doktorandenausbildung.

Bereits vor einiger Zeit berichtete der IZA Newsroom über eine medial vielbeachtete Studie zu Teenager-Schwangerschaften, deren Replikation auf falsche politische Schlussfolgerungen hinwies. Nun fanden Forscher aus dem IZA-Netzwerk Datenfehler und methodische Schwächen einer 2005 veröffentlichten Studie der US-Ökonomen David Cutler und Grant Miller.

Hohe Sozialrendite?

Was war passiert? Cutler und Miller hatten errechnet, dass die Filterung und Chlorung von Trinkwasser maßgeblich zum Rückgang der Sterblichkeit in den USA zu Beginn des 20. Jahrhunderts beigetragen habe. Demnach bewirke jeder in die Trinkwasseraufbereitung investierte Dollar einen gesellschaftlichen Nutzen im Wert von mindestens 23 Dollar.

Die in der renommierten Fachzeitschrift Demography erschienene Studie wurde vielfach zitiert, unter anderem in Publikationen der WHO. Historische Erfahrungen aus westlichen Ländern dienen oft als Politikgrundlage für Entwicklungsländer, da es ethisch nicht vertretbar wäre, potenziell lebensrettende Maßnahmen zunächst an Teilen der Bevölkerung zu testen, um ihre Kosteneffektivität präzise evaluieren zu können.

Bei der Untersuchung alternativer Maßnahmen zur Reduzierung der Sterblichkeit fanden Mark Anderson, Kerwin Charles und Daniel Rees heraus, dass Cutler und Miller die relative Wirksamkeit der (unbestritten sinnvollen) Trinkwasseraufbereitung deutlich überschätzt hatten. Zum einen stießen sie auf fehlerhaft übertragene Daten zur Säuglingssterblichkeit, zum anderen stellten sie die Methode zur Berechnung der Gesamtsterblichkeit in Frage.

Konstruktiver Austausch

In der Folge kam es zum „Schlagabtausch“ zwischen den Autorenteams, den beide Seiten als äußerst konstruktiv und professionell lobten. Cutler und Miller stellten sämtliche Daten zur Verfügung und räumten in einem Kommentar die Übertragungsfehler ein, blieben aber bei der Auffassung, ihre Methodik sei nicht zu beanstanden und die Datenkorrektur ändere die Ergebnisse nur unwesentlich – was Anderson, Charles und Rees wiederum zu einer Erwiderung veranlasste.

Die Kontroverse steht exemplarisch für den hohen gesellschaftlichen Wert von Replikationsstudien, die bislang – teils aus Scheu vor der Auseinandersetzung mit anerkannten Fachkollegen – vernachlässigt werden. Zwar bezweifeln manche Experten, dass der Wissenschaftsbetrieb mehr Anreize zur Durchführung von Replikationen bieten müsse. Statt Ergebnisse mit Originaldaten nachzurechnen, sei es zielführender, Konzepte anhand von Daten aus anderen Quellen oder Zeiträumen zu überprüfen. Klar ist jedoch: Die Politik profitiert von jeder Verbesserung ihrer empirischen Grundlage – sei es durch Aufdecken von Fehlern oder auch durch die Bestätigung der vorhandenen Erkenntnisse.

Lesen Sie eine methodisch detailliertere Darstellung in englischer Sprache.

Filed Under: Research Tagged With: public health, public policy, publication, replication, social science

Stereotype gegenüber Schülern mit ausländischen Wurzeln

January 18, 2019 by Peter Drahn

An italienischen Mittelschulen erhalten Migrantenkinder im Schnitt schlechtere Noten als einheimische Mitschüler mit gleichen Leistungen in standardisierten Tests. Daraus lässt sich nicht automatisch auf eine voreingenommene Bewertung durch die Lehrer schließen, denn in die Benotung fließen auch andere Kriterien wie die Mitarbeit im Unterricht ein, die an Prüfungsergebnissen nicht abzulesen sind.

Ein aktuelles IZA-Forschungspapier von Alberto Alesina, Michela Carlana, Eliana La Ferrara und Paolo Pinotti zeigt jedoch, dass die Stereotypisierung von Schülergruppen bei der Benotung eine wichtige Rolle spielt. Eine stärkere Sensibilisierung der Lehrer für ihre eigene, oft unbewusste Voreingenommenheit reduziert der Studie zufolge die Ungleichbehandlung von Schülern.

Das Forscherteam analysierte anhand von Impliziten Assoziationstests (IAT), welche Eigenschaften oder Verhaltensweisen Lehrer italienischen bzw. ausländisch klingenden Vornamen zuschreiben. Im Ergebnis zeigt sich, dass rund zwei Drittel der untersuchten Lehrer zu negativen Stereotypen gegenüber Einwanderern neigen. Männliche Lehrer lassen sich übrigens eher davon leiten als ihre weiblichen Kollegen.

Wurden die Lehrer vor der Notengebung mit ihren Stereotypen konfrontiert, verschob sich die Notenverteilung zugunsten der Einwandererkinder. Die Forschern folgern daraus, dass eine regelmäßige Durchführung solcher Tests zu mehr Chancengerechtigkeit beitragen kann. Manche Unternehmen nutzen das Verfahren bereits, um Personalverantwortliche entsprechend zu sensibilisieren.

Allerdings weisen die Studienautoren auch auf einen möglichen unerwünschten Nebeneffekt hin: Ändern die Lehrer aufgrund der IAT-Ergebnisse ihr Verhalten, obwohl sie zuvor fair benotet hatten, könne Diskriminierung dadurch mitunter erst entstehen – nämlich „positive Diskriminierung“ von Migranten.

Lesen Sie hier eine ausführlichere englische Zusammenfassung mit Grafiken.

Filed Under: Research Tagged With: discrimination, education, immigrantion, Italy, school, stereotype, teaching

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